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Wahlkampf bis zum Schluss: US-Präsident Donald Trump vor Anhängern in Tennessee.
© Nicholas Kamm/AFP

Midterm-Wahlen in den USA: Donald Trump ist beliebter, als wir wahrhaben wollen

Zur Hälfte der Amtszeit ihres Präsidenten sind die Amerikaner zur Wahl aufgerufen. Was bedeuten die Midterms für Deutschland? Ein Kommentar.

Selten haben die Deutschen bei amerikanischen Kongresswahlen so mitgefiebert wie in diesen Wochen. Wie werden sich die US-Wähler entscheiden? Die meisten Beobachter diesseits des Atlantiks hoffen, dass sie zur vermeintlichen Einsicht kommen. Sie sollen dem „Unhold“ in Washington endlich Fesseln anlegen. Indem sie den Demokraten die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verschaffen – und am besten im ehrwürdigen Senat auch noch. Dann wäre es endlich vorbei mit den Willkürentscheidungen eines Mannes, der mit seinen ungehobelten Auftritten die Welt vor sich hertreibt.

Eine trügerische Hoffnung. Zum einen ist hochgradig ungewiss, wie die Abstimmung heute Nacht wirklich ausgeht. Zwar rechnen die Demoskopen damit, dass die Demokraten zumindest das Abgeordnetenhaus erobern, doch die Daten sind wackelig. Dieser Präsident kommt bei seinen Landsleuten besser an, als wir aus der Ferne wahrhaben wollen.

Die allermeisten finden, dass die Wirtschaft gerade perfekt auf allen Zylindern läuft. Seine raue Außenpolitik, vor allem gegenüber China, wird selbst von seinen Gegnern unterstützt. Erstmals bescheinigen ihm Umfragen, dass er beliebter ist als sein Vorgänger Barack Obama. Unermüdlich jagt Donald Trump durchs Land, um auch noch im letzten umkämpften Staat den Sieg zu sichern. Eine ähnliche Galionsfigur haben die Demokraten nicht – Obamas Wahlkampfeinsätze werden nur von einer Minderheit begrüßt.

Demokraten könnten hässliche Zankerei entfachen

Zum anderen aber würde selbst ein Sieg der Trump-Gegner die Amerikaner nicht beruhigen, und schon gar nicht den Präsidenten. Die Demokraten würden mit einer noch nie da gewesenen parlamentarischen Offensive versuchen, dem verhassten Gegner das Regieren schwer zu machen und eine überaus hässliche Zankerei entfachen.

Die Zustände an der Heimatfront würden den bedrängten Staatschef dazu treiben, seine Siege andernorts zu erkämpfen: Er würde noch mehr mit Erlassen am Parlament vorbeiregieren als ohnehin schon. Und er würde noch mehr versuchen, mit einer konfrontationsträchtigen Außenpolitik bei Joe Sixpack zu punkten. Schon jetzt juckt es Trump, seinen kundigen Verteidigungsminister Jim Mattis zu feuern, der ihm als zu bündnistreu gilt. Er könnte seiner Nato-Skepsis Taten folgen lassen und den Rückzug der Amerikaner von der Allianz vorbereiten. Nicht nur der Präsident, auch seine Klientel ist ja von dem Gedanken beseelt, dass Amerika keine Alliierten braucht, weil es mächtig genug sei.

Trumps Unverständnis für Deutschland ist riesig

Noch mehr Brechstangen-Diplomatie würde indes nichts Gutes für Deutschland bedeuten. Dieser Präsident macht kein Hehl daraus, dass er mit den Deutschen wenig anfangen kann. Hat er ihnen gar insgeheim den Krieg erklärt, wie der frühere US-Botschafter Richard Burt meint?

Sein Unverständnis jedenfalls ist riesig. Die Kanzlerin? Falsche Ideen, eine christliche Sozialistin. Die Industrie? Jedes verkaufte deutsche Auto ein Anschlag auf die Männer des Rust Belt. Die Energiepolitik? Die Deutschen legen sich mit den Russen ins Bett. Und dann weigern sie sich auch noch, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen – unerhört! Dabei sind sie doch abhängig von der amerikanischen Abschreckungspolitik.

Seine Waffen hat Donald Trump schon gezeigt: Zölle. Sie treffen auch die deutsche Industrie. Die nächsten Jahre könnten also noch ungemütlicher werden. Da ist man schon fast versucht, Trump den Sieg zu wünschen.

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