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Zugriff: Bundespolizisten mit festgenommenem tatverdächtigen Schleuser.
© imago/Olaf Wagner

Polizei über Schleuser: Ein Drittel weniger Schlepper

Bundeskriminalamt und Bundespolizei verzeichnen weniger illegale Migration. Doch was wird da überhaupt gezählt?

Im vergangenen Jahr haben Bundespolizei und Bundeskriminalamt einen drastischen Rückgang der Schleusungen verzeichnet. Im aktuellen „Bundeslagebild Schleusungskriminalität“ für 2017 melden beide Behörden ein Drittel weniger entsprechende Taten (minus 33 Prozent) und einen ähnlich hohen Rückgang (um 30 Prozent) der als Schleuser verdächtigen Täter – zu 87 Prozent Männer. Beobachtet werden für das Lagebild Taten, „die Migranten die Einreise in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einen Schengenstaat ermöglichen, in den sie weder legal einreisen noch sich dort aufhalten dürfen“. Dies ist nach deutschem Aufenthaltsgesetz strafbar.

Die angeblich Illegalen - Schutzsuchende mit Recht?

Einen noch deutlicheren Rückgang verzeichnen beide Polizeien in der Rubrik „illegale Einreise“ selbst. Sie ging demnach um 80 Prozent zurück, noch stärker als jenes Minus von 60 Prozent, das die Grenzschutzagentur Frontex für die gesamte EU feststellte. Die meisten Menschen, die die Auswertung als illegal bezeichnet, kamen aus Afghanistan, Syrien, Nigeria und Irak – sämtlich Krisen- und Kriegszonen, deren Staatsangehörige insofern vermutlich als Asylbewerber kamen, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, hier Schutz zu bekommen. Wie aussagekräftig die Zahlen aus Wiesbaden und Potsdam insofern sind, fragt sich deshalb Petra Follmar-Otto vom "Deutschen Institut für Menschenrechte" (DIMR). Asyl und Migration ist einer der Schwerpunkte der Arbeit des Instituts, der offiziellen Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Die Darstellung, kritisiert sie, vermische Asylsuchende und illegal Einreisende. "Wird jede und jeder als illegal gewertet, solange er oder sie noch kein förmliches Asylgesuch gestellt hat?", fragt Follmar-Otto, die die Europaabteilung des DIMR leitet. Sie verweist darauf, dass aufgrund der Gesetzeslage auch bei Asylsuchenden häufig zunächst ein Verfahren wegen illegaler Einreise oder illegalem Aufenthalt eingeleitet wird.

Kaum Schleusungen auf dem Fluchthöhepunkt 2015

So reichen die 187 000 Asylgesuche des letzten Jahres sehr stark an die Zahl heran, die BKA und Bundespolizei fürs selbe Jahr als Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz verzeichnen, nämlich 179 000. Ähnliches gilt für die Frontex-Zahl der 204 000 unerlaubten Einreisen an den EU-Außengrenzen, die der Bericht zitiert. Die Ziffer 184 410, die Frontex für die Überfahrten über alle drei Mittelmeerrouten angibt reicht an diese Zahl heran. Offenbar gilt auch hier jede Überfahrt von vornherein als illegal.
So scheint der Protest, den Fachleute schon 2015 gegen die Kriminalisierung jedes Grenzübertritts ohne Visum oder andere üblicherweise nötigen Papiere, keinerlei Eindruck auf die Statistiker von BKA und Bundespolizei gemacht zu haben. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise nannte der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Andy Neumann, selbst im BKA tätig, im Magazin „Spiegel“ diese Praxis „schizophren“: „Auf der einen Seite wollen wir Menschen in Deutschland vor Krieg und Verfolgung schützen, auf der anderen Seite machen wir sie zugleich zu Straftätern.“ In einem internen Papier forderte sein Verband, den Straftatbestand zur Ordnungswidrigkeit herunterzustufen.
Das gibt das aktuelle „Bundeslagebild“ implizit sogar zu, indem es für 2015 feststellt, trotz der Massenmigration habe es damals kaum Schleuser gegeben: „Ein Grund hierfür waren die von staatlicher Seite eingerichteten Fluchtkorridore durch Europa, die eine Unterstützung durch Schleuser weitgehend entbehrlich machten.“

Innenpolitikerin Jelpke: Berlin und Brüssel fördern, was sie bekämpfen

Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke fordert Konsequenzen aus dieser Erkenntnis: "Ich halte es für dringend erforderlich, den Straftatbestand der unerlaubten Einreise abzuschaffen und damit auch den der Schleusung. Menschen in Not müssen auf sicheren und legalen Wegen kommen können, um hier Schutz zu beantragen." Den Regierungen Europas wirft sie vor, das Phänomen erst zu befördern, das sie beklagen: "Wenn es um Schleusungskriminalität geht, sind die Bundesregierung und die EU doch ihre größten Förderer. Denn nur weil die legale Einreise nach Europa immer schwieriger wird, nur weil die Abschottung immer weiter ausgebaut wird, verdienen sich Schleuser eine goldene Nase."

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