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Rechtspopulismus, grenzüberschreitend. Der niederländische Politiker Geert Wilders bei einem Pegida-Aufmarsch im April 2015 Dresden .
© dpa

Geert Wilders in Dresden: Ein Heimspiel für den Islamfeind bei Pegida

Deutlich weniger Menschen als von Pegida erhofft sind gekommen, um in Dresden den Islamkritiker Geert Wilders zu hören. Der findet aber mit seinen Parolen in den anwesenden Anhängern der Bewegung ein dankbares Publikum.

Er beugt sich vor, das platinblonde Haar wippt ein wenig. „Wenn Sie Deutschland lieben, schlagen Sie Alarm“, ruft Geert Wilders, „und warnen Sie Ihre Nachbarn und Ihre Freunde vor der Islamisierung!“ Die Menge klatscht und johlt, ein Mann brüllt „jawoll!“ Der bekannte niederländische Islamfeind kommt bei Pegida gut an, der Beifall der fahnenschwenkenden Demonstranten ist ihm sicher. Doch der ganz große Auftritt ist es nicht. Von diesem Montag hatten sich die Pegida-Leute um den Chefagitator Lutz Bachmann sicher mehr erwartet.

Zwischen 8000 und 10.000 Leute sind zu der Kundgebung in der Dresdener „Flutrinne“ gekommen, einem Wiesenareal nahe der Elbe. Pegida hatte 30.000 Anhänger prophezeit, das wirkt am Abend wie ein Anflug von Größenwahn. Dazu passt, dass Bachmann nach Wilders Rede behauptet, in der Nähe würden sich 1000 Chaoten eine Schlacht mit der Polizei liefern. Die Polizei selbst weiß davon auf Anfrage nichts.  Möglicherweise verliert Bachmann den Kontakt zur Realität. Oder er manipuliert mit Fantasien und Falschmeldungen.

Wilders ist so oder so der passende Gast. In seiner knapp halbstündigen Ansprache heizt er der Menge mit dramatisch klingender Hetze ein, die Substanz ist gering. Den Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern hält er für „eine Katastrophe“, er fordert die Unterbringung syrischer Kriegsflüchtlinge „in ihren eigenen Regionen, nicht hier“ und verlangt dann noch von Muslimen generell: „Verlasst den Islam und wählt für die Freiheit!“ Starker Applaus. „Wir werden nie schweigen“, Wilders’ Frisur wackelt wieder, „weil wir das Volk sind, das sich weigert, versklavt zu werden“. Die Pegidisten antworten mit dem bei ihren Aufläufen inflationären Slogan „Wir sind das Volk!“ Als Wilders über Angela Merkel und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der den Holländer vor rassistischen Ausfällen gewarnt hatte, schimpft, skandiert die Menge „Volksverräter! Volksverräter!“

Die simplen Parolen des dandyhaften Volkstribuns entsprechen dem Gemüt der Masse. Auf die Frage, wie Wilders ihr gefallen habe, sagt eine Frau: „Er hat die Wahrheit gesagt.“ Ihre Bekannte stimmt ein: „Er hat es auf den Punkt gebracht.“ Und was genau? „Na alles, dass das Volk mehr Freiheit braucht.“ Und dass der Islam der Feind der Freiheit sei. Wer Wilders überhaupt ist, welche Rolle er in der niederländischen Politik spielt, dass seine Popularität in der Heimat nachlässt, das alles wissen die beiden Frauen nicht. Ähnlich ahnungslos haben sich weitere Demonstranten vor Wilders Ankunft geäußert.

Sie könne sich zu dem Mann nicht groß äußern, sagt eine Frisörin, betont dann aber, schon 15 Mal zu Veranstaltungen von Pegida gekommen zu sein. Warum macht sie das? „Wegen der Unzufriedenheit, das hat mit der Politik zu tun, über die Jahre hat sich viel aufgestaut bei den Leuten.“ Ein Rentner kennt Wilders auch nicht, weiß aber, „Frau Merkel wird von Amerika aus gesteuert, das ist das Hauptproblem.“ Und ihn stören „die Neger, die in Müllsäcken grabbeln. Da brauch’ man sich nicht wundern, dass die Krankheiten verbreiten.“

Nach der Rede verschwindet Wilders gleich wieder, länger bleiben will er in Dresden nicht. Ihm reicht der Kurztripp am Montag. Das Ziel ist erreicht, er hat den Teilnehmern der Kundgebung eine Infusion Islamophobie verpasst. Dass Pegida nun zu einem neuen Höhenflug ansetzt und ihre Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl in Dresden eine reelle Chance haben könnte, erscheint jedoch zweifelhaft. Zumal diese Kandidatin, Tatjana Festerling, am Montag in der "Flutrinne" kaum mehr zu bieten hat als abfällige Sprüche über ihre Konkurrenten aus CDU, SPD und FDP. Festerling nennt sie „die politische Fürstenelite Dresdens“. Die Frau ist verärgert, weil sie zu einer Pressekonferenz der drei am Montag nicht eingeladen war. Dass sich die Kandidatin gekränkt fühlt,  ist allerdings erstaunlich. Bekanntlich tituliert Pegida die Medien als „Lügenpresse“. Warum legt Festerling dann soviel Wert auf eine Pressekonferenz? Zumal Lutz Bachmann schon vor der Ankunft von Wilders getönt hat, „die Berichterstattung der Medien interessiert uns einen lauen Furz“.  

Aber vielleicht hat einige Leute bei Pegida doch genervt, wie Markus Ulbig, Sachsens Innenminister und Kandidat der CDU bei der OB-Wahl im Juni,  bei der Pressekonferenz über den Besuch von Wilders gesprochen hat. „Das ist kein guter Tag für Dresden“, hat Ulbig gesagt. Mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders hätten die Pegida-Organisatoren einen Menschen eingeladen, der „Hass in sich trägt, der spaltet.“ Mit diesem Schritt sei definitiv „eine Grenze überschritten“.

Damit hat Ulbig eine persönliche Kehrtwende vollzogen. Noch im Januar und Februar hatte sich der Minister mehrfach mit Pegida-Vertretern getroffen und sich davon auch durch heftige Kritik des sächsischen Regierungspartners SPD nicht abbringen lassen. Heute, sagt Ulbig bei der Pressekonferenz mit den zwei anderen aussichtsreichen Dresdner Oberbürgermeisterkandidaten, dem amtierenden Rathauschef Dirk Hilbert (FDP) und Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), würde er sich mit Pegida-Vertretern sicherlich nicht mehr an einen Tisch setzen.

„Hass ist keine Meinung“, ergänzt auch Dirk Hilbert. Der Appell an die Pegida-Anhänger, „genau hinzuschauen, unter wessen Fahne sie sich da versammeln“, sei kein Wahlkampf, sondern eine „Herzensangelegenheit“. Dresden und der Freistaat Sachsen seien dringend auf internationale Spitzenkräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur angewiesen. Offen zur Schau gestellte Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass seien „extrem kontraproduktiv.“ Eva-Maria Stange beklagt, Dresden sei inzwischen zur „Kulisse“ für eine Bewegung geworden, die sich nicht den Fragen, Sorgen und Nöten der Menschen widme, sondern diese missbrauche.

Auch deshalb, so Stange, seien sich alle drei Kandidaten einig, den friedlichen Protest gegen Pegida prinzipiell ausdrücklich zu begrüßen. In den Details offenbaren sich allerdings Unterschiede: Im Gegensatz zu Ulbig und Hilbert schließt Stange in ihre Freude, „dass so viele auf die Straße gehen“, ausdrücklich auch das Bündnis „Dresden Nazifrei“ mit ein. Das linke Bündnis, das sonst gegen die Neonazi-Aufmärsche rund um den Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Februar aktiv ist, hatte eine Gegendemonstration in Sicht- und Hörweite der Pegida-Kundgebung geplant. Die hat allerdings das Dresdner Verwaltungsgericht am Montagmittag untersagt.

Danach hat  „Dresden Nazifrei“ dazu aufgerufen, die Zufahrtswege zur "Flutrinne" zu blockieren. „Das wäre nicht mein Mittel der Wahl“, sagt Stange und weist auch darauf hin, dass eine Blockade gesetzeswidrig wäre. Entscheidend sei aber, dass jegliche Protestform friedlich bleibe. Das unterstreicht auch Markus Ulbig – „diesmal in meiner Rolle als Innenminister.“ Seine letzten Sätze indes kann man sogar als Ermunterung für die Gegendemonstranten verstehen: Wenn Pegida-Anhänger für sich das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit in Anspruch nähmen, dann gelte dieses Recht heute „erst recht auch für die anderen“.

Pegida-Chef Lutz Bachmann hat weiter Ärger mit der Justiz

Unterdessen steht dem vorbestraften Pegida-Vorsitzenden Lutz Bachmann möglicherweise noch in diesem Monat weiterer Ärger mit der Justiz  bevor. Es sei denkbar, dass die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung im April abgeschlossen werden, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, auf Anfrage des Tagesspiegels. Im Januar waren Hassparolen gegen Flüchtlinge bekannt geworden, die mit Bachmanns Namen im September 2014 bei Facebook gepostet wurden. Kriegsflüchtlinge, die Bachmann bei seinen Reden in Schutz nahm, werden in dem Kommentar als „Gelumpe“, „Dreckspack“ und „Viehzeug“ bezeichnet. Bachmann trat dann im Januar als Pegida-Chef zurück und entschuldigte sich „aufrichtig bei allen Bürgern, die sich von meinen Postings angegriffen fühlen“. Er war zudem mit einem Selfie in Hitler-Pose beim  Pegida-Vorstand unter Druck geraten. Wenige Wochen später war Bachmann aber bei der islamfeindlichen Bewegung wieder die Nummer eins.

Oberstaatsanwalt Haase will sich vor dem Ende der Ermittlungen jedoch nicht dazu äußern, ob die Behörde die diffamierenden Sprüche Bachmann zuordnet. Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage erheben, würde Bachmann allerdings eine empfindliche Strafe drohen, womöglich sogar Haft. Als die Postings bekannt wurden, stand er noch wegen eines Drogendelikts unter Bewährung. Außerdem ist Bachmann seit März rechtskräftig wegen Verletzung der Unterhaltspflicht für seinen Sohn zu einer Geldstrafe verurteilt. Bachmann hatte der von ihm getrennt lebenden Mutter des Kindes 1800 Euro vorenthalten.

Der Agitator kennt bereits eine Gefängniszelle von innen. Bachmann wurde 1998 nach 16 Einbrüchen zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Zunächst entzog er sich der Strafe durch eine Flucht nach Südafrika, doch er wurde nach Deutschland abgeschoben. Bachmann saß dann 14 Monate im Gefängnis und kam auf Bewährung frei. 2008 erwischte ihn die Polizei als Drogenkurier mit 54 Gramm Kokain. Dafür erhielt Bachmann zwei Jahre auf Bewährung.

Ermittlungen gegen Pegida-Anhänger wegen mutmaßlicher Todesdrohung

Die Polizei ermittelt zudem wegen einer mutmaßlichen Todesdrohung gegen Anhänger von Pegida. Sie sollen Ostermontag zwei Mitarbeiter der Dresdener Kreuzkirche beschimpft haben. Ein Pegida-Fan ließ sich offenbar zu dem Satz hinreißen, „es könnte sein, dass ich dir die Kehle durchschneide“. Anlass für die Wut war offenbar das Glockengeläut der Kreuzkirche während der Kundgebung von Pegida auf dem nahen Altmarkt. Der Dresdener Superintendent Christian Behr wandte sich nach dem Vorfall an die Polizei und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. 

Bachmann selbst ist am Montag nicht bereit, über die Vorwürfen gegen ihn und seine Anhänger mit dem Tagesspiegel zu reden. Auf dem Gelände der Kundgebung blockt schon am Mittag ein „Sicherheitschef“ mit fleckiger Zimmermannshose einen Kontakt zu Bachmann ab. Der mürrische Security-Mensch fragt zwar per Handy den in der Nähe anwesenden Bachmann, ob er mit dem Reporter sprechen wolle. Doch die Absage ist programmiert, „Herr Bachmann hat keine Zeit, mit Ihnen zu reden“. Weitere Pegida-Ordner beobachten die Szene. Einer der Aufpasser sieht mit seinem langen, schwarzen Ledermantel, den Gürtel fest verschlossen, wie ein Gestapo-Mann aus. Am Abend steht er mit weiteren Ordnern am Eingang zu dem mit Gittern abgesperrten Gelände auf der "Flutrinne". Als der Tagesspiegel durch will, schnellt ein Ärmel des Ledermantels hoch. Erst solle ein Cent in die am Boden stehenden Spendentonnen geworfen werden. Die Weigerung des Journalisten will der Mann zuerst nicht akzeptieren. Doch dann besinnt er sich. Der Lederarm sinkt.   

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