Kurden fordern Rache: Dreifachmord torpediert Verhandlungen mit PKK
Gerade erst haben die Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK begonnen, da werden sie von einem Mord an kurdischen Aktivistinnen in Paris gefährdet. So ein Sabotageakt ist sowohl von türkischen als auch von kurdischen Hardlinern denkbar.
Der Mord an drei kurdischen Aktivistinnen in Paris gefährdet die gerade erst begonnenen Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und den Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Ihre Anhänger schworen am Tag nach dem Dreifachmord an PKK-Mitbegründerin Sakine Cansiz und zwei weiteren Aktivistinnen in der französischen Hauptstadt Rache an Ankara. Auch in der Türkei gingen die Kurden auf die Straße. Die Hoffnungen auf Frieden nach fast 30 Jahren des Kurdenkrieges haben einen schweren Dämpfer erhalten.
Nach ersten Ermittlungsergebnissen der französischen Polizei hatten Cansiz und die beiden anderen Opfer, Fidan Dogan und Leyla Söylemez, am Mittwochabend ihren Mördern möglicherweise selbst die Tür zum Kurdischen Informationszentrum in Paris geöffnet. Die linksliberale spanische Zeitung „El País“ (Madrid) schrieb am Freitag: „Alles deutet darauf hin, dass das Mordattentat mit den jüngsten Friedensgesprächen zu tun hat, die die türkische Regierung mit dem inhaftierten Chef der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, eingeleitet hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass in der PKK interne Rivalitäten gewaltsam ausgetragen werden.
Mittlerweile sind die drei Frauen obduziert worden; sie sind mit jeweils mehreren Kopfschüssen getötet worden. Einem der Opfer sei vier Mal in den Kopf geschossen worden, den anderen beiden Frauen je drei Mal, verlautete am Freitag nach der Autopsie der Leichen aus Justizkreisen. Offenbar verwendeten die Täter Waffen mit Schalldämpfern. Die Leichen der Opfer wurden erst in der Nacht entdeckt, nachdem sich Bekannte der Frauen Sorgen um ihren Verbleib gemacht hatten. Von den Tätern fehlt jede Spur. Vor dem Kurdischen Zentrum versammelten sich am Donnerstag mehrere tausend Kurden und forderten „Rache“ an der Türkei, wie die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF meldete. Zübeyir Aydar, ein prominenter PKK-Vertreter in Westeuropa, nannte Kräfte im türkischen Staatsapparat als mögliche Täter. Die Morde seien gegen die derzeit laufenden Verhandlungen zwischen Ankara und dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan gerichtet.
Gültan Kisanak, die Ko-Vorsitzende der legalen Kurdenpartei BDP, sprach von einem „schwerwiegenden politischen Verbrechen“. Der Dreifachmord sei eine „Falle“, um die Lösung des Kurdenkonflikts zu verhindern. Kisanak bezeichnete die PKK-Mitgründerin Cansiz, die früher auch in Hamburg aktiv war und dort in Untersuchungshaft saß, als „Rosa Luxemburg der kurdischen Frauen“. Der BDP-Politiker Sirri Sakik sagte, die drei Kurdinnen seien von „Kugeln gegen den Frieden“ getötet worden.
In Ankara lenkte Erdogans Partei AKP den Blick auf die Möglichkeit einer internen Fehde innerhalb der PKK. Ähnliche Morde innerhalb der Rebellengruppe habe es schon häufiger gegeben, sagte AKP-Sprecher Hüseyin Celik. Es gebe aber auch die Möglichkeit, dass die Tat ein Sabotageakt gegen die Friedensgespräche gewesen sei. BDP-Chefin Kisanak warf Celik vor, mit dem Hinweis auf eine PKK-interne Abrechnung die tatsächlichen Mörder schützen zu wollen.
Wer die drei Frauen ermorden ließ, wird wohl nur schwer zu ermitteln sein – beide Seiten haben im Kurdenkonflikts schon zur Gewalt gegriffen, um Vermittlungsbemühungen zu torpedieren. Kendal Nezan, der Leiter des angesehenen Kurdischen Instituts in Paris, sagte nach einem Bericht der türkischen Zeitung „Hürriyet“, Sabotageakte seien sowohl von türkischen als auch von kurdischen Hardlinern denkbar.
Susanne Güsten
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