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Manche Eltern müssen monatelang auf das Elterngeld warten.
© dpa/picture alliance

Bilanz nach einem Jahr Betreuungsgeld: Ein Flop, keine Katastrophe

Wie Familie heute aussieht, hat nicht der Staat zu entscheiden – das gilt auch ein Jahr nach der Einführung des Betreuungsgeldes. Von 100 oder 150 Euro hängt nicht ab, ob eine Familie das Betreuungsgeld in Anspruch nimmt. Viel wichtiger sind andere Gründe. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Das Betreuungsgeld hält bildungsferne und migrantische Eltern davon ab, ihre Kleinen in die Kita zu schicken – die Studie wird alle bestätigen, die überzeugt sind, dass das Betreuungsgeld der falsche Anreiz ist und nicht zum Wohle derer, die frühe Förderung am nötigsten haben. Das Betreuungsgeld war in der schwarz-gelben Koalition selig für die CSU das Äquivalent zum aktuellen Mautprojekt – ebenso umstritten, ebenso unbeirrt durchgeboxt. Bei der Debatte 2012 ging es wie heute mehr um die Durchsetzungskraft des CSU-Chefs als um die Sache. Wo es um Eltern-Freiheit gegen Kita-Sozialismus übelster DDR-Manier ging, war kein Argument zu grob, um nicht noch einen groben Keil drauf zu setzen.

Doch wie Familie heute aussieht, hat nicht der Staat zu entscheiden – das gilt auch ein Jahr nach der Einführung des Betreuungsgeldes, daran ändert auch die Studie nichts. Zwang zur Krippe und Hort kann es nicht geben und Wahlfreiheit muss sein. Von 100 oder 150 Euro hängt nicht ab, ob eine Familie das Betreuungsgeld in Anspruch nimmt. Viel wichtiger sind das gesellschaftliche Umfeld, beruflichen Ambitionen und Erziehungsideale. Wenn das Betreuungsgeld unter allen Bundesländern in Bayern am stärksten genutzt wird, zeugt das davon, dass die CSU sich dort doch ziemlich gut auskennt.

Familien, auch bildungsnahe und aufstiegsorientierte, können aber auch andernorts gute Gründe haben, Kinder in den ersten Lebensjahren in der Obhut und häuslichen Geborgenheit der Familie aufzuziehen. Das sind die Eltern, die ihre Kleinkinder auch ohne Betreuungsgeld zu Hause lassen würden. Dass auf der anderen Seite Hunderttausende von Eltern händeringend nach Betreuungsmöglichkeiten suchen, ist zwar ebenso richtig, aber kein Argument gegen das Betreuungsgeld – sondern nur gegen eine Bundesregierung, die ihre Versprechen zum Ausbau der Kitaplätze nicht eingehalten hat.

Kitapflicht für Einjährige hat bisher nur Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky vorgeschlagen. Um Eltern die Entscheidung zu erleichtern, geht Berlin längst einen anderen Weg: Anspruch auf Kitaplätze ab dem ersten Jahr, kostenfreie Betreuung ab drei Jahren und verbindliche Sprachtests mit Kitapflicht stellen sicher, dass alle Kinder mit Deutschkenntnissen eingeschult werden.

Alarmismus ist fehl am Platz. Jährlich gibt es in Deutschland 700000 Neugeborene. Wenn nur für 145000 der knapp 1,5 Millionen Anspruchsberechtigten Betreuungsgeld beantragt wurde, belegt das nicht, dass Unterschichtseltern und Migranten massenhaft kassieren und für Schnaps oder Flatscreens ausgeben – sondern vor allem, dass das Betreuungsgeld auch ein Jahr nach Einführung ein ziemlicher Flop ist.

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