Bundeswehr im türkischen Incirlik: Ein Parlament besucht seine Armee
Lange hat Türkei einen Besuch deutscher Parlamentarier bei der Bundeswehr in Incirlik blockiert. Nun sind sieben Abgeordnete auf dem Weg - ganz einig sind sie sich über das Ziel der Mission nicht.
Selten hat eine Reise von Bundestagsabgeordneten für so viel Aufmerksamkeit gesorgt. Sieben Parlamentarier checken am Dienstagvormittag am Flughafen München für den Lufthansa-Flug LH1784 nach Ankara ein. Karl Lamers, Henning Otte, Ingo Gädechens, Rainer Arnold, Karl-Heinz Brunner, Alexander Neu, Agnieszka Brugger. Keiner von ihnen hat eine führende Position in Partei oder Fraktion. Ihre Mission ist trotzdem wichtig. Sie soll den Schlusspunkt unter ein viermonatiges diplomatisches Drama setzen, in dem es um Grundsätze des deutschen Parlamentarismus, die Bewertung historischer Ereignisse und die deutsch-türkischen Beziehungen der Gegenwart geht.
Rückblick: Am 2. Juni verurteilt der Bundestag in einer Resolution die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor rund 100 Jahren als Völkermord. Die Regierung in Ankara wertet das als Affront. Drei Wochen später wird ein Besuch eines Parlamentarischen Staatssekretärs und mehrerer Abgeordneter auf der Luftwaffenbasis im türkischen Incirlik untersagt. Dort sind rund deutsche 250 Soldaten stationiert, die sich mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen an den Bombardements von Stellungen der Terrororganisation Islamischer Staat in Syrien und im Irak beteiligen. Es gibt keine offizielle Begründung, aber sofort ist klar: Es handelt sich um eine „Revanche“ für die Armenier-Resolution. Für den Bundestag ist das inakzeptabel.
Von der Leyen und Merkel scheiterten mit Verhandlungen
Das Parlament entscheidet in Deutschland über jeden bewaffneten Militäreinsatz im Ausland. Die Abgeordneten wollen deswegen auch die Möglichkeit haben, sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Es folgen mehrere vergebliche Versuche, die diplomatische Krise zu lösen. Erst kommt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit leeren Händen von einer Türkei-Reise zurück, dann scheitert ein Krisengespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Recep Tayyip Erdogan am Rande des Nato-Gipfels in Warschau.
Erst als Regierungssprecher Steffen Seibert die Bundestagsresolution für „rechtlich nicht bindend“ erklärt, entspannt sich die Lage. Die türkische Regierung wartet noch ein paar Tage ab und erteilt dann die Besuchserlaubnis für eine Delegation des Bundestags- Verteidigungsausschusses. Das wichtigste an dem Besuch ist, dass er überhaupt stattfindet. Delegationsleiter Karl Lamers von der CDU hofft, dass damit ein Stück Normalität in die deutsch-türkischen Beziehungen zurückkehrt. „Es ist für mich und für uns alle eigentlich selbstverständlich, unsere Soldaten im Einsatz besuchen zu können. Wenn das jetzt auch bei unserem Nato-Partner Türkei wieder möglich ist, dann ist das Wiederherstellung eines Stücks Normalität.“
In Ankara will die Delegation zunächst türkische Parlamentarier und Regierungsvertreter treffen
Die Bundeswehr gilt als Parlamentsarmee - auch weil der Bundestag bei jedem bewaffneten Einsatz im Ausland das letzte Wort hat. Im Dezember werden die Abgeordneten über eine Verlängerung des Türkei-Einsatzes abstimmen. Vor allem für diese Entscheidung ist es wichtig, dass sie sich ein eigenes Bild von der Lage machen. In Ankara will die Delegation zunächst türkische Parlamentarier und Regierungsvertreter treffen.
Am Mittwoch geht es mit einer Militärmaschine der Bundeswehr weiter nach Incirlik. Fünf Stunden sind für den Besuch dort angesetzt. Auf dem Programm stehen Gespräche mit deutschen Soldaten und den Kommandeuren der türkischen und US-Streitkräfte. Danach geht es weiter an die Mittelmeerküste nach Izmir zum Nato-Kommando für die Landstreitkräfte. Ganz einig sind sich die Abgeordneten über die Ziele des Besuchs nicht. Die Linke hat lange überlegt, ob sie überhaupt teilnehmen soll. Jetzt ist Alexander Neu mit dabei - vor allem um gegen das Verhalten der Bundesregierung gegenüber der Türkei zu protestieren.
„Ich werde der türkischen Regierung meine Bewunderung ausdrücken, dass Sie es geschafft hat, die Bundesregierung am Nasenring durch die Arena der internationalen Politik zu ziehen“, sagt er mit ironischem Unterton. Auch die Grünen kritisieren das Agieren der Bundesregierung in der Affäre als „relativ unrühmlich und blamabel“. Agnieszka Brugger setzt trotzdem auf konstruktive Gespräche in der Türkei: „Ich glaube nicht, dass es hilft, mit so viel Schaum vor dem Mund eine solche Reise anzutreten.“ (dpa)