Gesundheitsreform des US-Präsidenten: Donald Trumps Mogelpackung
Die Republikaner sind mit ihren Reformplänen gescheitert. Ihre Mehrheit besteht nur auf dem Papier. Jetzt soll Obamacare ersatzlos verschwinden. Ein Kommentar.
Trumps Wahlkampf verdankte seine emotionale Wucht drei Kernversprechen: Hillary Clinton ins Gefängnis („Lock her up!“), Masseneinwanderung aus Lateinamerika drosseln („Build the Wall!“) und Barack Obamas Gesundheitsreform durch eine preiswerte Gegenreform ersetzen („Repeal and replace Obamacare!“). Nach sechs Monaten Amtszeit sind alle drei Vorhaben gescheitert.
Die Republikaner sind uneinig, was sie statt Obamacare wollen
Hillary einkerkern, das war immer eine Luftnummer. Zig Milliarden Dollar für eine 3200 Kilometer lange Mauer will der Kongress nicht ausgeben, es wäre Geldverschwendung. Für eine erneute Gesundheitsreform kann Trump die auf dem Papier vorhandene Kongressmehrheit der Republikaner nicht mobilisieren. Das war vorherzusehen und ist im Senat nun offensichtlich geworden.
Die Erzkonservativen wollen keine Einmischung des Staats in die Krankenversicherung. Sie soll dem Markt überlassen bleiben. Die Moderaten verstehen, dass man nicht 25 bis 30 Millionen Bürgern die minimale Absicherung, die Obama ihnen gab, wieder nehmen kann.
Die Gouverneure in den Einzelstaaten haben eigene Interessen
Hinzu kommen die Interessen der republikanischen „Landesfürsten“. Ihre Gouverneure in 37 von 50 Einzelstaaten wollen nicht mit dem Problem allein gelassen werden, „Medicaid“ zu finanzieren: die Grundversorgung der Unversicherten. Seit Obama gibt der Bund den US-Staaten Milliarden dafür.
Diese Positionen liegen so weit auseinander, dass ein Kompromiss schwer vorstellbar war. Um eine gemeinsame Reform mit den Demokraten, die handwerkliche Fehler von Obamacare und Ursachen für die Preissprünge bei den Prämien korrigiert, haben sich die Republikaner nie bemüht.
Die List des Sozialstaats
Außerdem hat sich erneut erwiesen: Ideologie und Praxis stehen auf Kriegsfuß. In der Theorie halten Amerikaner wenig vom Sozialstaat. Aber wenn sie sich an eine sozialstaatliche Leistung gewöhnt haben, wollen sie sie nicht mehr missen. So war es mit der Grundrente (Social Security, seit 1935) und der staatlichen Gesundheitsversorgung der Senioren (Medicare, seit 1965). So ist es nun mit Obamacare. 50 Prozent finden Obamacare gut; nur halb so viele wollen „Trumpcare“.
Das Scheitern bedeutet freilich nicht, dass Trump nachgibt. Erstens braucht er die angeblichen Einsparungen in dreistelliger Milliardenhöhe, um ein anderes Wahlversprechen zu finanzieren, die Steuerreform. Sie läuft im Wesentlichen auf eine Entlastung der Vermögenden und der Wirtschaft hinaus. Zweitens passt Aufgeben nicht zu Trumps Naturell.
"Replace" entfällt, es bleibt nur noch "repeal"
Nun wird Plan B propagiert. Der Kongress soll Obamacare ersatzlos abschaffen, dieser Beschluss aber erst in zwei Jahren in Kraft treten, um in der Zeit mit den Demokraten eine Ersatzreform zu beschließen. Das ist eine Mogelpackung. Die Republikaner wissen: Wenn sie Obamacare sofort im Alleingang abschaffen, würde sie der geballte Zorn der Wähler bei der Kongresswahl im November 2018 treffen. Die wollen sie gewinnen und danach den Demokraten die Schuld zuschieben, dass es mit dem Ersatz für Obamacare nicht geklappt hat. Die umgekehrte Variante – die Abschaffung tritt erst in Kraft, wenn eine neue Reform beschlossen ist – wollen die Republikaner nicht; denn dann läge der Druck auf ihnen. Deshalb wird auch Plan B mutmaßlich scheitern.