Einwanderung in die USA: "Dreamer" verlieren ihr Aufenthaltsrecht
Donald Trump macht sein Wahlversprechen wahr: Die Kinder von illegal in die USA Eingereisten, "Dreamer" genannt, werden abgeschoben.
Paola Rodriguez hat die Schule abgeschlossen und eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolviert. Wie Millionen andere junge Leute in den USA will sich die 19-Jährige aus Texas auf ihr Berufsleben vorbereiten – doch Rodriguez muss befürchten, schon in wenigen Monaten nach Mexiko abgeschoben zu werden, in ein Land, das sie zuletzt als fünfjähriges Kind gesehen hat. Die junge Frau gehört zu den rund 800000 „Dreamers“ – „Träumern“ – in den USA: Kinder illegaler Einwanderer, die als Minderjährige mit ihren Eltern nach Amerika kamen und die bisher bleiben durften. Präsident Donald Trump ändert das nun.
„Ich betrachte mich als Amerikanerin“, sagte Rodriguez dem Fernsehsender ABC7 in Texas. Die Vorstellung, aus dem Land geworfen zu werden, komme ihr „irreal“ vor. Doch dies könnte nun Wirklichkeit werden: Trump hatte im Wahlkampf die Abschaffung des Schutzes für die jungen Einwanderer angekündigt.
Nun will der Präsident den Abschiebeschutz nach einer Übergangsfrist abschaffen. Aufenthaltsgenehmigungen für „Dreamers“ sollen ab März kommenden Jahres nicht mehr verlängert werden; neue Anträge werden ab sofort nicht mehr angenommen. Zugleich ruft Trump den Kongress auf, in den kommenden Monaten eine neue Lösung für die „Dreamers“ zu finden, die seit einer gescheiterten Gesetzesinitiative für die minderjährigen Immigranten so genannt werden. Der Kongress solle seine Arbeit tun, forderte Trump am Dienstag per Twitter.
Mit der Übergangszeit zieht sich der Präsident aus der Affäre, ohne selbst die grundsätzliche Entscheidung über die „Dreamers“ treffen zu müssen: Er überlässt das Thema den Abgeordneten und Senatoren und wäscht seine Hände in Unschuld. Dabei könnte er selbst mit einem Federstrich Klarheit schaffen. Sein Vorgänger Barack Obama hatte den Schutz für die „Dreamers“ im Jahr 2012 mit einem Präsidialdekret verfügt, das von Trump ohne Parlamentsbeteiligung aufgehoben werden könnte, so wie er es vor der Wahl versprochen hatte.
Plötzlich entdeckte Trump seine Liebe zu den "Dreamers"
Doch Trump, der sich sonst bei jeder Gelegenheit als knallharter Kämpfer gegen die illegale Einwanderung präsentiert, wird beim Thema „Dreamers“ plötzlich kamerascheu. Die Verkündung der neuen Regelung am Dienstag überließ er seinem Justizminister Jeff Sessions. Dieser warf bei der Verkündung des neuen Plans den „Dreamers“ vor, US-Bürgern Arbeitsplätze wegzunehmen. Fragen von Journalisten ließ Sessions nicht zu.
Kritiker nennen Trump einen Feigling. Das angesichts seiner harten immigrantenfeindlichen Wahlkampfparolen merkwürdig defensive Vorgehen hat mehrere Gründe. So gibt der 71-Jährige offen zu, dass ihm das Schicksal von mehreren hunderttausend unschuldigen jungen Menschen, die zu illegalen Einwanderern erklärt und abgeschoben werden sollen, nahe geht. Er liebe die „Dreamers“, sagte er noch vergangene Woche. Ein gnadenloser Rauswurf der überwiegend aus Lateinamerika stammenden „Dreamers“ dürfte die Bemühungen von Trumps Republikanern um hispanische Wähler weiter erschweren.
Doch Trump will andererseits seine immigrantenfeindliche Kernanhängerschaft nicht vergrätzen. Mehrere Staatsanwälte in konservativ regierten Bundesstaaten wollen gegen die „Dreamers“-Duldung vor Gericht ziehen, wenn Trump sie nicht abschafft. Auch rechtspopulistische Mitarbeiter Trumps wie Berater Stephen Miller drängen auf ein Ende des Bleiberechts. Der Präsident habe deshalb laut „New York Times“ seinen Stabschef John Kelly gebeten, einen „Ausweg“ aus seinem Dilemma zu finden. Kelly riet ihm, die Angelegenheit auf den Kongress abzuwälzen.
Bestehende Konflikte innerhalb der Republikaner werden verschärft
Das hat seinen Preis. Trumps Manöver verschärft bestehende Konflikte innerhalb seiner Republikaner, was die Handlungsfähigkeit der Mehrheitspartei weiter einschränken könnte. Führende Republikaner wie Paul Ryan, Präsident des Repräsentantenhauses, und Wirtschaftsvertreter fordern, die „Dreamers“ sollten nicht abgeschoben werden. Doch rechtsgerichtete Republikaner bestehen auf einer Umsetzung von Trumps Wahlversprechen.
Schon jetzt machen einwanderungspolitische Hardliner klar, dass sie einer dauerhaften Duldung der „Dreamers“ nur zustimmen werden, wenn die Regelung mit anderen Maßnahmen verbunden wird, etwa mit der Bereitstellung von Haushaltsmitteln für den Bau von Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko. Dies wiederum wollen die oppositionellen Demokraten nicht mitmachen. Derzeit weiß niemand, wie eine konsensfähige Lösung aussehen könnte.
Thomas Seibert