Frankreich: Ein „Bürgerkollektiv“ gegen die Impfskepsis
In Frankreich ist die Impfskepsis besonders ausgeprägt. Ein zufällig ausgewähltes Gremium von Bürgern soll Abhilfe schaffen.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie muss sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Vorwurf gefallen lassen, dass die Impfkampagne in Frankreich viel langsamer anläuft als im Durchschnitt der EU. Am 1. Januar, fünf Tage nach dem Start der Kampagne, waren in Frankreich gerade einmal 516 Impfdosen verimpft worden. Angesichts der schleppenden Starts hat die Regierung inzwischen ihre Strategie überarbeitet. Demnach sollen nun in der ersten Phase nicht mehr nur die Risikogruppen in Alten- und Pflegeheimen geimpft werden, sondern auch über 50-Jährige, die im Gesundheitswesen arbeiten. Bereits am vergangenen Wochenende waren die ersten Impfdosen an Mitarbeiter in Kliniken - etwa im Universitätskrankenhaus im ostfranzösischen Nancy - verabreicht worden.
Erneut ist Ostfrankreich von der Pandemie besonders betroffen
Wie schon im vergangenen Frühjahr gehört der Osten Frankreichs gegenwärtig zu den Landesteilen, die von der Pandemie besonders betroffen sind. In Nancy gilt inzwischen eine Ausgangssperre ab 18 Uhr. Dies führt dazu, dass auch die Geschäfte dort früher schließen müssen. Insgesamt sind 15 Départements landesweit von der Ausgangssperre ab 18 Uhr betroffen. Im Großteil des Landes - beispielsweise in der Hauptstadt Paris - gilt eine Ausgangssperre ab 20 Uhr. Die Regelung wird aber offenbar von der Polizei weniger strikt kontrolliert, als dies noch während der Ausgangsbeschränkungen im vergangenen Frühjahr der Fall war.
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Bereits am vergangenen Wochenende hatten die Bürgermeister im Großraum Nancy die Regierung in Paris aufgefordert, die Impfkampagne zu beschleunigen. Damit waren sie nicht allein: Vertreter der Opposition, Ärzte und Epidemiologen verlangten eine schnellere Gangart. „Wenn ich Präsident wäre, würde ich hart mit meinem Gesundheitsminister ins Gericht gehen“, sagte etwa der Epidemiologe Martin Blachier dem Sender LCI. Der Präsident der an Deutschland grenzenden Region „Grand Est“, Jean Rottner von der konservativen Partei „Les Républicains“, sprach sogar von einem „Staatsskandal“.
Macron beruft Treffen mit Ministern ein
Dass Macron inzwischen den Ernst der Lage verstanden hat, zeigte sich daran, dass der Staatschef am Montagnachmittag ein Treffen mit dem Premierminister Jean Castex und den verantwortlichen Ministern abhielt. Zuvor hatte Gesundheitsminister Olivier Véran zugesagt, dass vor Anfang Februar die Arbeit in städtischen Impfzentren aufgenommen werden soll. Dort sollen dann zunächst Senioren, die nicht in Alten- und Pflegeheimen wohnen, mit dem Impfstoff versorgt werden.
Derzeit stehen in Frankreich 500.000 Impfdosen zur Verfügung
Gegenwärtig stehen in Frankreich mehr als 500.000 Dosen des Impfstoffs des Mainzer Herstellers Biontech und seines US-Partners Pfizer zur Verfügung. Nach den Worten des Regierungssprechers Gabriel Attal kommen pro Woche demnächst weitere 500.000 Dosen hinzu. Beim Impfstoff des französischen Herstellers Sanofi, mit dem die EU-Kommission bei der EU-weiten Bestellung ebenso wie mit Biontech und vier weiteren Firmen in den vergangenen Monaten eine Absprache traf, gibt es einen Rückschlag bei der Entwicklung. Der Impfstoff, den Sanofi gemeinsam mit dem britischen Partner GlaxoSmithKline entwickelt, dürfte voraussichtlich nicht vor Jahresende einsatzbereit sein. Der Sprecher der EU-Kommission verteidigte am Montag die breit gestreute Impfstoffbestellung mit den Worten, man habe seinerzeit angesichts der unklaren Erfolgsaussichten nicht auf ein einziges Vakzin setzen können.
In Frankreich ist nicht nur die Impfquote im EU-Vergleich besonders niedrig. Auch die Zahl der Impfskeptiker ist auffallend hoch. Laut einer zu Weihnachten veröffentlichten Umfrage wollen sich nur 40 Prozent der Franzosen ein Vakzin gegen das Coronavirus verabreichen lassen. Einen Monat zuvor hatten noch 53 Prozent angegeben, sich impfen lassen zu wollen. Zum Vergleich: In Deutschland haben in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov fast zwei Drittel der Befragten angegeben, sich impfen lassen zu wollen. Allerdings ist nur die Hälfte davon sofort dazu bereit.
Impfskepsis bei Frauen ausgeprägter als bei Männern
Um die Franzosen von der Sicherheit der Impfung zu überzeugen, hatte Macron bereits im November die Bildung eines „Bürgerkollektivs“ angekündigt, das die Kampagne begleiten soll. Ein Panel von 35 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, in dem sowohl Impfgegnerinnen als auch -befürworter vertreten sein sollen, wird nun die Verabreichung des Vakzins kritisch begleiten und im Sommer einen Bericht vorlegen. Mehreren Umfragen zufolge ist die Impfskepsis bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. Der konservative Bürgermeister der Stadt Meaux, Jean-François Copé, kritisierte unterdessen mit Blick auf Macrons „Bürgerkollektiv“, dass die Kontrolle des Impfprozesses nicht die Sache eines zufällig ausgewählten Gremiums sei, sondern des Parlaments.