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Frauen mit Kopftüchern in Berlin-Kreuzberg.
© Kay Nietfeld/dpa

Harald Martenstein über Islam und Aufklärung: Ein Plädoyer für das Kopftuch-Verbot im öffentlichen Dienst

Das Kopftuch im öffentlichen Dienst steht nicht für „den“ Islam, sondern für einen konservativen Islam. Ein Kommentar zur SPD-Abstimmung in Berlin.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

In der Berliner SPD findet zur Zeit eine Mitgliederabstimmung statt. Unter anderem geht es um das Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Polizistinnen – im Dienst, versteht sich. Ob ein Mensch in seiner Freizeit religiöse Symbole trägt oder nicht, ist Privatsache. Auch private Arbeitgeber sind ein anderes Thema, in der Regel müssen sie das Kopftuch zulassen.

Soll eine Lehrerin Kopftuch tragen dürfen? Ich habe mal nachgeschaut, wie die Sache mit dem Kopftuch in den islamischen Staaten geregelt ist. Dabei stößt man auf eine Tatsache, die mich nachdenklich macht. In der Türkei war das Kopftuch in Schulen und Universitäten lange verboten.

Gemäß den Ideen des Staatsgründers Atatürk hat sich die Türkei als ein Land verstanden, in dem Staat und Religion getrennt sind. Studentinnen durften kein Kopftuch tragen, auch für Lehrerinnen war es bis vor wenigen Jahren verboten. Das hat sich erst unter dem ultrakonservativen Staatschef Erdogan geändert. Wurden die türkischen Muslime unter Atatürk und seinen Nachfolgern unterdrückt? Nur ein paar Extremisten dürften dieser Ansicht zuneigen.

Unsere Vorfahren haben nicht die kirchliche Gängelung abgeschafft, damit wir uns nun eine islamische Aufzwingen lassen.

schreibt NutzerIn wilhelm

In Ägypten war es 50 Jahre lang den Fernsehmoderatorinnen verboten, Kopftuch zu tragen. Als dort die Muslimbrüder an die Macht kamen, wurden sie zum Kopftuch verdonnert. Das Kopftuch im öffentlichen Dienst steht also nicht für „den“ Islam, sondern für einen konservativen Islam. Es steht für die Idee, dass die Macht des Glaubens Vorrang haben darf vor den Ansprüchen des Staates und den Rechten des Individuums.

Erdogan und die Saudis sind keine Vorbilder

Sollten wir uns in Deutschland wirklich an den Ideen von Erdogan oder an den Saudis orientieren, und nicht an den moderneren Strömungen im Islam? In der Türkei war es fast 100 Jahre lang möglich, als Lehrerin Muslimin zu sein und mit dem Kopftuchverbot zu leben, aber uns in Deutschland ist diese türkische Tradition zu locker? Was ist das für ein Signal an die Muslime, die sich hier integrieren sollen?

Harald Martenstein, Kolumnist des Tagesspiegels.
Harald Martenstein, Kolumnist des Tagesspiegels.
© picture alliance / dpa

Das Verbot in der Türkei wurde übrigens gern umgangen. Es gab einen Trick. Strenggläubige Lehrerinnen setzten eine Perücke auf. Ich finde, da könnte man auch in Berlin ein Auge zudrücken.

Für die einen wird das Anlegen des Hijabs als vom Ehemann diktiert verstanden, für die anderen das Ablegen als vom Staat auferzwungen.

schreibt NutzerIn kontroverse

Die Macht des Glaubens muss begrenzt werden, durch Gesetze und die Gebote der Menschlichkeit. Das ist eine der wichtigsten Ideen der europäischen Aufklärung. Wenn es an deutschen Schulen in der Fastenzeit keine Süßigkeiten mehr geben dürfte, wäre das auch Irrsinn.

2002 brannte in Mekka eine Schule. 15 Schülerinnen versuchten, sich zu retten. Die Religionspolizei prügelte sie in die Schule zurück, weil die Feuerwehrmänner ihre Haare hätten sehen können. Die Mädchen verbrannten. Nach acht Jahren Diskussion erlaubte Saudi-Arabien, dass die Feuerwehr auch unkorrekt gekleidete Frauen retten darf.

Lesen Sie hier einen Gastbeitrag einer Berliner Muslima, die wegen ihres Kopftuches nicht als Terrorbraut angefeindet werden will und fordert: "IS, gib mir meinen Style zurück!"

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