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Björn Höcke, der Thüringer AfD-Landesvorsitzende mit den schrillen Ansichten, dürfte einen Spitzenplatz im Zitate-Ranking des Verfassungsschutzes einnehmen.
© Annegret Hilse/Reuters

AfD unter Extremismusverdacht: Ein Gutachten, das keiner lesen darf, ist nichts wert

Die Rechtspartei will sich mit juristischer Hilfe vom Image lösen, verfassungsfeindlich zu sein. Aber so kann das nicht klappen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Warum soll man das nicht sagen dürfen? Dass es reicht mit den Migranten! Dass es schön ist, wenn Deutsche viele Kinder kriegen, die mit deutscher Kultur aufwachsen! Dass Kopftuchmädchen endlich ihr Kopftuch abnehmen sollen! So beschweren sich die AfD und ihre Freunde und wenigen Freundinnen, dass derart Selbstverständliches unter Extremismusverdacht gestellt wird. Wird es das? Eher nein.

80 Prozent ist falsch, sagt der Staatsrechtler

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) führt die Partei als Prüffall. Aber nicht wegen rechter Sprüche zu Kopftüchern und deutschen Kindern. Sondern wegen verbaler Ausfälle einer Reihe von Protagonisten, angeführt vom Ober-Nationalisten Björn Höcke; die BfV-Zitatesammlung ist leicht zu googeln.

Die AfD hat diesem Gutachten nun ein eigenes entgegengestellt. Die amtliche Zitat-Bewertung sei zu 80 Prozent rechtlich falsch, errechnet der Staatsrechtler Dietrich Murswiek. Murswiek ist durchaus Experte und hat einen scharfen Verstand. Aber wie es so ist mit solchen Gutachten, der scharfe Verstand gehört dem Auftraggeber.

Björn Höcke braucht keinen Datenschutz

Doch selbst wenn es stimmt, bleiben immer noch 20 Prozent, für die sich die AfD schämen muss. Vieles davon dürfte auf das Konto Höckes gehen. Hier beißt sich die AfD-Aufklärungskatze in ihren Rassistenschwanz: Wenn auch nach dem AfD-Gutachten der Hauptverfassungsfeind in der AfD Höcke heißt, müsste er schleunigst aus der Partei geworfen werden. Um diese Konsequenz nicht ziehen zu müssen, wird Transparenz verweigert. Das Gutachten soll geheim bleiben. Es gilt der Datenschutz, heißt es.

Ein Witz. Zum einen hätte der Bundesvorstand ein berechtigtes Interesse, wenn er seine juristischen Einschätzungen zu völkischen Parolen aus seiner Partei publik macht und damit öffentlich kritisiert. Zum anderen müsste insbesondere Björn Höcke mit einer Veröffentlichung der ihn betreffenden Passagen einverstanden sein; schließlich gibt er sich als Freund des Grundgesetzes, dürfte also nichts zu fürchten haben. Allein: AfD-Chef Jörg Meuthen will seinen Höcke nicht fragen, und dieser meldet sich auch auf Nachfrage des Tagesspiegels nicht, ob er einwilligen würde. Murswieks Gutachten muss also im Giftschrank bleiben. Es sollte die Partei entlasten, nun fällt es ihr auf die Füße.

Das Schicksal der Verfassungsfeinde: Sie machen keinen Unterschied

Die Verfassungsschützer tun trotzdem gut daran, vorsichtig zu agieren. Die Verkündung als Prüffall war ein böses Foul und wurde zu Recht gerichtlich untersagt. Zudem lässt sich über Zitate immer streiten. Nur ein Lob der eigenen Nation? Oder schon eine Abwertung der anderen? Höcke und Co. zeichnet aus, dass ihnen solche Differenzierungen schnurz sind. Es gibt nur eine Wahrheit, das ist ihre, und nur eine Partei, das ist die eigene. Das ist das Schicksal des deutschen Verfassungsfeindes: Er macht keinen Unterschied. Anders als die Demokratie.

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