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Die Tornado-Flotte der Luftwaffe soll mit dem Eurofighter sowie F-18-Kampflugzeugen ersetzt werden.
© Andrew Matthews/PA Wire/dpa

Streit um atomaren Schutzschirm: Ein deutscher Sonderweg würde die Nato erschüttern

Die Bundesregierung streitet über ihren Beitrag an der nuklearen Abschreckung der Nato. Die deutsche Sicherheitsarchitektur steht zur Disposition. Ein Gastbeitrag.

Die Entscheidung war längst überfällig. Jetzt hat Annegret Kramp-Karrenbauer sie getroffen - die bisher schwierigste in ihrer jungen Amtszeit. Es ist, was die Wahl des Fliegers angeht, keine gute, aber eine notwendige Entscheidung.

Es muss endlich Klarheit geschaffen werden, und wenn es jetzt in der Koalition deswegen richtig kracht, dann muss  das ausgehalten werden. Denn es geht  dabei keineswegs nur um den Ersatz eines veralteten Flugzeugs. Dass der Tornado-Jagdbomber, der 1974 zum ersten Mal startete, dringend ausgemustert werden muss, lässt sich kaum anzweifeln.

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Und es geht auch nicht nur um einen Milliardendeal, um die Stützung der deutschen Rüstungsindustrie, und auch nicht nur um ein wichtiges Signal in Richtung Washington. All das gehört dazu. Vor allem aber steht die deutsche Sicherheitsarchitektur ganz grundsätzlich zur Disposition: die nukleare Teilhabe, der deutsche Beitrag zum atomaren Schutzschirm der Nato. 

Der Kern der Militärallianz sind nicht ihre Panzerarmeen, auch wenn die konventionellen Streitkräfte unverzichtbar sind, der Kern der Nato  und mit ihrem Beistandsversprechen im Artikel 5  war immer - und das gilt bis heute - die nukleare Abschreckung, die Zusage, die Mitgliedsländer gemeinsam mit Atomwaffen zu verteidigen, würden sie angegriffen – wenn es sein muss, sogar mit einem atomaren Erstschlag , um einen solchen Angriffskrieg zu beenden.

Werner Sonne ist Autor des Buches „Leben mit der Bombe –Atomwaffen in Deutschland“.
Werner Sonne ist Autor des Buches „Leben mit der Bombe –Atomwaffen in Deutschland“.
© promo

Dabei bleiben oder aussteigen aus der nuklearen Teilhabe

Die Bundeswehr ist – wie andere Verbündete – seit über 60 Jahren dabei und stellt für die von USA vorgehaltenen 20 Atombomben  die Trägerwaffen und die Piloten – eben jene Tornado-Jagdbomber in Büchel in der Eifel, die eigentlich 2025 außer Dienst gestellt werden sollen.

Jetzt – und das mitten in die Coronakrise hinein- bricht der Konflikt mächtig über die große Koalition herein. Dabei bleiben oder aussteigen aus der nuklearen Teilhabe – darum geht es. Und der Riss, auch wenn das nach außen anders aussieht, geht nicht nur durch die Koalition. Er geht vor allem mitten durch die SPD. Kampf dem Atomtod – das war der Schlachtruf der Sozialdemokraten, als es Ende der fünfziger Jahre um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ging. Und das steckt bis heute bei vielen SPD-Linken in ihrer DNA. 

Die SPD will das Thema durch Verschleppung erledigen

Viele in der SPD hofften, über die Tornado-Entscheidung die Atombomben doch noch loswerden zu können. Und zwar nach dem Motto, diese Entscheidung so lange zu verschleppen, bis irgendwann der Tornado so altersschwach sein würde, dass sich das Problem einfach erledigen würde, weil kein Ersatz rechtzeitig bestellt würde.

Andere jedoch in der SPD-Fraktion wollen unbedingt an der nuklearen Teilhabe festhalten, darunter der Berliner Abgeordnete Fritz Felgentreu, immerhin verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und auch Wolfgang Hellmich, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags.  Sie spüren den Druck des linken Flügels, und sie tun sich schwer,  jetzt für diese brisante Entscheidung den Kopf hinzuhalten. Ihr Hilfsargument: das Verteidigungsministerium habe noch keine belastbaren Finanzierungspläne vorgelegt, das Parlament sei nicht eingebunden. 

Treibt verzögern, bis übe die Wahl hinaus

Die Hoffnung ist, über die Finanzierung, der der Bundestag zustimmen muss,  das Thema über das Ende der Legislaturperiode hinauszuzögern, um die Partei-Linken zu befrieden. Und natürlich, so die Träume des linken Flügels, in einer Rot-Rot-Grünen-Regierung dann die nukleare Teilhabe endlich zu beenden.

Die Verteidigungsministerin hat diesen Eiertanz nun durchkreuzt. Mit ihrer Entscheidung, den Tornado durch den  amerikanischen F-18-Flieger für die atomare Rolle und 90 weiteren Eurofightern für die konventionellen Aufgaben zu ersetzen und sich damit zur Fortsetzung der nuklearen Teilhabe zu bekennen, die von der Kanzlerin mitgetragen wird, zwingt sie die SPD, nun ebenfalls Farbe zu bekennen. 

Das erklärt den wütenden Aufschrei der Sozialdemokraten, die sich nun aus ihrer Komfortzone des Ungefähren herausbewegen müssen.  Und der Frust ist umso größer, weil mit den SPD-Ministern Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas der Deal bereits abgesprochen wurde – und das offenbar über die Köpfe der SPD-Fraktion hinweg.

Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung

Eine entscheidende Figur ist jetzt der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. Er muss die Stimmung in der Fraktion zu steuern versuchen. Bisher hält er sich öffentlich zurück, wird aber ebenfalls Position beziehen müssen.  Er stellte allerdings schon letztes Jahr klar, dass der Koalitionsvertrag „selbstverständlich“ auch für die Außen- und Sicherheitspolitik gelte – ein Bekenntnis damit auch zur deutschen Teilhabe an der nuklearen Abschreckung. 

Seine Experten in der Fraktion ließ er aufschreiben, die SPD wolle zwar einen gesamteuropäischen Abrüstungsvertrag, der dann einen Abzug der Bomben möglich mache - der aber realistisch nicht in Sicht ist, seit dem Ende des INF-Vertrages über die Mittelstreckenraketen schon gar nicht, und dann der entscheidende Satz: „Bis dahin werden die vorhandenen Systeme erneuert bzw. ersetzt werden müssen“.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
© STEPHANIE LECOCQ / POOL / AFP

Ein Satz mit Sprengwirkung. Denn das ist nicht nur ein Bekenntnis zur Ersetzung des alten Tornados, sondern auch zu der Erneuerung der in Büchel gelagerten B-61-4 Atombomben. Sie sollen durch die moderne Version B-61-12 ersetzt werden. Und das hat es in sich: Diese Bombe ist erstmals lenkbar, sehr präzise und kann in ihrer Wirkung von 0,3 bis 50 Kilotonnen hoch- und vor allem heruntergeregelt werden. Und das senkt, so die Kritiker, die Einsatzschwelle, sie kann sehr viel flexibler und gegen kleinere Ziele eingesetzt werden. Die Versuchung, früher zu Atomwaffen zu greifen, würde steigen. Berlin hat dem zugestimmt, und das bedeutet: es gibt sowohl neue Trägerwaffen wie auch neue Bomben. Schwer zu verdauen für die SPD-Linken.

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Atombombe erlebt die bedrückende Wiederauferstehung

Was jetzt kommen soll, ist vor allem ein politisches Signal. Militärtechnisch ist  der Kauf des US-Modells F-18 ein Unfug:  ein altes Marineflugzeug, das bisher nicht für den atomaren Einsatz zertifiziert und in wenigen Jahren bei den US-Streitkräften ausgemustert wird. 

Und ausgerechnet Angela Merkel half ursprünglich dabei. Weil Deutschland und Frankreich gemeinsam ein hochkomplexes Kampfflugzeug entwickeln, hat sie eine naheliegende Lösung untersagt: den Kauf des US-Kampfbombers F-35, das  leistungsfähigste Flugzeug, das gegenwärtig auf dem Markt und für die nukleare Rolle maßgeschneidert ist. Während rund um Deutschland zahlreiche Nato-Partner die F-35 beschaffen, ginge die deutsche Luftwaffe einen einsamen Sonderweg: teurer, keine gemeinsame Wartung, keine gemeinsamen Ersatzteile.

Nach dem Ende des INF-Vertrages über die atomaren Mittelstreckenraketen, einst das Herzstück der nuklearen Abrüstung, erlebt die Atombombe wieder eine bedrückende Wiederauferstehung. Russland hat mit neuen nuklear bestückten Raketen den Anfang gemacht.

Die Nato ist dabei, weitreichende Antworten zu suchen. Wenn das größte Land Europas jetzt aus der nuklearen Teilhabe aussteigen würde, wäre das der eigentliche deutsche Sonderweg, der schnell die westliche Militärallianz grundsätzlich erschüttern würde.  Die Tornado-Diskussion muss jetzt geführt werden. Wegducken und Aussitzen darf nicht mehr die Lösung sein.

Werner Sonne ist Autor des Buches „Leben mit der Bombe –Atomwaffen in Deutschland“, erschienen im Verlag Springer Nature.

Werner Sonne

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