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Im Bundesfreiwilligendienst, der den Zivildienst 2011 ersetzt hat, steigen die Abbrecherquoten.
© Andreas Gebert/picture alliance / dpa

Hohe Abbrecherquoten beim Bundesfreiwilligendienst: Drum prüfe, wer sich länger bindet …

Junge Leute engagieren sich lieber in zeitlich begrenzten Projekten – das hat auch Vorteile. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dr. Elisabeth Binder

Soziales Engagement lässt sich nicht trennen von allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen. Es spiegelt sich dort und setzt die entsprechenden Organisationen unter Zugzwang. Schon seit Jahren beschäftigen sich Experten mit dem Phänomen, dass die Eingeborenen der digitalen Welt sich anders engagieren als ihre Eltern. Die Suche nach dem „Neuen Ehrenamt“ ist in vollem Gange. Diesem Sog kann sich auch der Bundesfreiwilligendienst nicht entziehen, der 2011 als Ersatz für den Zivildienst eingeführt wurde. Nach aktuellen Zahlen der Bundesregierung bricht ihn jeder Dritte vorzeitig ab.

In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung haben sich Lebensentwürfe grundsätzlich geändert. Dass man einen einzigen Beruf erlernt und für den Rest des Lebens bei einem festen Arbeitgeber bleibt, ist heute doch eher die Ausnahme. Flexibilität in allen Lebenslagen ist zur hohen Tugend geworden. Über der Entscheidung für ein Studium oder eine Ausbildung schwebt längst nicht mehr das Verdikt „lebenslänglich“. Dass nach Experteneinschätzung auch etwa ein Drittel aller Jugendlichen einen zunächst eingeschlagenen Weg wieder abbricht, mag eine beklagenswerte Nebenwirkung sein. Aber vielleicht muss man das gar nicht nur negativ sehen. Wer viel ausprobiert, erhält am Ende ja auch eine umfassendere Bildung.

Wer viel ausprobiert, bildet sich umfassender

An der Bindungsferne der jungen Generation leiden nicht nur die Institutionen, die auf ehrenamtliches Engagement angewiesen sind, wie zum Beispiel die freiwillige Feuerwehr. Auch politische Parteien bekommen sie zu spüren. Dass immer mehr Menschen die Flexibilität auf die harte Weise gelernt haben, indem sie sich in jungen Jahren von Zeitvertrag zu Zeitvertrag gehangelt haben, hat freilich auch etwas mit Politik zu tun.

Das bedeutet nicht, dass die Bereitschaft, Gutes zu tun, nachgelassen hat. Sie manifestiert sich nur anders. Die Zahl der ehrenamtlich aktiven Menschen ist in den vergangenen 15 Jahren sogar gestiegen – um zehn Prozent. Statt ein Leben lang den Mitgliedsausweis einer arrivierten karitativen Organisation mit sich herumzutragen, engagieren sich jüngere Leute lieber für zeitlich begrenzte Projekte. Das Internet bietet unbegrenzte Möglichkeiten, Einsatzorte zu finden, um genau da zu helfen, wo es aktuell am nötigsten ist. In sozialen Jahren in Afrika oder Asien lassen sie sich auf bewundernswerte Einsätze ein und lernen in einem völlig fremden Umfeld auch viel über sich selbst und die mögliche Gestaltung eigener Lebensperspektiven. Ihr Horizont wird dadurch viel weiter als der früherer Generationen.

Man darf die Schuld nicht nur bei den Abbrechern suchen

Mit überkommenen Strukturen kann man heute niemanden mehr motivieren. Jugendliche wissen, dass sie gebraucht werden und wollen das auch, aber nicht um jeden Preis. Hohe Abbrecherquoten, wie sie der Bundesfreiwilligendienst verzeichnet, dürfen nicht dazu führen, alle Schuld bei den Abbrechern zu suchen. Das wäre wenig hilfreich. Viele Organisationen, wie etwa die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, haben schon vor Jahren mit dem Nachdenken darüber begonnen, wie sie sich verändern müssen, um weiter attraktiv zu sein für dringend benötigte Helfer. Am Anfang hilft vielleicht am besten dieses Motto: „Lerne deine Freiwilligen kennen.“

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