Flüchtlinge in Sachsen: Dresdner Polizeichef: Willkommensfest war Provokation
Eine Willkommensaktion für Flüchtlinge ist in Dresden nicht selbstverständlich, sondern wäre aus Sicht der Polizei besser unterblieben.
In Dresden hat der Revierchef der Polizei im Stadtteil Prohlis, Uwe Waurich, Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker gegen sich aufgebracht. In einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" machte er die Flüchtlingsinitiativen dafür verantwortlich, dass es am 9. Oktober bei einer Willkommensaktion für Asylsuchende zu Krawallen kam, in deren Verlauf die Dialogveranstaltung von alkoholisierten Randalierern und Rechtsextremen nicht nur attackiert, sondern sogar gesprengt worden war. Waurich hatte erklärt: "Diese Krawalle hätten verhindert werden können. Wir haben den Organisatoren des Willkommensfestes von der Veranstaltung abgeraten, denn es war absehbar, dass etwas passiert. Für die Asylgegner im Stadtteil war das eine Provokation."
In einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief verwahrt sich das Bürgerbündnis "Flüchtlingshilfe Südost" gegen die Äußerungen des Polizeioberrats. Jene Menschen, die Verantwortung für eine Deeskalation, Verständigung und Dialog im Stadtteil übernehmen, würden so "öffentlich diffamiert", heißt es in dem Schreiben. "Ihre öffentliche Aussage trägt zudem dazu bei, eine Spaltung der Bevölkerung, wie wir sie gegenwärtig in Dresden erleben, zu untermauern." Der Brief wurde auch von mehreren Kommunalpolitikern von SPD, CDU und Grünen, kirchlichen Mitarbeitern und Wissenschaftlern unterzeichnet.
Die Polizei Sachsen ließ Fragen zur Argumentation des Prohliser Revierchefs vergangene Woche zunächst unbeantwortet. Am Montagabend dann teilte der Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Geithner, auf Tagesspiegel-Anfrage mit, dass sich Waurich an diesem Dienstag beim Dresdner Polizeipräsidenten Dieter Kroll zu seinem Interview äußern werde. "Das ist ein Gebot der Fairness", erklärte Geithner. Anschließend werde Kroll Fragen zu seinem Interview und zur Kritik des Bürgerbündnisses beantworten.
Das Bürgerbündnis argumentiert, nur auf dem Weg des Dialogs, mit Information und Diskussion könne der soziale Frieden in Dresden gewahrt werden. Es stellte dem Leiter des Polizeireviers die Frage, warum er so wenig getan habe, um die aus seiner Sicht absehbaren Krawalle zu verhindern. "So war seitens des Reviers Süd zunächst nur ein einziger Polizeibeamter anwesend, um die Veranstaltung abzusichern. Es kamen erst weitere Beamte hinzu, als die Initiatoren der Veranstaltung bereits angegriffen wurden. Und auch diese wenige Beamten konnten Übergriffe mit Flaschen und Pyrotechnik und andere gewalttätige Störungen nicht verhindern."
Auch eine weitere Interview-Aussage von Waurich verärgert die "Flüchtlingshilfe Südost" mächtig - die nämlich, dass die Fronten auf beiden Seiten verhärtet seien. Das Bündnis schreibt dazu: "Wir setzen uns für Verständnis und Toleranz gegenüber allen Menschen ein. Wir sehen uns nicht an einer ,Front' stehend, sondern wir stehen in der Mitte der Gesellschaft und arbeiten für die Erhaltung unserer freiheitlich demokratischen Werte."
Grüne: Polizeichef vertauscht Täter- und Opferrollen
Benjamin Schöler, Koordinator der bei der Caritas angebundenen "Flüchtlingshilfe Südost", sagte dem Tagesspiegel, es sei den Organisatoren der Dialogveranstaltung bewusst gewesen, dass die Stimmung im Stadtteil vor der Ankunft von Flüchtlingen aufgeladen sei. "Wir hatten nicht die Absicht, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen." Für die überwiegend älteren Teilnehmer der Diskussion sei durch die offensichtlichen Fehler beim Polizeieinsatz eine "unendlich gefährliche Situation" entstanden. "Es ist ein Wunder, dass niemand verletzt wurde. Die Polizei hat uns schutzlos dastehen lassen."
Natürlich ist eine Demonstration eine "Provokation" - sie fordert heraus, einen anderen Standpunkt kennenzulernen und den eigenen Standpunkt zu überdenken. Jenseits von organisatorischen und logistischen Modalitäten darf es keinerlei Einschränkung des Demonstrationsrechts geben.
schreibt NutzerIn roy_mueller
Die Sprecherin der Dresdner Grünen, Susanne Krause, warf Waurich vor, in dem vergangene Woche erschienenen Zeitungsinterview bewusst Täter- und Opferrollen zu vertauschen. Der Prohliser Polizeichef schiebe Menschen, die sich für Willkommenskultur und friedliches Miteinander in Prohlis eingesetzt haben, die Schuld für die Krawalle rechter Hetzer und Gewalttäter in die Schuhe. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Hilfsbereitschaft und ein friedliches Gesprächsangebot einer kleinen Gruppe von Menschen als Provokation für Asylgegner hingestellt werden", wurde Krause von der "Sächsischen Zeitung" zitiert. "Wir brauchen eine engagierte Polizei in Prohlis, die sich eindeutig mit Demokratie und Rechtsstaat identifiziert, anstatt vor Bedrohungen aus dem Kreis der sogenannten ,besorgten Bürger‘ zurückzuweichen."
Die Willkommensaktion der "Flüchtlingshilfe Südost" gemeinsam mit dem Netzwerk "Prohlis ist bunt" am 9. Oktober war von einem rechten Mob massiv gestört worden. Eine Menge von rund 120 Rechtsradikalen riss, wie damals der MDR berichtete, ein Plakat ab, es folgten Böllerwürfe, später Flaschen und Steine. Als die Polizei die rechten Demonstranten abdrängte, wurden auch die Sicherheitskräfte mit Gegenständen beworfen. Die Netzwerke hatten in Prohlis nach einem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft zum Dialog aufgerufen und ihre Kundgebung unter das Motto "Herz statt Hetze" gestellt. Auf Facebook schrieben sie, Ziel sei ein klares Signal, dass Hetze Rechtsextremer nicht unwidersprochen bleibe.