Sri Lanka: Ein aufgewühltes Land steht vor der Wahl
In Sri Lanka wurde am Donnerstag gewählt. Erste Wahlergebnisse werden an diesem Freitag erwartet. Viele Wähler sind unzufrieden mit ihrem Präsidenten, der sich ein drittes Mal wählen lässt. Die Menschen schimpfen über Korruption und Clanwirtschaft. Eine Reportage aus dem asiatischen Land.
Mit wehendem Hemd verlässt der Mann aufgebracht nach der Teepause die kleine Bäckerei im Süden Sri Lankas. „Wir müssen gegen den Präsidenten stimmen, so geht das nicht weiter“, schimpft der Singhalese noch, während er vor der Tür sein Mofa anwirft. Der Inhaber schüttelt über dem Brot auf der Theke den Kopf. „Präsident Rajapaksa hat den Krieg beendet und Ruhe gebracht. Als die Tamilentiger gekämpft haben, wurden auch Muslime verfolgt und umgebracht.“ Es ist eine typische Szene, kurz vor den Präsidentenwahlen am Donnerstag diskutieren viele Sri Lanker über die Zukunft. Doch dass es solch eine Diskussion ausgerechnet in der Heimatregion des Präsidenten gibt, in die seit seinem Amtsantritt ungeheure Summen Geld geflossen sind, zeigt, wie aufgewühlt Sri Lanka ist.
Damit hatte Rajapaksa nicht gerechnet, als er im November zwei Jahre vor Ablauf der Amtszeit Neuwahlen ausrief. Vor allem nicht damit, dass sich schon am nächsten Tag ein Gegenkandidat melden würde – der bisherige Gesundheitsminister und Generalsekretär seiner eigenen Freiheitspartei SLFP: Maithripala Sirisena. Und die eigentlich völlig zersplitterte Opposition vereinte sich geschlossen hinter dem 63-Jährigen. Die Regierung hätte einen anderen Gegner erwartet und musste Tausende auf ihn zielende Poster wieder einstampfen, erzählt man sich in Colombo.
Präsident Rajapaksa will sich eine dritte Amtszeit
Erste Wahlergebnisse werden an diesem Freitag erwartet. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 75 Prozent. Beobachter sagen, Rajapaksa wollte sich mit den frühen Wahlen angesichts sinkender Zustimmung rasch noch eine dritte Amtszeit sichern. Nach dem militärischen Sieg über die so genannten Tamilentiger, die einen eigenen Staat im Norden durchsetzen wollten, hatte er sich 2010 per Verfassungsänderung diese Möglichkeit absegnen lassen, eigentlich waren maximal zwei Perioden erlaubt. Die Mehrheit der Sri Lanker war damals froh, dass der 26 Jahre währende Bürgerkrieg und der Terror der Selbstmordanschläge zu Ende waren. Danach ging es auch wirtschaftlich bergauf: Wachstum von sieben und acht Prozent. In Colombo drehen sich unzählige Baukräne, es entsteht längst eine Skyline, es gibt Restaurants, Bars und Märkte für die wachsende Mittelschicht, endlich eine Autobahn in den Süden, auch im Norden exzellente Hauptstraßen und jede Menge anspruchsvolle Infrastrukturpläne. Längst sind die Touristen zurück, die Deutschen sind mit gut 100 000 die viertgrößte Gruppe. Eine Erfolgsstory.
Vergangenes Jahr aber wurde Rajapaksa sogar bei Auftritten ausgebuht - und es war auf Youtube zu sehen. In dem Personenkult per überlebensgroßer Poster gewohnten Land gab es zuletzt sogar Proteste gegen die „Cut Outs“ des Präsidenten in weißer Landestracht mit rotem Schal, der einem gefühlt von jeder Straßenecke entgegenstrahlt. Der Regierung wurde vorgeworfen, sie missbrauche dafür öffentliche Gelder, was sie zurückwies. Als sich einige Politiker sogar Poster gemeinsam mit dem Konterfei des Papstes drucken ließen, der wenige Tage nach der Wahl erwartet wird, um davon zu profitieren, gab es massiven Ärger.
Rajapaksa ist unter Druck geraten, der 69-Jährige nennt seinen Ex-Minister Sirisena einen Verräter. Doch der hat offenbar einen Nerv getroffen. Junge Leute sprechen einen auf der Straße an, schimpfen über Korruption und Clanwirtschaft Rajapaksas, dessen Familie das Land fest im Griff habe. Ein Bruder des Präsidenten ist Minister für Verteidigung und Stadtentwicklung – hat damit das Militär und die investitionsstarken Zukunftsprojekte unter sich, auch weitere Familienmitglieder sind in der Politik.
„Sie regieren uns wie saudische Könige. Die Präsidentenfamilie nimmt sich alles“, sagt ein junger Angestellter und bildet mit seinen Händen einen ausladenden Kreis. Seinen Namen möchte er lieber nicht niedergeschrieben sehen, er fürchtet Repressionen. „Wir haben aber nur einen Präsidenten gewählt. Ich werde den gemeinsamen Kandidaten wählen.“ Ein anderer, der als junger Familienvater aus Dubai zurückgekehrt ist, klagt: „Vor fünf Jahren konnte ich für 5000 Rupien im Supermarkt einen ganzen Wagen voll einkaufen. Heute bekomme ich dafür gerade mal ein paar Tüten.“ Befremdlich findet er, dass der Amtsinhaber die Wahl abermals mit „seinem“ Sieg über die Tamilentiger 2009 gewinnen will. „Sie zeigen auf Leinwänden Videos vom Krieg, was soll denn das? Das ist doch alles längst vorbei. Wir haben ganz andere Probleme.“ Er macht sich trotz der guten Wachstumszahlen Sorgen: „Er tut so, als baute er all die Häuser und Straßen mit seinem Geld. Dabei ist das Geld aus China. Das müssen wir irgendwann zurückzahlen. Und was ist dann?“ Natürlich könne auch Sirisena nicht alles über Nacht ändern. Er sei aber „ein Mann mit einer klaren Vorstellung“ und nicht korrupt. „Er war in der Regierung, ist da aber immer klein gehalten worden,“,ist der Mittzwanziger überzeugt.
66.000 bewaffnete Polizisten bewachten die Wahl
Ob es bei der von rund 66 000 bewaffneten Polizisten überwachten Wahl wirklich einen Machtwechsel geben wird, mag niemand vorherzusagen. Vele trauen sich nicht, offen zu reden. Eine – allerdings nicht repräsentative – Umfrage des „Centre for Policy Alternatives“ ergab Mitte Dezember, dass nur knapp 24 Prozent für den Amtsinhaber stimmen würden, wenn am nächsten Tag gewählt würde. Inzwischen gab es allerdings auch eine Flut, der Präsident war als Kümmerer unterwegs. Und viele, denen es gut geht, wie die, die im Südosten von Touristen leben, sind zufrieden und sehen keinen Grund, etwas zu ändern.
Einige Beobachter allerdings sehen mit gemischten Gefühlen dem Tag nach der Wahl entgegen. „Wenn Sirisena knapp gewinnen sollte, wird es eine sehr lange Neuauszählung geben“, sagt ein einheimischer Beobachter. Will heißen, dann wird das Ergebnis umgefälscht. Das Auswärtige Amt in Berlin wie auch manche Analysten schließen gewaltsame Auseinandersetzungen nicht aus. „Der Präsident und seine Familie haben alles zu verlieren“, warnt ein sri-lankischer Experte, der sich auch Sorgen um die Unversehrtheit des Gegenkandidaten macht. „Unser Kampf wird nicht am 8. Januar enden.“ Leise fügt er hinzu: „Ich bin kein Freund von Gewalt. Aber manchmal muss man für seine Rechte aufstehen.“
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