Diskussion um Homöopathie: Ein Professor, Kügelchen und die SPD
Viele Sozialdemokraten ärgern sich über ihren gesundheitspolitischen Sprecher. Karl Lauterbachs Aussagen zur Homöopathie stoßen in der Partei auf Missfallen.
Berlin - Es war, so sagen sie in der SPD-Fraktion, mal wieder „ein typischer Lauterbach“ – und das klingt, bei allem Ärger, auch ein wenig resignativ. Sie kennen ihn halt, ihren gesundheitspolitischen Sprecher und seine Alleingänge. Trotzdem glaubte Fraktionsvize Elke Ferner, diesmal deutlich für Klarstellung sorgen zu müssen. Sie tat es per Rundbrief an ihre Fraktionskollegen, der einem schweren Rüffel für den politischen Quereinsteiger gleichkommt. Die SPD wolle den Kassen keineswegs, wie von Karl Lauterbach gefordert, die Kostenerstattung für Homöopathie verbieten, schrieb Ferner. Man bekenne sich „ausdrücklich zu einem umfassenden Leistungskatalog“ in der gesetzlichen Krankenversicherung. Und: „Wir werden keine Diskussion beginnen, die bei den Menschen die Angst auslöst, ihre umfassende medizinische Versorgung könnte gefährdet sein.“
Allerdings ist die gefürchtete Diskussion durch Lauterbachs unabgesprochenen Vorstoß längst im Gange. Die Abgeordneten erhalten E-Mails und empörte Anrufe von Homöopathieanhängern, Müttern, Medizinern. „Wir haben jetzt eine ganz schräge Debatte im Land“, klagt Carola Reimann (SPD), die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses. „Statt sich mit den wirklichen Problemen zu beschäftigen, diskutieren alle über Globuli.“ Und statt sich über die Zumutungen durch Schwarz-Gelb zu erregen, ärgern sich die Bürger nun über eine SPD, die ihnen offenbar auch etwas wegnehmen will.
Mit seiner These, dass Homöopathie wirkungslos sei und deshalb keine Kassenleistung sein dürfe, habe Lauterbach „eine Einzelmeinung publik gemacht“, sagt Reimann. Das sei möglich, müsse dann aber auch für alle ersichtlich sein. Und als Sprecher müsse er sich natürlich mit der Fraktionsspitze abstimmen. Doch „wie so häufig“ sei der Mann mit der Fliege allein vorgeprescht, schimpft Marlies Volkmer (SPD). Es wäre gut, wenn solche Vorstöße „vorher wenigstens mal in der Arbeitsgruppe andiskutiert würden“. Dabei bemüht sich Lauterbach, der seine Wissenschaftlerkarriere 2005 gegen ein Bundestagsmandat tauschte und bei den Genossen gleich den Ruf der rücksichtslosen „Ich-AG“ weghatte, neuerdings spürbar um bessere Einbindung. Beim Thema Homöopathie aber ging bei dem Parteipolitiker wieder einmal der Professor durch.
In der Koalition freuen sie sich über den Zoff. Lauterbach versuche ja, „alles, was Ulla Schmidt eingeführt hat, zurückzudrehen“, sagt Jens Spahn (CDU). Und er listet auf: Gesundheitsfonds, Apothekenfinanzierung, Wahltarife, Ärztehonorare. „Diese politische Demenz macht seine Fraktion Gott sei Dank nicht immer mit.“ Da ist dann vergessen, dass auch Spahn von Lauterbachs Vorstoß angetan war – und ebenfalls von Parteifreunden zurückgeholt werden musste. Rainer Woratschka
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