zum Hauptinhalt
Yasemin Karakasoglu
© dpa

Steinbrück beruft Bremer Professorin Karakasoglu: Ein türkischer Name für Bildung und Wissenschaft

Zwei bekannte Männer und eine neue Frau: Die Bremer Bildungsforscherin Yasemin Karakasoglu will sich in Steinbrücks Wahlkampfteam für ein Deutschland einsetzen, das Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt nicht fürchtet, sondern schätzt.

Nun sind es schon neun. Doch von den am Mittwoch vorgestellten drei Neuen in Steinbrücks Wahlkampfteam sind zwei in Wirklichkeit alte Bekannte, der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig. Die Bremer Professorin Yasemin Karakasoglu dagegen ist eine noch Unbekannte im politischen Establishment. Ihre Berufung war eine Überraschung - und lässt sich als kluger Schachzug des Kandidaten Steinbrück lesen. Dass eine Professorin mit türkischem Namen Bildungs- und Wissenschaftspolitik für die SPD machen soll, könnte jener „Pariadebatte“ gegen Einwanderer, vor allem türkische, entgegenwirken, den die studierte Germanistin, Turkologin und Politologin selbst immer wieder kritisiert hat Karakasoglu, Professorin für Interkulturelle Bildung an der Uni Bremen, seit 2012 Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität und 2008 Gründungsmitglied des Sachverständigenrats Integration und Migration, wird vermutlich keine bequeme Personalie für die SPD: Sie protestierte vor drei Jahren öffentlich gegen die Thesen des Sozialdemokraten Thilo Sarrazin, der das Land durch mehr Muslime in Lebensgefahr ("Deutschland schafft sich ab") und immer dümmer werden sah. In einem Offenen Brief mit anderen migrantischen Intellektuellen forderte sie zu Sarrazin ein klärendes Wort vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Als der den Islam später als Teil Deutschlands bezeichnete, bezog er sich ausdrücklich auf diesen Brief. Als Gutachterin im Karlsruher Verfahren um Fereshta Ludin, der in Baden-Württemberg die Anstellung als Lehrerin versagt worden war, verteidigte Karakasoglu 2003 außerdem kopftuchtragende Lehrerinnen gegen die Vorstellung, sie seien entweder unterdrückt oder Demokratiefeindinnen. Das Thema war Gegenstand ihrer Promotion über muslimische Religiosität und Erziehungsideale von Lehramtsstudentinnen. Das Zerrbild vom Kopftuch sei bis heute wirksam und durch die Ländergesetzte womöglich stärker denn je, resümierte Karakasoglu, etwas resigniert, Jahre später im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Wie differenziert dieses Zeichen ist, ist nicht wirklich angekommen; die Kopftuchgesetze haben es vielmehr vollends festgelegt, auf die Bedeutung ‚gefährlich‘.“ Der deutschen Integrationspolitik warfen die Forscherin und ihr Ko-Autor Mark Terkessidis 2006 in einem Manifest vor, sich auf Vorurteile gegen Migranten zu stützen. Den von 60 Mitstreitern unterschriebenen Text veröffentlichte die "Zeit" unter dem missverständlichen Titel "Gerechtigkeit für die Muslime"; er trug Karakasoglu unter anderem wütende Angriffe der "Emma"-Herausgeberin und altfeministischen Leitfigur Alice Schwarzer ein. Schließlich hatte sie auch Kronzeuginnen angeblicher muslimischer Rückständigkeit wie Ayaan Hirsi Ali und Necla Kelek vorgeworfen, Vorurteile zu bedienen oder gar zu schaffen.

Karakasoglu wurde 1965 als Tochter eines Türken und einer Norddeutschen in Wilhelmshaven geboren und findet: „Norddeutscher als ich kann man gar nicht sein.“  Assimilation ist aber ein Wort, das ihrem schnurgeraden Werdegang nicht gerecht würde. Sie mag es sowieso nicht : "Das ist nicht mein Ideal." In ihrer Familie, sagt sie, "wahren wir die Bezüge“. Das heißt zum Beispiel, dass sie, die in Hamburg und Ankara studiert hat, deutsch mit den Kindern spricht. Ihr Mann, der erst als Erwachsener nach Deutschland kam, spricht türkisch mit ihnen. Im Urlaub bei den türkischen Verwandten wird dann Türkisch Leitkultur auf Zeit. Für das, was sie - wie inzwischen viele Deutsche - lebt, wünscht sie sich ein besseres Umfeld in ihrem Land. Das machte sie auch am Mittwoch bei der Präsentation als Steinbrücks Frau für Bildung klar: Sie wolle sich, sagte sie da, für einen Bewusstseinswandel einsetzen. "Multikulturalität und Multilingualität in Deutschland" seien "keine Gefahr, sondern eine Bereicherung“.

Zur Startseite