Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: Ein schwerer Tag für die CDU
Die baden-württembergische CDU erklärt sich zu Koalitionsverhandlungen mit den Grünen bereit. Die Juniorrolle behagt ihr aber gar nicht. Ein Bericht vom Tag aus Stuttgart.
Als Guido Wolf, der Chef der CDU-Landtagsfraktion, am Mittwoch um 10.30 Uhr für ein kurzes Statement vor die Presse tritt, ist eigentlich schon alles klar. In einer formalen Abstimmung hätten sich die Abgeordneten soeben einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen ausgesprochen, erklärt Wolf. Und dass die Fraktion das auch dem CDU-Landesvorstand empfehlen werde, der am Mittwochabend gemeinsam mit allen CDU-Kreisvorsitzenden seinen – dann auch bindenden - Beschluss fällen will. Mit dem Votum der Abgeordneten indes scheint die Entscheidung der Parteigremien bereits vorgezeichnet. Schließlich sind viele Abgeordnete zugleich CDU-Kreisvorsitzende - und weiter auf Wolfs Seite. Nur zwei Tage nach dem Absturz der Partei von vormals 39 auf nur noch 27 Prozent hatten sie den 54-Jährigen als ihren Fraktionschef bestätigt. Der hatte als CDU-Spitzenkandidat vor der bitteren Wahlschlappe Grün-Schwarz ausgeschlossen, nun gehört er zur Verhandlungsdelegation.
Nach seinem kurzen Statement muss Wolf schon weiter, zum Staatsbegräbnis von Lothar Späth, dem letzten CDU-Ministerpräsidenten, der Baden-Württemberg mit absoluter Mehrheit regiert hat. So sind an diesem Tag Vergangenheit und Zukunft, alter Glanz und aktuelle Elend nah beieinander.
Bereits am Freitag sollen die Koalitionsverhandlungen beginnen, und, Einvernehmen mit den Grünen vorausgesetzt, am 12. Mai in die Wahl der bundesweit ersten grün-schwarzen Landesregierung durch den Stuttgarter Landtag münden. Dass sich die erfolgsverwöhnte Südwest-CDU mit dieser Vorstellung noch schwertut, beweist nicht nur ein Versprecher von CDU-Landeschef Thomas Strobl, der noch am Vortag nach der zweiten Sondierungsrunde die Chancen einer „schwarz-grünen“ Regierung herausgestrichen hatte - statt einer "grün-schwarzen". Die Rolle des Juniorpartners der Grünen, dem politischen Hauptgegner der vergangenen fünf Oppositionsjahre, der mit 30,3 Prozent nun erstmals vor der CDU liegt, sorgt für Unbehagen in der Fraktion wie auch an der Parteibasis. „Die große Mehrheit meiner Basis ist von dieser Perspektive nicht begeistert“, berichtet etwa Thomas Blenke, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Calw und Innenexperte der Fraktion. „Aber die Mitglieder sehen auch die Gefechtslage. Sie verstehen, dass wir mit den Grünen verhandeln müssen.“ Denn nach dem Ausschluss einer rechnerisch möglichen schwarz-rot-gelben Koalition durch SPD wie FDP bliebe nur noch die Alternative Neuwahl, die nach allgemeiner Ansicht aber nur die AfD weiter stärken würde. Eine grün-schwarze Koalition „um jeden Preis“ aber, mahnt Blenke, dürfe es deshalb auch nicht geben.
Geteilte Stimmung bei den Mitgliedern
Die Stimmung bei den Mitgliedern sei geteilt, sagt auch Wolfgang Reinhart, Chef der CDU Main-Tauber-Kreis und Mitglied im Fraktionsvorstand. „Wir müssen die Basis unbedingt mitnehmen, zumal noch die Aufarbeitung des Wahlergebnisses aussteht.“
Blenke wie Reinhart sind nicht gerade glühende Anhänger einer grün-schwarzen Koalition. Aber beide können sich immerhin Hoffnungen machen, ins Kabinett berufen zu werden. Viele Mitglieder dagegen hadern noch mit dem Wahldesaster. Juniorpartner der Grünen – das fühlt sich wie eine neuerliche Niederlage an.
In der Landtagsfraktion schauen sie schon in die Zukunft. Schnell haken die Abgeordneten am Mittwochvormittag die formale Frage der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ab und gehen gleich die Inhalte an. Die Handschrift der CDU, sie soll auf jeden Fall zu sehen sein, speziell in der Bildungs- und der Innenpolitik. Die Frage, was aus den von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen wird, dürfte einer der Knackpunkt der Gespräche mit den Grünen werden. Am Ende aber auch die Frage, welche Partei welches Ressort erhält und speziell für die CDU, wer ihre Kabinettsmitglieder überhaupt bestimmt. Denn ihre Personalfragen haben die Christdemokraten bislang nicht geklärt. Für den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann scheint indes bereits klar zu sein, wer künftig sein Hauptansprechpartner bei der CDU sein wird: Nach den beiden Sondierungsgesprächen unterhielt er sich auffällig lange und angeregt mit Thomas Strobl. Der CDU-Bundesvize und Heilbronner Bundestagsabgeordnete, der Wolf im Mitgliederentscheid um die CDU-Spitzenkandidatur unterlegen war, wird in den nächsten Wochen entscheiden müssen, ob er als Vize-Regierungschef nach Stuttgart wechseln will - und seine Partei, ob sie das mittragen würde.