Donald Trump und Russland: Ein Putinversteher im Weißen Haus
US-Präsident Donald Trump verteidigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen Kritik und setzt Russland und die USA gleich. Welchen Kurs verfolgt er gegenüber Moskau und Kiew? Eine Analyse.
Donald Trump hat schon im Wahlkampf keine Zweifel daran gelassen, dass er den russischen Präsidenten Wladimir Putin für seine Stärke bewundert. Während der neue US-Präsident selbst langjährige Verbündete wie Australien durch seine Äußerungen vor den Kopf stößt, war von Trump bisher kein Wort der Kritik an Putins Russland zu hören. In einem am Sonntag vom US-Sender Fox News ausgestrahlten Interview bestätigte Trump, dass er Putin respektiere. Auf den Einwand des Interviewers, Putin sei doch ein „Mörder“, antwortete der US-Präsident: „Es gibt viele Mörder. Wir haben viele Mörder. Was denken Sie? (Ist) unser Land so unschuldig?“
Damit setzte er das Vorgehen des russischen Präsidenten mit dem der USA gleich, um Kritik an Putin abzuwehren – eine Methode, die sonst eher im russischen Staatsfernsehen eingesetzt wird. Der Sender RT (früher Russia Today) berichtete umgehend über Trumps Vergleich. Dagegen zeigten sich Oppositionelle wie der im New Yorker Exil lebende Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow entsetzt: Das sei die Sorte „falscher moralischer Gleichsetzung“, die die sowjetische Propaganda ebenso benutzt habe wie Diktatoren heute, schrieb Kasparow auf Twitter.
Trumps jüngste Aussagen geben Befürchtungen neue Nahrung, er setze trotz der russischen militärischen Intervention in der Ukraine auf eine Annäherung zwischen den USA und Russland. Äußerungen der amerikanischen UN-Botschafterin Nikki Haley waren zuvor von manchen politischen Beobachtern als Festhalten der neuen US-Administration an der bisherigen Russlandpolitik gewertet worden. Haley hatte am Donnerstag im UN-Sicherheitsrat das „aggressive“ Vorgehen Russlands in der Ostukraine scharf verurteilt. Auch Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis hatten sich in Anhörungen vor dem US-Kongress keineswegs für einen Kurswechsel gegenüber Russland ausgesprochen.
Dagegen lobte der Kreml das erste Telefonat zwischen Trump und Putin demonstrativ. Beide hätten eine „partnerschaftliche Zusammenarbeit“ in vielen Bereichen vereinbart, darunter im Kampf gegen den Terrorismus, im Nahen Osten, beim iranischen Atomprogramm und im Ukrainekonflikt. Während der Kreml ein langes Statement zu dem Gespräch veröffentlichte, war im Weißen Haus nur wenig über die Inhalte zu erfahren. Dennoch wurde deutlich, dass Trump einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland anstrebt: „Das positive Telefonat war ein bedeutsamer Auftakt zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Russland, die einer Reparatur bedürfen.“
"Tandem Putin und Trump"
Ob eine mögliche Lockerung der wegen Moskaus Intervention in der Ukraine verhängten US-Sanktionen Gegenstand des Gesprächs war, ist nicht bekannt. Dazu äußerten sich beide Seiten nicht. Die russische Zeitung „Kommersant“ titelte dennoch nach dem Telefonat der Präsidenten: „Für die Sanktionen hat das letzte Stündlein geschlagen. Das Tandem Wladimir Putin und Donald Trump wird zum neuen Faktor der Weltpolitik.“ So positiv wie über Trump haben staatsnahe russische Medien noch nie über einen amerikanischen Präsidenten berichtet.
Angesichts dieser neuen Nähe wird in mehreren europäischen Hauptstädten mit Spannung beobachtet, wie sich Trump im Ukraine-Konflikt verhält. Seit 2014 kämpfen in der Ostukraine Separatisten, die von Russland direkt mit schweren Waffen, Kämpfern und Geld unterstützt werden, gegen die ukrainische Armee. Am Samstag sprach Trump erstmals mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Trump habe ein „sehr gutes Telefonat“ mit Poroschenko geführt, auch über den „Langzeitkonflikt der Ukraine mit Russland“, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. „Wir werden mit der Ukraine, Russland und allen anderen beteiligten Parteien zusammenarbeiten, um ihnen zu helfen, den Frieden entlang der Grenze wiederherzustellen“, sagte Trump demnach.
Trump äußert sich nicht zu Kämpfen in der Ukraine
Die schweren Kämpfe, die vor einer Woche im Donbass begonnen hatten, werden in der Stellungnahme des US-Präsidenten nicht erwähnt. In der Region zwischen den Städten Donezk und Awdijiwka hatte es zuvor die schwersten Kampfhandlungen seit zwei Jahren gegeben. Tausende Einwohner von Awdijiwka waren ohne Strom, Wasser und Heizung, nachdem die von ukrainischen Truppen kontrollierte Stadt mit schwerer Artillerie beschossen worden war. Mittlerweile haben die Kämpfe nach Angaben internationaler Beobachter nachgelassen.
Der ukrainische Präsident Poroschenko ließ nach dem Gespräch mit Trump erklären, beide Staatschefs hätten ihre Sorge über den sprunghaften Anstieg der Spannungen und die humanitäre Lage besonders in Awdijiwka zum Ausdruck gebracht und sich für einen sofortigen Waffenstillstand ausgesprochen. Eine solche Forderung fehlt allerdings in der Stellungnahme des Weißen Hauses.
Unklar ist auch, warum Trump den Frieden „entlang der Grenze“ wiederherstellen will – die Grenze zwischen der Ukraine und Russland ist derzeit keineswegs umkämpft, die eigentliche Front liegt viel weiter westlich. Die so genannte Kontaktlinie, die ukrainische Truppen von Separatisten und Russen trennt, könnte nur dann als Grenze bezeichnet werden, wenn die selbsterklärten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk international als unabhängige Staaten anerkannt würden. Die Gebiete gehören jedoch völkerrechtlich zur Ukraine. Anders als die amerikanische UN-Botschafterin verzichtet Trump weiterhin darauf, Russland für die Intervention in der Ukraine zu kritisieren.