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Griechenlands Botschafter in Deutschland, Panos Kalogeropoulos.
© Kai-Uwe Heinrich

Griechenland: Drohung gegen Athens Botschafter

Seit der Parlamentswahl in Hellas Ende Januar sind nach den Worten des Athener Botschafters in Berlin, Panos Kalogeropoulos, hunderte von gegen Griechenland gerichteten Hassmails bei der Botschaft eingegangen. Eine Mail habe auch eine direkt gegen ihn gerichtete Drohung enthalten, erzählt Kalogeropoulos.

Auf seinem Schreibtisch steht eine Flasche mit griechischem „Korpi“-Mineralwasser, vom Schrank neben dem Besprechungstisch leuchtet eine Büste der Hygeia, der Göttin der Gesundheit. Direkt daneben stehen die deutsche und die griechische Flagge. Sie sind gewissermaßen ein Symbol dafür, dass Panos Kalogeropoulos, Athens Botschafter in Berlin, zwangsläufig in zwei Welten leben muss – der deutschen und der griechischen. Für Kalogeropoulos ist es derzeit ein ziemlich aufreibendes Leben. „Die Lage ist angespannt“, sagt er, „der Arbeitsrhythmus ist ungeheuer intensiv.“ Kalogeropoulos hat schon als Botschafter im Libanon und in Portugal gearbeitet, aber die Berufung nach Berlin wenige Wochen vor dem Wahlerfolg des Linksbündnisses Syriza hat den 58-Jährigen vor eine neuartige Herausforderung gestellt. Seit Alexis Tsipras, der Chef des Linksbündnisses, die Wahl in Hellas gewonnen hat, beherrscht die Schuldenkrise wieder die Schlagzeilen. „Täglich und stündlich“, sagt Kalogeropoulos, gebe es neue Stellungnahmen deutscher Politiker zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage Griechenlands. Er versucht dann, seiner Regierung in Athen eine Einordnung zu bieten: Gibt es Kompromisslinien im Schuldenstreit? Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung? Das Schwierige an dieser Krise, sagt Kalogeropoulos, besteht darin, dass man nie weiß, was als Nächstes kommt.

Beim ESC wurde über Griechenland gewitzelt - zum Verdruss des Botschafters

Kalogeropoulos ist ein soignierter, zurückhaltender Herr mit lichtem Haar, und wer ihm in seinem Arbeitszimmer am Gendarmenmarkt zuhört, bekommt schnell den Eindruck, dass ihm die Krise auch persönlich bereits recht nahe gekommen ist. Seit Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis die Macht in Athen übernommen haben, wächst in der deutschen Öffentlichkeit auch wieder die Ungeduld gegenüber „den Griechen“ und ihrer Hinhaltetaktik bei den Verhandlungen über neue Kredittranchen. Aber dass griechischen Restaurantbesitzern in Deutschland plötzlich die Kunden wegbleiben, dass eine Botschaftsmitarbeiterin wegen ihrer Nationalität von einem Berliner Schulleiter beschimpft wurde, dass die Moderatorin Barbara Schöneberger neulich beim „Eurovision Song Contest“ spaßeshalber die EU-Mitgliedschaft Griechenlands infrage stellte – all das macht Kalogeropoulos fassungslos. Und dann schaut er den Besucher an und meint: „Die Medien tragen auch nichts dazu bei, die Animositäten abzubauen – sondern sie verstärken sie eher noch.“

Eine kaum verhüllte Morddrohung

Wohin die ungebremste Wut der Bevölkerung im schlimmsten Fall führen kann, versucht Kalogeropoulos mit einem Blatt Papier zu belegen. Aus einer Schreibtischschublade zieht er den Ausdruck einer hasserfüllten E-Mail, wie sie nach seinen Worten zu hunderten in den letzten Wochen bei der Botschaft eingegangen sind. Für ihn bedeutet es allerdings eine neue Eskalationsstufe, dass die Mail, die er da in Händen hält, eine kaum verhüllte Morddrohung gegen ihn enthält. „Fuck u Tsipras“, beginnt das Schreiben, und dann folgt eine Warnung an dessen Botschafter in Berlin.

Parallel-Programm am Morgen: Griechische Talkshows und deutsches Fernsehen

Kalogeropoulos hat sich von der Drohung nicht nervös machen lassen. „Ich fühle mich ganz sicher in diesem Land, in dieser Stadt“, sagt er. Jeden Tag versucht er unverdrossen aufs Neue, den Deutschen Griechenland zu erklären und den Griechen das, was gerade aus dem Berliner Regierungsviertel kommt. Morgens schaut er sich im Internet-Livestream die politischen Talkshows aus Athen an und schielt dabei parallel zum Fernsehen hinüber, wo das „Morgenmagazin“ läuft. Weil die Äußerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der Hellas-Krise meistens fast in Echtzeit von griechischen Medien aufgegriffen werden und umgekehrt die Worte von dessen Athener Amtskollege Varoufakis schnell ganz oben in den Hitlisten der deutschen Online-Medien landen, kann sich Kalogeropoulos die unmittelbare Berichterstattung über die aktuellen Aufreger in der Causa Griechenland meistens sparen.

Protestanruf im Auswärtigen Amt

In der vergangenen Woche ist Kalogeropoulos nun selber zum Gegenstand der Berichterstattung geworden, nachdem sein Protestanruf beim Auswärtigen Amt publik geworden war. „Ich habe auf den Umgangston von Bundesfinanzminister Schäuble gegenüber seinem Amtskollegen Varoufakis, bezugnehmend auf gewisse Äußerungen des deutschen Finanzministers, aufmerksam gemacht und so unsere Verstimmung zum Ausdruck gebracht“, sagt Kalogeropoulos. Eine derartige Démarche, wie ein solcher Protest im Diplomatenjargon heißt, sei zwar „nicht üblich unter Europäern“, sagt Kalogeropoulos, aber „völliges Neuland“ sei dies nun auch wieder nicht. „Es war nur normal, dass ich mich als Vertreter Griechenlands in Berlin auf Anweisungen meiner Behörde ans Auswärtige Amt gewandt habe“, sagt er. Von wem er in Athen die Anweisung bekam, darüber schweigt er sich aus: „Mein deutscher Kollege in Athen würde einem griechischen Journalisten auch nicht erzählen, wer wem was wann gesagt hat.“

Deutschkurs in den Siebzigern - mit der "Deutschen Welle"

Ob sich Kalogeropoulos früher, vor Beginn des Griechenland-Dramas, jemals selber hat vorstellen können, dass das politische Klima zwischen Berlin und Athen eines Tages so eisig werden würde? In der Lebensgeschichte des Diplomaten finden sich jedenfalls ein paar Hinweise darauf, dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen sehr komplex ist und aus griechischer Perspektive gelegentlich zwischen Bewunderung und Argwohn schwankt. Als Jugendlicher lernte der sprachbegabte Panos Französisch als erste Fremdsprache, aber dank der Sprachsendungen der „Deutschen Welle“, die in den Siebzigerjahren auch in Athen im Radio zu hören waren, eignete er sich schnell die deutsche Sprache an. Für jede erfolgreich bestandene Lerneinheit winkte ein Buchpreis, erinnert er sich. Er bekam damals einen solchen Preis zugeschickt, „mein erstes deutsches Buch“. Anschließend erhielt der Sohn eines Militärangehörigen Privatunterricht in der deutschen Sprache – was ihm 1985, als er an der griechischen Botschaft in Bonn seinen Dienst antrat, ermöglichte, deutsche Zeitungen zu entziffern. „Allerdings hatte ich damals noch etwas Schwierigkeiten mit dem Alltags-Deutsch“, erinnert sich Kalogeropoulos.

Bis 1990 blieb er in Deutschland. Die historische Phase zwischen der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum Jahrestag des Weltkriegsendes bis zur Wiedervereinigung, die Kalogeropoulos seinerzeit hautnah miterlebte, resümiert er heute so: „Ich habe schon damals die Energie der politischen Klasse in Deutschland gespürt.“ Zwar hätten noch die „Konventionen der Nachkriegszeit“ geherrscht, und es sei zu spüren gewesen, dass den Deutschen „die Hände gebunden gewesen“ seien. „Und es gab da dieses Potenzial, das noch nicht freigesetzt war.“

Kalegeropoulos stört die "Härte" deutscher Politiker in der Griechenland-Krise

Als Kalogeropoulos im vergangenen Dezember – diesmal als Botschafter – wieder nach Deutschland zurückkehrte, muss er sich gefühlt haben wie in einem neuen Land. Kaum hatte er seinen neuen Posten angetreten, ging die Debatte über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone los. „Was mich wirklich beeindruckt hat, ist die Härte der Erklärungen und die Härte der Positionen“, umschreibt er vorsichtig die Tatsache, dass der „Grexit“ in der Regierungsmeile längst zur denkbaren Option geworden ist. Kalogeropoulos stört sich an der Vehemenz, mit der deutsche Politiker gelegentlich Reformfortschritte in seiner Heimat anmahnen. Es gebe da „eine Art der kategorischen Formulierungen“ die ihn aufhorchen lasse, sagt er.

"Eskalation, bei der ein Autopilot eingeschaltet wurde"

Kalogeropoulos wirkt nachdenklich, als er das sagt. Er befürchtet, dass im deutsch-griechischen Verhältnis „jetzt gerade eine Eskalation abläuft, bei der ein Autopilot eingeschaltet wurde“. Auch trotz des täglichen Hickhacks zwischen Berlin und Athen hat Kalogeropoulos nicht verlernt, in großen historischen Linien zu denken. So erinnert er daran, dass es Griechenland war, das der jungen Bundesrepublik die Hand reichte und Theodor Heuss 1956 nach Athen einlud: „Es war das allererste Land nach dem Zweiten Weltkrieg, das den Bundespräsidenten empfangen hat.“
Und manchmal hilft ja auch ein Witz, um die Lage zu entspannen. Was also hält Kalogeropoulos davon, dass vor einigen Wochen ein Athener Gesuch auf Verlängerung der Milliardenhilfen in einem Papier der Bundesregierung als „trojanisches Pferd“ verunglimpft wurde? Die Antwort des Diplomaten lautet so: „Wir sind immer zufrieden, wenn die Menschen an die griechische Mythologie und das griechische Erbe denken.“

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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