Streit über Flüchtlingspolitik: Eine herbe Niederlage für Horst Seehofer
Horst Seehofer und Sebastian Kurz waren lange einig in einer Asylpolitik der Abschottung. Nun holt sich der deutsche Innenminister beim österreichischen Kanzler eine Abfuhr.
Was waren das für freundliche Zeiten, im November 2016 in München. Als Horst Seehofer auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise und dem vorläufigen Tiefpunkt seiner Beziehungen zu Angela Merkel den österreichischen Kanzler zum Parteitag empfing. „Hoffnungsträger“ wurde Sebastian Kurz genannt und als Mann „mit Zukunft“ bejubelt. Seehofer und Kurz: zwei Politiker, vereint in der Ablehnung der Merkelschen Willkommenskultur und dem Ziel, den Flüchtlingen eine Grenze zu zeigen.
Eineinhalb Jahre später stehen die beiden an diesem Donnerstag wieder nebeneinander, diesmal in Wien. Doch statt Jubel und Schulterklopfen schaut man in betretene Gesichter. Seehofer ist zwar immer noch CSU-Vorsitzender, aber seit ein paar Monaten auch im Amt des Bundesinnenministers. Und als solcher, das wird gerade in diesen Tagen mehr als klar, muss er das einlösen, was er im November 2016 und seither immer wieder so vehement gefordert hat: Die Herstellung von „Recht und Ordnung“ in Deutschland.
Doch Kurz, der Freund und Hoffnungsträger von einst, will dem Innenminister nun dabei kein bisschen helfen. Ganz im Gegenteil: Mit eisiger Miene verkündet der Kanzler, dass er gerade mit Seehofer gesprochen und die Vorstellung „ausgeräumt“ habe, dass Deutschland „Maßnahmen ergreifen wird, die zum Nachteil Österreichs“ gereichen könnten. Dem betreten nach unten blickenden Seehofer bleibt nichts anderes übrig, als das zu bestätigen: Den Nachbarn mit Flüchtlingsfragen zu behelligen, die ihn nichts angehen, sei „nie beabsichtigt“ gewesen.
Kaum Chancen für eine Umsetzung
Was hinter diesen Worten steckt, ist nichts anderes als die erste herbe Niederlage jenes Horst Seehofer, der noch vor drei Tagen der Öffentlichkeit weismachen wollte, dass er der Kanzlerin in einem beispiellosen Akt der Härte die „Asylwende“ abgetrotzt hat. Merkel hatte zuletzt in eine Vereinbarung eingewilligt, die dem Innenminister die Deutung erlauben soll, jene Flüchtlinge, die in anderen Ländern der EU schon einmal registriert wurden und nun an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden, würden fortan nicht ins Land gelassen, sondern direkt dorthin zurückgewiesen.
Ein längst überfälliger Akt der Wiederherstellung der Kontrolle an deutschen Grenzen war das aus Seehofers Sicht. Und ganz nebenbei auch ein Punktgewinn in der persönlichen Fehde mit Merkel.
Doch die Unions-Vereinbarung hat mindestens einen Haken. Praktisch kann sie nur umgesetzt werden, wenn die EU-Länder, in denen die Erstregistrierung erfolgte, auch bereit sind, die Asylbewerber auf der Grundlage von binationalen Verwaltungsabkommen mit Deutschland wieder aufzunehmen. Oder Österreich sie wieder aufnimmt, wenn diese Abkommen nicht zustande kommen. Doch das hat Wien nun klar abgelehnt. Verantwortlich für das Schließen all dieser Abkommen ist aber: der Innenminister. Dem dürfte jetzt klar sein, in welche Falle er sich selbst hineinmanövriert hat: Ohne binationale Abkommen keine Transitzentren, ohne Transitzentren keine Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze.
Und am Ende die Blamage des CSU-Vorsitzenden, der erst vollmundige Ankündigungen macht, dann beinahe eine Regierung sprengt und zu guter Letzt nicht in der Lage ist, seine Zusagen auch einzuhalten. Damit die Abfuhr der Österreicher nicht ganz so auffällt, hat sich Seehofer mit seinen italienischen und österreichischen Kollegen für kommende Woche in Innsbruck verabredet, um die „Südroute“ zu schließen. Was das im Einzelnen bedeutet, weiß erst mal niemand.
Verantwortung auf die Kanzlerin abgeschoben
In den nächsten Tagen muss Seehofer nun in Athen und Rom um Verwaltungsabkommen betteln. Er ahnt schon, dass dort die nächsten Niederlagen lauern, zumindest in Italien, wo man bisher keinerlei Einsehen darin hat, den Deutschen bei der Klärung ihrer innenpolitischen Querelen zu helfen. Vorsorglich hat Seehofer deshalb der Kanzlerin schon mal die Verantwortung für diese „großen europäischen“ Fragen zugeschoben.
So schwierige Aufgaben könnten nur die Regierungschefs lösen, sagt er am Donnerstag. Und auch der Kreis der Asylbewerber, die Seehofer überhaupt noch in den Blick nehmen will, ist in den letzten drei Tagen auf einmal auf die zusammengeschrumpft, die in anderen EU-Ländern nicht nur registriert sind, sondern dort zusätzlich auch einen Asylantrag gestellt haben. Das sind bisher ganze 150 im Monat.
Antje Sirleschtov