Bund und Länder einigen sich: Durchbruch zu neuem Finanzausgleich
Dank einer höheren Bundesbeteiligung gelingt die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Das neue Modell im Überblick - mit den Zahlen für Geber und Nehmerländer.
Von 2020 an wird das Geld etwas anders verteilt: Bund und Länder haben sich am Freitag nach jahrelangem Vorlauf auf eine Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs verständigt. "Die Verhandlungen sind gut zu Ende geführt worden", sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer "Kraftprobe", die zu einem "erfolgreichen Abschluss" gekommen sei, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannten die Einigung einen "fairen Kompromiss". Der Durchbruch gelang nach vierzehnstündigen Verhandlungen im Bundeskanzleramt schon in der Nacht gegen drei Uhr. Da war klar, dass sich in der Hauptsache die Ministerpräsidenten durchgesetzt hatten – der künftige Finanzausgleich entspricht weitgehend dem Modell, auf das sich die Länderchefs im vorigen Dezember geeinigt hatten.
Versuche von Bundespolitikern, die Phalanx zu brechen, schlugen fehl – insbesondere Seehofer und die nordrhein-westfälische Regierungschefin Hannelore Kraft waren nicht zu substanziellen Zugeständnissen zu bewegen. Der Gegenvorschlag von Schäuble aus der Vorwoche hatte keine Chance gegen die feste Haltung der Länder. Allerdings wurde am Freitag noch über eine Reihe von Forderungen der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen verhandelt, die außerhalb des Finanzausgleichs auf mehr Zentralisierung in der Straßen- und Finanzverwaltung zielten. Hier waren die Länder eher kompromissbereit. Den Bundeshaushalt belastet die Vereinbarung zunächst mit 9,525 Milliarden Euro zusätzlich; Schäuble wollte ursprünglich nur 8,5 Milliarden Euro zugestehen. Doch steigt die Summe der Bundesbeteiligung bis 2030 (dann läuft die neue Regelung aus) weniger stark als im ursprünglichen Ländermodell. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zeigte sich zufrieden. "Für die ostdeutschen Länder konnte erreicht werden, dass wir ab 2020 gleichberechtigt an der Steuerverteilung teilhaben."
Alle Länder gewinnen
Gewinner sind alle Länder, neben Bayern und (mit Abstrichen) NRW aber vor allem die Ost-Länder. Sie profitieren nach dem neuen Finanzausgleichsmodell, das eine höhere Beteiligung des Bundes vorsieht, am deutlichsten. Im Osten liegt das Plus zwischen 229 Euro je Einwohner für Mecklenburg-Vorpommern und 114 Euro für das mittlerweile relativ finanzstarke Brandenburg (bezogen auf die Steuerschätzung für 2019). Berlin wird dank der höheren Bundesbeteiligung um 142 Euro je Einwohner bessergestellt, Bayern um 106 Euro. In absoluten Zahlen sind es 1,35 Milliarden Euro – also sogar mehr als die eine Milliarde Entlastung, die CSU-Chef Seehofer immer gefordert hatte. Geringer fällt die Besserstellung für Niedersachsen (76 Euro) und NRW (80 Euro) aus. Wegen zusätzlicher Zinshilfen, die der Bund zahlt, bekommen Bremen (732 Euro) und das Saarland (493 Euro) deutlich mehr.
Doch hat Kraft in einem Punkt durchaus ihren Willen bekommen: Vor allem auf die Hartnäckigkeit der Düsseldorfer Ministerpräsidentin geht zurück, dass der künftige Finanzausgleich nur noch drei statt vier Stufen hat. Denn die bisherigen Stufen zwei und drei, die den horizontalen Ausgleich der Länder untereinander umfassten, werden praktisch zusammengefasst. Der Umsatzsteuervorwegausgleich und der direkt über die Länderetats laufende Länderfinanzausgleich gehen nun in einem neuen Stufe auf, in der die Länder die ihnen zustehende Summe so verteilen, dass finanzschwache Länder mehr bekommen, als ihnen pro Kopf zustünde, während finanzstarke Länder weniger zugewiesen bekommen. Im Ergebnis bleibt es dabei, dass es vier Zahlerländer und zwölf Nehmerländer gibt (siehe Grafik). Krafts Ziel, mit ihrem Vorstoß NRW nach Jahrzehnten wieder als Zahlerland zu etablieren, schlug fehl – die Prognosen der Steuerkraft des Landes sind dafür nicht mehr gut genug. Insgesamt hat der Finanzausgleich zwischen den Ländern ein Volumen von gut 16 Milliarden Euro (bezogen auf 2019), vier Milliarden weniger als nach dem Status quo.
Bayern bleibt beim Geben vorn
Größter "Geber" bleibt Bayern mit 8,3 Milliarden Euro, gefolgt von Baden-Württemberg (4,4 Milliarden) und Hessen (knapp drei Milliarden). Auch Hamburg bleibt Geberland mit etwa 390 Millionen Euro Einnahmeverzicht. An der Spitze der Nehmer liegt weiterhin Berlin mit 3,6 Milliarden Euro (auch dank der Höhergewichtung der Einwohnerzahl der Stadtstaaten, die nicht angetastet wurde). Es folgen Sachsen (knapp drei Milliarden) und Sachsen-Anhalt (1,7 Milliarden). Niedersachsen nimmt gut 1,5 Milliarden Euro. Knapp im Nehmerlager ist, wie gesagt, Nordrhein-Westfalen mit etwas über 100 Millionen Euro - läuft die Wirtschaftsentwicklung des Landes besser als erwartet, ist also durchaus der Übergang ins Zahlerlager möglich.
Die erste Stufe im bisherigen System, die Verteilung der gesamten Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Kommunen gemäß der gesetzlich festgelegten Anteile, bleibt. Die vierte Stufe wird jedoch verändert: In ihr sind die Zuschüsse zusammengefasst, mit denen der Bund zusätzlich finanzschwache Länder unterstützt, um ihre Einnahmen so nahe an den Durchschnitt zu heben, dass das Verfassungsgebot der gleichwertigen Lebensverhältnisse eingehalten wird. Von diesen Bundesergänzungszuweisungen gehen etwa vier Milliarden in den Osten und 1,6 Milliarden nach Berlin. Im Westen profitieren Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen und das Saarland mit zusammen gut 1,4 Milliarden Euro. Eine neue Zuweisung für Länder mit besonders finanzschwachen Kommunen steuert zusätzlich 1,5 Milliarden Euro bei, vor allem für den Osten - das wird nach Schäubles Worten auch im Grundgesetz abgesichert. Als kleines Zubrot vor allem für Rheinland-Pfalz und Niedersachsen gibt es zudem eine neue Ergänzungszuweisung für Forschungsausgaben.
Infrastrukturgesellschaft gebilligt
Was die weiteren Bundesforderungen betrifft, machten die Länder am Freitag keine allzu konkreten inhaltlichen Zusagen. Doch sind sieben Punkte vereinbart worden, über die man weiter spricht. Vor allem gilt das für die von der Bundesregierung geforderte neue Infrastrukturgesellschaft, die Planung und Bau der Bundesautobahnen und Bundesstraßen von den Landesverwaltungen übernehmen soll. Das sehen die meisten Länder zwar kritisch, sind aber bereit, eine Grundgesetzänderung mitzutragen, welche die Einrichtung einer solchen Gesellschaft ermöglicht. Allerdings dürfe es dabei nicht zu Privatisierungen kommen, sagte der Schweriner Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Weitere Vorhaben, die nun diskutiert werden, ist eine gemeinsame Online-Offensive samt zentralem Bürgerportal, eine Stärkung des Stabilitätsrats (der die Schuldenbremse überwacht), mehr Mitfinanzierungskompetenzen des Bundes bei der kommunalen Infrastruktur (das zielt vor allem auf die Schulen), sowie Kontrollrechte des Bundes bei der Mitfinanzierung von Länderaufgaben. Zudem sollen die Länder die Verantwortung für den Unterhaltszuschuss übernehmen.
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