Thomas de Maizière und die Schatten der Vergangenheit: Ein Minister kämpft um seinen Ruf
Thomas De Maizière soll wegen der Flüchtlingsströme Deutschlands Bild als Einwanderungsland neu justieren. Zunächst aber muss sich der Innenminister vor Ausschüssen zu NSA und G36 rechtfertigen.
Mit Untersuchungsausschüssen hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière keine guten Erfahrungen gemacht. Der letzte dieser Art, de Maizière war Bundesverteidigungsminister und es ging um das wenig ruhmreiche Beschaffungsprojekt eines Euro-Hawk, machte aus dem ordentlichen und zuverlässigen CDU-Spitzenpolitiker de Maizière einen Minister, der seinen Laden nicht im Griff hat und wichtige Entscheidungen im Sande verlaufen lässt. Das ist gerade einmal zwei Jahre her und endete bitter für ihn: Das Image war ramponiert und seinen Lieblings-Ministerposten musste er an Ursula von der Leyen abtreten.
Nun steht der Wahl-Dresdner de Maizière als Innenminister wieder im Zentrum des politischen Geschehens; es wird von ihm nicht weniger erwartet, als dass er angesichts gewaltiger Flüchtlingsströme Deutschlands Bild als Einwanderungsland neu justiert und Ressentiments auf allen Seiten abbaut.
Er muss das Bleiberecht reformieren, die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen im Land selbst und ganz Europa organisieren und wird am Ende daran gemessen werden, ob es dieser Regierung gelingt, rechte ausländerfeindliche Tendenzen im Zaum zu halten. Die Wahrscheinlichkeit, zwischen den unterschiedlichen Interessen von Bundesländern, Kommunen, Regierungen anderer EU-Länder und letztlich auch den Betroffenen zerrieben zu werden und zu straucheln, ist gewaltig. Ein Mammutprojekt mit hohen Risiken also. Wie erfolgreich de Maizière die Aufgabe erledigt, wird letztlich über seine politische Zukunft und sein Gewicht in der eigenen Partei entscheiden.
Die Affäre um das Sturmgewehr G36 und der NSA-Abhörskandal hängen an ihm
Zunächst allerdings muss der Innenminister erst einmal die schwarzen Schatten seiner Vergangenheit verscheuchen. An diesem Mittwoch wird er nicht weniger als zwei Stunden lang dem Verteidigungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort über seinen Anteil am Desaster um das offenbar nicht zuverlässig funktionierende Bundeswehr-Gewehr G36 stehen. Ausgerechnet seine Amtsnachfolgerin von der Leyen hat die seit Jahren laufenden Beschwerden über das Gewehr kanalisiert, Kommissionen mit der Aufklärung betraut und das Gewehr selbst kurzerhand zum Auslaufmodell erklärt.
De Maizière hat diese Konsequenz in seiner Amtszeit nicht an den Tag gelegt, er hielt und hält das Gewehr nach wie vor für tauglich und steht nun plötzlich im Spiegel der öffentlichen Wahrnehmung ähnlich wie in der Euro-Hawk-Affäre als Minister da, in dessen Haus weder klare Strukturen noch Führung herrschen. Bedrohlich für ihn allerdings wird es noch, wenn es ihm nicht gelingt, mit seiner Aussage die Ausschussmitglieder von der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abzubringen. Dass er der Einladung des Ausschusses überhaupt nachkommt, als Innenminister wäre er dazu nicht verpflichtet gewesen, ist zweifellos der Versuch, eine solche Entwicklung zu verhindern.
De Maizières Ruf würde ein weiterer Untersuchungsausschuss nicht gut bekommen. Ein Mann, der Milliarden im Euro-Hawk versenkte und deutsche Soldaten ohne funktionierende Gewehre nach Afghanistan schickte: Das wäre das Ergebnis eines Untersuchungsausschusses. Einem solchen Spitzenpolitiker kann man nicht das Land anvertrauen. Mithin steht mit der Befragung an diesem Mittwoch sehr viel für de Maizière auf dem Spiel.
Zumal der Kampf um Verantwortung und öffentliche Wahrnehmung seiner politischen Arbeit nicht nur an dieser einen Front gekämpft werden muss. Als ehemaliger Kanzleramtsminister und Aufseher über den Bundesanachrichtendienst steht de Maizière auch noch im Zentrum des NSA-Untersuchungsausschusses, in dem er kommende Woche aussagen muss. Auch hier geht es um Aufmerksamkeit und Durchsetzungsfähigkeit eines Politikers an der Spitze eines Beamten-Apparates. Wusste der Kanzleramtsminister de Maizière über amerikanische Abhöraktionen bei deutschen Unternehmen nichts, ging er einem Verdacht, den er durch Informationen des BND hätte haben können, nicht sorgfältig genug nach? Wieder geht es um viel; mögliche Wirtschaftsspionage steht im Raum. Und wieder fragt sich die Öffentlichkeit, wer ihre Interessen wahrnimmt und ob die verantwortlichen Politiker ihrer Pflicht zur Kontrolle von Verwaltung, hier des Nachrichtendienstes, nachkommen.