Paritätsgesetz in Brandenburg in Kraft: Ein Tag zum Jubeln - wenn auch verhalten
Denn das Gesetz liegt bereits vor dem Verfassungsgericht. Es wird die gleichberechtigte Teilhabe hoffentlich sichern. Ein Kommentar.
Brandenburg hatte im Januar 2019 das bundesweit erste Paritätsgesetz auf den Weg gebracht – nun ist es in Kraft. Es verpflichtet alle Parteien zur Aufstellung paritätischer Kandidatenlisten, also abwechselnd Frau-Mann oder umgekehrt. Hurra!
Hurra? Der Jubelruf ist noch verhalten. Denn erst einmal verhandelt das Verfassungsgericht Brandenburg am 20. August den Fall, weil Piratenpartei, NPD und AfD ein Organstreitverfahren angestrengt haben; das Gesetz schränke die Freiheit der Parteien bei der Kandidatenaufstellung ein.
Außerdem hat eine Privatperson Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Mehr noch, selbst wenn es kommt, wirkt sich das Gesetz erst bei der Landtagswahl 2024 aus. Und eine eine Regelung für Direktkandidaten ist damit nicht verbunden, es geht nur um Landeslisten.
Tatsächliche Chancengleicheit gibt es bis heute nicht
Zur Sachlage: Frauen haben das verfassungsmäßige Recht, in gleichem Maß wie Männer nominiert werden zu können; und sie müssen tatsächliche Chancengleichheit haben. Hier fehlt es.
Die Statistik belegt, dass Frauen viel seltener von den Parteien nominiert werden als Männer. Dabei unterliegen weder Parteienfreiheit noch Wahlrechtsgrundsätze einem absoluten Eingriffs- oder Differenzierungsverbot, erklärt eine Rechtsprofessorin.
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Auf den Verfassungsgerichten – in Thüringen wird sogar schon diesen Juli verhandelt – lastet darum eine große gesamtstaatliche Verantwortung. Auffällig, wie gering die Zahl der Parlamentarierinnen insgesamt ist: Nur 30,9 Prozent der Abgeordneten im Bundestag sind Frauen, so wenige wie seit 20 Jahren nicht. Dabei stellen sie 51,5 Prozent der Wahlberechtigten.
Ähnlich oder bestenfalls unwesentlich besser ist es in den 16 Landtagen. Immerhin werden aktuell in weiteren Ländern Paritätsregelungen erwogen, in Berlin, Bremen und Hamburg.
Dieser Zustand ist undemokratisch
Der undemokratische Zustand ist ja offensichtlich. Seit hundert Jahren gilt das Frauenwahlrecht, aber ihre gleichberechtigte demokratische Teilhabe ist immer noch nicht gesichert.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in einem anderen Fall lässt hoffen. Danach ist die gleichberechtigte Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess politischer Willensbildung „unverzichtbar für ein demokratisches System“. Dieser Grundsatz muss Wirklichkeit werden. Erst dann lässt sich befreiter jubeln.