Feminismus in der Politik: Eine Feministin sieht anders aus
Konservative Politikerinnen schaden feministischen Interessen, statt sie zu fördern. Ihr naives Verständnis von Feminismus dient nur einigen wenigen. Ein Kommentar.
Wer heute seine „Girl Power“ in die Welt tragen will, muss sich lediglich zwischen gelben oder rosa Socken entscheiden. Feministische Kleidung liegt aktuell voll im Trend. Theresa May, die britische Premierministerin, trug auch einmal so ein T-Shirt. 2006 war das, lange bevor das modern wurde. Doch schaut man nach einem Jahr Amtszeit auf Mays Bilanz in Sachen Frauenrechte, wird deutlich, dass die Kluft zwischen Shirt und Haltung, zwischen der Symbolkraft einer weiblichen Regierungschefin und dem politischen Ertrag für die Frauen, größer kaum sein könnte.
An Theresa May zeigt sich, wie schlecht der Feminismus oft in den Händen konservativer Politikerinnen aufgehoben ist – und warum man nicht allein damit zufrieden sein kann, dass immer mehr Frauen politische Spitzenämter bekleiden.
„This is what a feminist looks like“ lautete die hoffnungsstiftende Aussage des T-Shirts, in dem sie sich fotografieren ließ. Als eine Reporterin der US Vogue sie im März dieses Jahres darauf ansprach, lachte sie verlegen und witzelte, sie wisse gar nicht so recht, ob sie sich noch als Feministin bezeichnen würde. Was hat sich getan? Oder eher: Hat sich überhaupt etwas getan?
Mays Verständnis von Feminismus reicht nicht weit genug
May wurde 1997 zur MP gewählt – als eine von 13 Frauen, die für die Tories ins Parlament einzogen. Die Überzeugung, dass diese Zahl so niedrig nicht bleiben durfte, trieb sie dazu an, 2005 „Women2Win“ zu gründen, eine Initiative, die Frauen den Einstieg in eine konservative politische Karriere erleichtern sollte. Zwar setzte sich May durchaus immer mal wieder für Initiativen ein, die aus feministischer Perspektive begrüßenswert sind, wie das „Coercive Control“-Gesetz zur Kriminalisierung psychologischen und finanziellen Missbrauchs. Aber unter ihrer Austeritätspolitik leiden mittellose Frauen jedoch mit am meisten. Auch eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes hat sie unterstützt.
Dieser vermeintliche Widerspruch lässt sich leicht auflösen. Der Regierungschefin scheint Gleichstellung durchaus am Herzen zu liegen. Doch ihr Verständnis von Feminismus reicht nicht weit genug. Es leidet unter anderen, von ihr bevorzugten politischen Zielen – und beschränkt sich weitestgehend auf jene, die sich bereits in einer ähnlich privilegierten Ausgangsposition befinden wie sie.
Keine Bedrohung, sondern eine Chance
Seit ihrer Wahl an die Spitze des Landes wird zunehmend deutlich, dass die erste weibliche Premierministerin nach Margaret Thatcher dazu bereit ist, über gewisse Themen von feministischer Relevanz hinwegzusehen, die sich nachteilig auf ihr ohnehin wackeliges Machtkonstrukt ausüben könnten. Sie war sich nicht zu schade, die vulgären frauenverachtenden Kommentare von US- Präsident Donald Trump zu verharmlosen. Genau sie hätte ihren Einfluss nutzen können, um seine Äußerungen aufs Strengste zu verurteilen.
Stattdessen hatte sie „dringliche globale Fragen“ mit ihm zu klären und das nur wenige Tage, nachdem weltweit zwei Millionen Menschen gegen seine sexistischen Aussagen auf die Straße gegangen waren. Für jedes Opfer sexueller Gewalt, oder eigentlich für jeden mit etwas Mitgefühl, konnte dieses Handeln kaum anders verstanden werden als ein Affront.
Ja, Frau May, eine Feministin sieht anders aus
Die Regierungsvereinbarung mit der nordirischen DUP, die es May ermöglicht, trotz ihrer Wahlschlappe im Amt zu bleiben, wirft einen noch viel düsteren Schatten auf die Premierministerin. Die DUP, deren Programm allzu leicht mit einem mittelalterlichen Manuskript verwechselt werden könnte, lehnt Abtreibungen und die Homo-Ehe vehement ab. May lässt das noch nicht einmal mit der Wimper zucken. Ja, Frau May, eine Feministin sieht anders aus.
Ihr Argument, für die Gleichstellung sei mittlerweile gesorgt, weil Frauen der Zugang zu politischer Beteiligung und Strukturen nicht mehr verwehrt wird, ist haltlos. Natürlich ist es begrüßenswert, wenn insbesondere politische Führungspositionen von Frauen eingenommen werden. Davon auszugehen, dass Frauen sich aufgrund ihres Geschlechts für frauenpolitische Themen einsetzen, ist jedoch naiv – und bequem, denn es macht es all jenen, die auf das Thema Gleichberechtigung reagieren wie Allergiker, sehr einfach. Geschlechtergerechtigkeit?
Wir haben ja unsere Frau Merkel und unsere Frau May, die machen das schon. Diese Argumentation sieht nicht nur darüber hinweg, dass die feministischen Anliegen konservativer Politikerinnen sich oft auf einen bestimmten Typ Frau beschränken (weiß, heterosexuell und wohlhabend), sondern auch darüber, dass sie von ihnen selten als wichtig genug angesehen werden, um vor anderen Themen Vorrang zu haben.
Das böse F-Wort ist mit zu vielen Irrtümern beladen
Mays verhaltene, kleinlaute Reaktion auf das Nachhaken der Journalistin weist zudem auf einen weiteren Missstand hin: Der Preis für politischen Erfolg kann noch immer Verzicht auf ein Bekenntnis zum Feminismus heißen. Sich zum Feminismus zu bekennen ist und bleibt ein Risiko. Theresa May erkannte es als ein solches – und ging es nicht ein – zuletzt scheute auch Angela Merkel bei einer Podiumsdiskussion davor zurück. Wer sich dennoch traut, und sogar bereit dazu ist, den Begriff mit Inhalten zu füllen, begibt sich auf dünnes Eis.
Das böse F-Wort ist noch immer mit zu vielen Irrtümern beladen. Die Bemühungen von Feministinnen beschränken sich auf das Wohl ihrer weiblichen Mitmenschen, heißt es. Feminismus sei ausschließlich Frauensache. Und Feministinnen seien doch eh alle nur die verbitterten Alice Schwarzer-Anbeterinnen der heutigen Zeit. Das weiß wohl kaum eine Politikerin besser als Hillary Clinton, die aufgrund ihrer dezidierten Selbstdarstellung als Feministin immer wieder attackiert wird.
Ein Bekenntnis zum Feminismus ist erst einmal nichts als die Einsicht, dass Frauen und Männer noch immer nicht gleichberechtigt sind – und der Wille, sich dafür einzusetzen, dass das weder strukturell noch gesellschaftlich so bleibt. Dennoch wird es noch immer vorsätzlich missverstanden. Als Angriff, als Rachsucht, als Krieg gegen das andere Geschlecht. Es ist, als sei jeder Einsatz für die Stärkung von Frauen untrennbar von einer Anfeindung gegen Männer. Dabei gibt es für Feindschaft ganz eigene Begriffe, wie etwa die Misandrie, wörtlich übersetzt der Hass auf Männer.
Wir brauchen Frauen, die dazu bereit sind, eine Agenda zu verfolgen, in der humanitäre Anliegen stärker ins Gewicht fallen als machtpolitisches Kalkül – und somit das populäre Feminismusverständnis neu prägen. Frauen, die zeigen, dass ihre im eigentlichen Sinne feministische Politik der Gesellschaft nicht schadet, sondern sie vorantreibt. Damit das überhaupt möglich ist, muss der Feminismus aber endlich einmal als das verstanden werden, was er ist: keine Bedrohung, sondern eine Chance.
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