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Das Recht auf Homeoffice sollte eigentlich dem Wandel Vorschub leisten.
© Sebastian Gollnow/dpa

Hubertus Heil legt Gesetzentwurf vor: Ein Recht auf zwei Tage Homeoffice im Monat ist lächerlich

Von Kulturwandel war die Rede - auch beim Arbeitsminister. Nun springt er viel zu kurz. Damit ändert sich die Arbeitskultur nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Marie Rövekamp

Von einem Kulturwandel war die Rede gewesen, von einem Durchbruch, einer enormen Errungenschaft. Von einer der dauerhaften Veränderungen, welche die Corona-Pandemie in unserer Arbeitskultur hinterlassen würde. Bis zum Frühjahr brauchten viele Unternehmen unbedingt die Präsenz ihrer Angestellten im Büro, um sicher zu sein, dass jeder fleißig das tut, was er soll. Dann kam Corona. Plötzlich mussten die Beschäftigten wegen der Pandemie erzwungenermaßen zu Hause arbeiten. Und das ging erstaunlich gut.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach schnell von einem Recht auf Homeoffice. Als würde das nicht schon seit Jahren diskutiert werden - auch innerhalb der SPD und der Koalition. Nun liegt der Gesetzentwurf vor: Aus dem großen Wandel ist ein Minimum von 24 Tagen im Jahr übrig geblieben. Heißt: zwei Tage im Monat. Ernsthaft?

„Ich will niemanden ins Homeoffice zwingen. Aber ich möchte es denen ermöglichen, die es nutzen wollen – sei es für einen Nachmittag, tageweise oder auch für eine längere Zeit“, sagte Heil dem Tagesspiegel Ende Juni. Mit seinem Gesetzentwurf liegt er jetzt weit unter dem, wovon er und die Gesellschaft ohnehin in den letzten Monaten sprach. Arbeitnehmer sollten das Recht auf ein bis zwei Tage Homeoffice in der Woche haben. Oder mehr.

Die Beschäftigten wollen einen Rechtsanspruch

Millionen Angestellte haben es in diesem Jahr zu schätzen gelernt, nicht mehr jeden Tag pendeln zu müssen. Viele seien daheim produktiver, zufriedener. Laut einer aktuellen Studie, die das Ministerium von Hubertus Heil in Auftrag gegeben hat, wollen die meisten einige Tage zu Hause und einige Tage im Büro tätig sein. 84 Prozent gaben an, für sie sei es wichtig, einen Arbeitgeber zu haben, der dies ermögliche. 63 Prozent sind für einen Rechtsanspruch auf Homeoffice, sofern keine wirklich wichtigen Gründe dagegen sprechen.

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Natürlich hat das Homeoffice nicht nur positive Seiten. So fällt die Trennung zwischen Job und Freizeit im Schnitt schwerer als im Büro. Hinzu kommt, dass nur ein gewisser Teil aller Beschäftigten überhaupt von daheim arbeiten kann. Wobei es möglicher ist als zunächst gedacht: Hubertus Heil sagt selbst, dass auch eine Arzthelferin teilweise von zu Hause aus Abrechnungen machen könnte. Die Industrie digitalisiert sich enorm. Manche Maschinen können schon längst aus der Ferne gesteuert und repariert werden.

Corona als Chance? Es sieht nicht danach aus

Aus der Wirtschaft kommt dennoch Kritik. Wo es möglich ist, böten die Arbeitgeber schon heute an, von zu Hause zu arbeiten. Wo ist dann das Problem? Sieben Monate lang haben viele Beschäftigten ihren Job von zu Hause aus erledigt. Wie will eine Chefin oder ein Chef jetzt ernsthaft behaupten, das sei in normalen Zeiten nicht mehr machbar? Heils Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass eine Arbeitgeberin oder ein Arbeitgeber den Wunsch nach Homeoffice durchaus ablehnen darf – wenn es denn dafür nachvollziehbare organisatorische oder betriebliche Gründe gibt.

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Zwischen all den negativen Nachrichten stand seit dem Ausbruch der Pandemie immer mal wieder die Frage im Raum: Wofür kann Corona eine Chance sein? Was wollen die Menschen aus dieser Zeit beibehalten? In welcher Nach-Corona-Zeit wollen sie leben? Ein Gewinn schien zu sein, dass die Arbeitswelt flexibler und moderner wird. Mehr Vertrauen statt Kontrolle. Mehr Empathie für das Privatleben der Beschäftigten. Mehr Freiräume, um das Leben einfacher zu gestalten. Ist nun schon abzusehen, dass sich viel weniger ändern wird als von vielen erhofft?

Zwei Tage im Monat sind als Signal zu wenig, um wirklich eine andere Arbeitskultur zu schaffen. Sie werden  keine große Stellschraube sein, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Unternehmen werden sich nicht groß mit der Frage beschäftigen müssen, ob ihre Angestellten zu Hause vernünftig ausgestattet sind und wer die Mehrkosten für das Homeoffice letztlich trägt.

Hin und wieder mal von zu Hause aus arbeiten? Da wird der Laptop auf dem Esstisch doch wohl keine große Sache sein! Wer nach der Pandemie tatsächlich zurück zur alten Bürordnung will, kann das mit dem Vorschlag des Arbeitsministers getrost tun.

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