Israelisch-palästinensischer Konflikt: Ein Tunnel am Ende des Lichts
Es gibt keinen Partner für den Frieden, heißt es. Das stimmt. Doch im Nahen Osten gilt die Regel: Wer Recht hat, kommt nicht automatisch zur Vernunft. Ein Kommentar
Im Juni 2017 ist Jubiläum. Dann wird Israel ein halbes Jahrhundert lang Besatzungsmacht sein. Die Alternativen dazu sind bekannt: Entweder die Palästinenser werden vertrieben, vornehm Transfer genannt, was einer ethnischen Säuberung entspräche, oder das Land wird geteilt in einen israelischen und einen palästinensischen Staat. Die dritte Variante ist die Fortsetzung des Status quo. Das heißt: Ein Volk herrscht gegen dessen Willen über ein anderes.
Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit. Es gab Terroranschläge, Aufstände, einen Friedensprozess, die Gründung von Hamas und Hisbollah, einseitige Rückzüge aus dem Libanon und Gazastreifen, die Ermordung Jitzhak Rabins, den Tod Jassir Arafats, Siedlungsbauten. Beide Seiten sind erschöpft, rat- und perspektivlos. Und sie sind überzeugt, dass die andere Seite keinen Frieden will. Man wurde zwar kaum klüger, hat aber noch weniger Illusionen über Formeln wie „Land für Frieden“, „Zwei-Staaten-Lösung“, „gerechte Teilung“.
„Den Arabern ist nicht zu trauen“, heißt es in Israel über die Palästinenser. „Sie tanzen in den Straßen, wenn jüdische Zivilisten ermordet werden.“ „Sie predigen Gewalt.“ „Sie erkennen das Existenzrecht Israels nicht an.“ „Sie sind in einen Hamas- und einen Fatah-Flügel gespalten.“ Aus alledem wird abgeleitet, dass die Fortsetzung des Status quo das kleinste aller Übel sei. Manchmal lähmt zu viel Erfahrung.
Am vergangenen Mittwoch ermordeten zwei Palästinenser in Tel Aviv vier Israelis. Es war ein Terroranschlag mit dem Ziel, möglichst viele unschuldige Menschen umzubringen. Als erste Reaktion darauf zog Israel 80.000 Einreisegenehmigungen für Palästinenser zurück, die während des Ramadan ihre Verwandten besuchen wollten.
Ein Zeichen gegen die lähmende Akzeptanz des Status quo
Doch es gab auch Reaktionen, die aufhorchen ließen, weil sie ein Zeichen waren gegen die lähmende Akzeptanz des Status quo. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte das Attentat in scharfen Worten. Terrorismus bedeute eine der ernsthaftesten Bedrohungen des internationalen Friedens. Es war das erste Mal seit Beginn der jüngsten Terrorwelle im Herbst vergangenen Jahres, dass die höchste völkerrechtliche Instanz sich klar positionierte. Mehr als dreißig Israelis waren seit Oktober 2015 ermordet worden.
Einen Tag nach dem jüngsten Attentat wurde der Bürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, im Armeeradio interviewt. In dem Gespräch stellte er einen Zusammenhang her zwischen der israelischen Besatzung und der palästinensischen Gewalt. Man könne ein Volk nicht ewig lange beherrschen und annehmen, dass es sich einfach damit abfinde, sagte er.
Ähnlich äußerte sich am selben Tag der Vater eines der Opfer, Ido Ben Ari, auf dessen Beerdigung: „Unsere Politiker sollen strategische Lösungen für den israelisch-palästinensischen Konflikt finden, die weit reichende Visionen und Konzessionen umfassen.“ Durch drastische Gegenmaßnahmen werde noch mehr Leid, Hass und Verzweiflung geschaffen.
Wahrscheinlich verhallen diese Worte. Weil Terror nicht zu rechtfertigen sei, auch nicht durch Besatzung, dürften solche Zusammenhänge nicht hergestellt werden, lautet der Einwand. Er illustriert, dass der, der Recht hat, nicht immer auch zur Vernunft kommt.