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SPD-Chef Sigmar Gabriel handelt anders als er redet.
© Wolfgang Kumm/dpa

Die SPD und Rot-Rot-Grün: Ein Sponti namens Sigmar

Eigentlich hatte der SPD-Chef vor einer zu frühen Festlegung auf eine Koalition gewarnt, doch dann taucht Gabriel beim Genossen-Treffen mit Linken und Grünen auf – das verwirrt viele.

Die Mitglieder des SPD-Vorstands glaubten, die Botschaft ihres Parteichefs verstanden zu haben. Die SPD dürfe Rot-Rot-Grün nicht zum politischen Projekt stilisieren, warnte Sigmar Gabriel am Montag vor der SPD-Führungsriege – und das aus aktuellem Anlass. Gabriel wollte verhindern, dass das bevorstehende Sondierungstreffen der rund 100 Abgeordneten von SPD, Linkspartei und Grünen im Bundestag („Trialog“) als Festlegung der SPD auf ein Linksbündnis nach der Bundestagswahl 2017 interpretiert werden würde. Der Vorsitzende verwies darauf, dass ein Schulterschluss mit der Linkspartei den Interessen des mächtigen SPD-Landesverbandes Nordrhein- Westfalen entgegenlaufe, der bei den Landtagswahlen Anfang 2017 die Linkspartei möglichst kleinhalten will.

Der Aufruf zum besonnenen Umgang mit der linken Konkurrenz kam gut an in dem sozialdemokratischen Beratungsgremium – die meisten Mitglieder schlossen sich Gabriels Einschätzung an. Umso überraschter waren SPD-Führungspolitiker, als sie am Dienstagabend im Fernsehen keinen geringeren als den Parteichef selbst beim „Trialog“ mit Linkspartei und Grünen auftauchen sahen. Zwar ergriff Gabriel in der Runde nicht das Wort und verließ sie nach einem Vortrag des Soziologen Oskar Negt wieder.

Nachher noch im Restaurant „Paris – Moskau“

Doch seine Spontanvisite sorgte für große Medienresonanz und verlieh dem Treffen einen hochoffiziellen Anstrich. Mehr Aufmerksamkeit hätte Gabriel dem Projekt Rot-Rot-Grün kaum verschaffen können. Dass er hinterher noch in kleiner Runde mit Parlamentariern von Linken und Grünen im Restaurant „Paris – Moskau“ zusammensaß, fiel da schon nicht mehr ins Gewicht.

Überraschungen und Volten ihres Vorsitzenden ist die SPD schon lange gewohnt. Trotzdem zeigten sich Sozialdemokraten bis in die engere Führung hinein am Mittwoch fassungslos darüber, dass Gabriel innerhalb von weniger als 48 Stunden den eigenen Kurs über den Haufen schmiss. Wieder einmal war von der Unberechenbarkeit des Vorsitzenden die Rede, manche sprachen gar von einer „Dummheit“.

Viele fürchten, dass sich die SPD mit einem zu klaren Bekenntnis zu Rot-Rot- Grün angreifbar macht. CDU, CSU und Liberalen liefert „R2G“, wie die Linkskoalition abgekürzt wird, Munition für einen Lagerwahlkampf. Entsprechend scharf fielen die Reaktionen aller drei Parteien auf Gabriels Aktion am Mittwoch aus.

Auch in Gabriels Partei halten viele den Traum von der linken Machtoption ohnehin für nicht realisierbar. Zu dieser Gruppe zählt etwa der langjährige Fraktionsvize Joachim Poß. „Die Linkspartei bietet keine realitätstauglichen politischen Lösungen, in Teilen ist sie nicht einmal demokratiefest“, urteilt der Abgeordnete, der seit 36 Jahren für die SPD im Bundestag sitzt. Zu viele Linken-Politiker seien Populisten, mit denen man keine stabile Koalition bilden könne. Poß kommt deshalb zu dem Schluss: „So sehr ich mir eine Alternative zur großen Koalition wünsche – für eine rot-rot-grüne Koalition im Bund sehe ich auf absehbare Zeit keine Grundlage.“

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