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Frankreichs Präsident Francois Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ukrainische Präsident Poroschenko.
© Reuters

Der Pakt von Minsk: Ein bisschen Frieden in der Ukraine

Es gibt eine, die sich, anders als 1914, in einer schweren europäischen Krise gegen Krieg gestellt hat: Angela Merkel. Was das aber wert ist, muss sich erst noch zeigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Dies ist nicht 1914. Selbst wenn sich aus dem Ergebnis der 17-stündigen Verhandlungen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk kein dauerhafter Frieden in der Ostukraine entwickeln sollte, wenn wider alle Hoffnungen die Kämpfe erneut eskalieren, wird hinterher niemand sagen können, die Konfliktparteien seien sehenden Auges, aber untätig in den Krieg hineingestolpert. Es wird auch niemand deuten können, die Kontrahenten hätten wie Tagträumer die heraufziehende Katastrophe nicht erkannt.

Nein, in dieser europäischen Krise am Rande eines Krieges hat es, anders als 1914, jemanden gegeben, der sich mit dem Mut der Verzweiflung und unter bewusster Hinnahme des Risikos, scheitern zu können, der scheinbar unaufhaltsamen Automatik des Bösen entgegengestellt hat: Angela Merkel, die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Diplomatische Wirtschaftliche Potenzial in die Waagschale geworfen

In einer beispiellosen Kraftanstrengung hat sie, zusammen mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande, das diplomatische und wirtschaftliche Potenzial des Westens in die Waagschale geworfen. Wie stark sie dabei auch auf die am Ende letzte verbleibende Option der militärischen Hilfe hinwies, wird die Welt wohl erst viel später erfahren. Vorerst gibt es einen Friedensplan für die Ukraine, und bis zum Beweis des Gegenteils muss man auf die Chance setzen, dass aus diesem Plan Realität wird.

Vor übertriebenem Optimismus hat die Kanzlerin allerdings selbst gewarnt. Die militärische Lage in der Konfliktregion hat sich seit dem vergangenen September, als die erste, nie umgesetzte Vereinbarung von Minsk ausgehandelt wurde, deutlich zum Nachteil der regulären ukrainischen Armee entwickelt. Das war nur durch den ungebremsten Nachschub von Kämpfern und schwerer Ausrüstung über die russisch-ukrainische Grenze möglich.

Ob nun erstmals verlässliche Grenzkontrollen etabliert werden können, ist noch nicht erkennbar. Damit steht und fällt aber die gesamte Vereinbarung. Das ist weit besorgniserregender als die Tatsache, dass Putins Russland der Gewinner des Paktes von Minsk ist. Nur wer ein Entweder-Oder als Ergebnis erwartet hatte, kann darüber erstaunt sein. Zum Wesen eines Kompromisses gehört, dass auch der nachgeben muss, der sich im Besitz des Rechts glaubt.

Die Ukraine wird eher eine föderale Struktur erhalten

Abseits des Militärischen hat Putin erreicht, was ihm Europa und die Regierung in Kiew vorher nicht geben wollten. Das Land wird vermutlich eine eher föderalistische Struktur mit mehr Autonomie für die Ostukraine erhalten. Über Russlands Sorgen wegen der angestrebten Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine wird nun trilateral, also unter Einbeziehung Moskaus, gesprochen. Damit akzeptiert der Westen, dass ungeachtet der Souveränität der Ukraine die Auswirkungen politischen Handelns auf Nachbarstaaten bedacht werden müssen. Schon vergessen, dass die USA in Mittelamerika, ihrem so genannten Hinterhof, noch Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Interessen ebenfalls ziemlich brutal durchzusetzen bereit waren?

Die missglückte Invasion in Kubas Schweinebucht war, was die Methoden angeht, nicht weit von Putins grünen Männchen entfernt. Die Stabilisierung der Ukraine wird für Europa teuer, das war absehbar. Aber die Ukraine wäre die EU auch ohne Krieg nicht billig gekommen. Viel wichtiger ist, ob es in Folge des Minsker Abkommens langfristig gelingt, Russland auf den Boden des Völkerrechts zurück zu holen.

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