Annäherung zwischen den USA und Kuba: Ein Händedruck, mit dem die Zukunft beginnen kann
Seit Fidel Castro in Rente ist, hat sich Kuba geöffnet. Und der amerikanische Präsident Barack Obama möchte noch ein außenpolitisches Wegzeichen setzen - gute Voraussetzungen für das Ende der Eiszeit zwischen beiden Staaten. Ein Kommentar.
Das Wort Eiszeit mag seltsam klingen, wenn es um die Karibik geht. Aber das politische Klima zwischen den USA und jener widerständigen Insel Kuba im Meer der großen, vermeintlich unbegrenzten Macht, war tiefgefroren. Für mehr als ein halbes Jahrhundert. Und nicht der Ungarn-Aufstand 1956 oder der Bau der Berliner Mauer markierten den Höhepunkt des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Es war die Kuba-Krise im Oktober 1962, die Amerika und die damalige Sowjetunion an den Rand eines atomaren Weltkriegs geführt hatte.
Darum ist der Händedruck zwischen US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro beim Amerika-Gipfel in Panama tatsächlich ein historisches Ereignis. Das Eis schmilzt. Für Obama, der zum Ende seiner für viele enttäuschenden Präsidentschaft mindestens außenpolitisch noch Wegzeichen setzen will, gehört eine neue Politik gegenüber Havanna in eine Reihe der Annäherungs- und Entspannungsversuche. Zuletzt war da der Atom-Deal mit dem Iran, jetzt soll Kuba folgen.
Seit Fidel Castro in Rente ist und sein weniger charismatischer, indes pragmatischer Bruder Raúl in Havanna regiert, hat sich das vom US-Wirtschaftsembargo und dem Niedergang des fernöstlichen Bruders in Moskau gebeutelte Kuba geöffnet: mit ersten privatwirtschaftlichen Reformen und mehr Meinungsfreiheit. Die USA lockern umgekehrt ihre längst fragwürdige Abschnürungspolitik und werden Kuba wohl von der Liste der angeblichen Terror-Unterstützerstaaten streichen. Sicher plant Obama danach auch die Wiederaufnahme der offiziellen diplomatischen Beziehungen – was alles indes nicht selbstlos geschieht.
Denn die USA werben nicht allein wegen des Konflikts mit dem zerrütteten, linkisch linken Erdölland Venezuela um mehr Sympathien bei ihren südlichen Nachbarn. Washingtons Lateinamerika- Politik – von Nicaragua bis Chile und Argentinien – war mit der Unterstützung zahlreicher Rechtsdiktaturen und der oft rücksichtslosen Durchsetzung eigener Wirtschaftsinteressen seit 1945 überwiegend ein Desaster. Auch Kuba steht hierfür als Symbol. Und dies weit über den amerikanischen Kontinent hinaus.
Bevor Fidel Castro vor gut 55 Jahren seine Revolution zum Sieg führte, war Kuba unter dem Diktator Batista vor allem Nordamerikas Puff. Organisiert und korrumpiert von der Mafia. Als Castro ab 1959 dann mit dem alten System aufräumte, begann, wie meistens nach blutigen Revolutionen, keine lupenreine Demokratie. Aber die Reaktionen Washingtons, bis hin zur Schweinebucht-Intervention der CIA (John F. Kennedy: „Unser größter Fehler“), trieben Castro beinahe schon mangels Alternative in die weit geöffneten Arme Moskaus. Der Rest ist Geschichte. Und Legende.
Für den Mythos Kuba stehen die Namen Castro und Che Guevara. Die Freiheitskämpfer haben freilich auch neue Ketten geschmiedet. Es gab unter ihnen Folter und die Verfolgung von Kritikern, Künstlern, Dissidenten. Aber eben auch: Bildung und Gesundheitsfürsorge für alle. Ein Modell für die gesamte Dritte Welt. Und dazu: das morbide Flair Havannas, die Musik, den Buena Vista Social Club, die Zigarren, den Rum und den Charme der Menschen. Jetzt fürchten manche schon, dass statt Hemingway selig vor allem Hamburgerketten und Starbucks aus der eben noch fernen Nähe die Insel erobern. Das ist die Zukunftsmusik.
Peter von Becker