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Die Deutschen werden Mario Draghi nie verstehen, aber das interessiert den EZB-Präsidenten nicht.
© Olivier Hoslet/dpa

Bundesverfassungsgericht: Draghis Wette geht auf

Die EZB-Geldpolitik ist ein Erfolg, das kann auch Karlsruhe mit seinem Vorlagebeschluss beim Europäischen Gerichtshof nicht verhindern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Auch wenn sich Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, mit seiner Geldpolitik in Deutschland bisher wenig Freunde gemacht hat, müsste man ihn zum Ehrenbürger Europas ernennen. Denn ohne seine „Whatever it takes“-Rede von 2012, in der er versprach, den Euro mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen, und der daraus resultierenden Geldpolitik aus Niedrigzinsen und einem Anleihekaufprogramm mit Billionenvolumen gäbe es die Gemeinschaftswährung in ihrer bisherigen Form nicht mehr.

Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht wegen mehrerer Verfassungsbeschwerden gegen das Anleihekaufprogramm nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet, weil es „gewichtige Gründe“ für die Vermutung gebe, dass die EZB auf diese Weise Staatsfinanzierung betreibe, was von ihrem Mandat nicht gedeckt sei.

Der Beschluss aus Karlsruhe ist in mehrfacher Hinsicht absurd. Es stimmt zwar, dass die Finanzierungskosten der Staaten durch Draghis Geldpolitik deutlich gesunken sind, seine Intention war aber nicht, die Zinslast der Mitgliedsländer zu senken, sondern eine drohende Deflation zu verhindern, die Preise zu stabilisieren und ihr Inflationsziel von knapp zwei Prozent zu erreichen. Genau das ist aber die Aufgabe einer Notenbank.

Draghi ist dabei, seine Ziele zu erreichen

Und wie es im Moment aussieht, ist der italienische Notenbankchef dabei, seine Ziele zu erreichen. Und alle profitieren davon. Ohne die niedrigen Zinsen hätte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seine „schwarze Null“ niemals so schnell erreicht, der haushaltspolitische Spielraum der Bundesregierung wäre wesentlich geringer.

Verbraucher, Häuslebauer und Unternehmer durften sich nicht nur in Deutschland über günstige Kredite freuen. Zunächst kurbelten die Maßnahmen den Konsum an. Das sorgte dieses Jahr in ganz Europa für Wachstum, selbst beim ewigen Sorgenkind Griechenland, dessen Wirtschaft 2016 noch stagnierte. Nach aktuellen Umfragen mehren sich die Anzeichen, dass nun auch die Unternehmen bereit sind, mehr Kredite aufzunehmen und zu investieren. Dadurch könnte sich der Aufschwung in der Euro-Zone, der jetzt seit 17 Quartalen anhält, weiter verstetigen. Auch die Arbeitslosenzahlen sind positiv. In den vergangenen zwölf Monaten haben 1,6 Millionen Menschen, die zuvor arbeitslos waren, einen neuen Job gefunden.

Die EZB kann also, wie geplant, ihr Anleihekaufprogramm im Dezember dieses Jahres beenden. Dadurch erledigen sich dann de facto auch die Verfassungsbeschwerden, denn der EuGH wird erst im kommenden Jahr über die Vorlage des Bundesverfassungsgerichts entscheiden. Selbst wenn man dann anschließend in Karlsruhe zu dem Schluss käme, dass das Anleihekaufprogramm der EZB gegen das Grundgesetz verstößt, ließen sich die Anleihekäufe in Höhe von mehr als 1,9 Billionen Euro nicht rückabwickeln.

Die Beschwerdeführer, darunter AfD-Gründer Bernd Lucke, CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Berliner Professor Markus Kerber, könnten sich dann höchstens noch darüber freuen, dass sie die Euro-Zone hätten zerstören können, wenn die Mühlen der Justiz etwas schneller gemahlen hätten.

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