Amerikas Waffengesetze: Donald Trump - ein letztes Aufbäumen
Ist der Rechtspopulismus eine kulturelle Gegenbewegung, die immer mächtiger wird? Vieles spricht für eine andere These: Er ist eine Art postmortale Erektion. Ein Kommentar.
In der Medizin gibt es das Phänomen der postmortalen Erektion. Das ist, wissenschaftlich betrachtet, nichts Ekliges. Es tritt überwiegend bei Männern auf, die erhängt oder in den Kopf geschossen wurden. Es erklärt sich durch einen Blutstau. Forensiker können daraus auf mögliche Todesursachen schließen. Bei Frauen spricht man von postmortalem Klitorismus.
US-Präsident Donald Trump empfiehlt als Mittel gegen Schulmassaker die Bewaffnung von Lehrern. Eine solche Argumentation gehört zum festen Repertoire der Waffenlobby. Eine andere heißt: Nicht Waffen töten, sondern Menschen töten. Tausendmal gehört, tausendmal den Kopf geschüttelt.
Es gibt viele solcher Sätze, die sich überlebt haben. Man hört sie noch hier und da, aber ihnen klebt etwas Exotisches, Fernes, Vergangenes an. „Frauen sollen nicht wählen dürfen“, „Homosexualität ist ein Verbrechen", „Nur Frauen und Männer können heiraten“, „Muslime sind eine Gefahr für die Demokratie“, „Masturbation ist gesundheitsschädlich“.
Einige davon sind wieder lauter zu hören als früher. Das liegt am Rechtspopulismus. Viktor Orban, Marine Le Pen, Donald Trump, Geert Wilders. Sie proben den Aufstand gegen den Liberalismus. Sie nähren die Sehnsucht nach einem Gestern, das zwar unwiederbringlich in der Vergangenheit liegt, aber desto stärker als etwas Wertvolles gefühlt wird. Wie Erinnerungen an eine schöne Kindheit, die erste Liebe, die Hochzeit, das erste Kind.
Ist der Rechtspopulismus eine kulturelle Gegenrevolution, die immer stärker wird? Einiges spricht dafür – die politische Entwicklung in Ungarn, Polen, Skandinavien, Österreich, der Wahlerfolg von Trump. Aber er könnte auch ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen gegen die Großtrends unserer Zeit sein, gegen Emanzipation, Liberalismus, Globalisierung, Selbstbestimmung. Ist der Rechtspopulismus eine Art postmortale Erektion?
Trumps Wahlsieg ist die Ausnahme von der Regel
Ein Blick in die USA: Dort werden seit vielen Jahren mehr nicht-weiße als weiße Babys geboren. Alle vier Jahre wird die Wählerschaft zwei Prozent weniger weiß und zwei Prozent mehr multiethnisch. Zwischen 2000 und 2010 stieg die Zahl der „Asian Americans“ um 43 Prozent, der „African Americans“ um 12 Prozent, der „Hispanics“ um 43 Prozent. Junge Menschen, Frauen, Latinos und Schwarze wählen überwiegend demokratisch. Bei Themen wie Zuwanderung, Integration, gleichgeschlechtliche Ehe, Legalisierung von Marihuana, schärfere Waffengesetze, Todesstrafe, Sterbehilfe verhält sich diese Wählergruppe sehr liberal. Weil sie immer größer wird, gewinnen die Demokraten, bei gleichbleibendem Wahlverhalten, alle vier Jahre 1,7 Prozentpunkte hinzu.
Die Wahl Trumps ließe sich als schlagendes Gegenargument deuten. Doch plausibler ist es, sie als Ausnahme von der Regel zu verstehen. Begünstigt wurde dessen Sieg einerseits durch eine sehr schwache Gegenkandidatin, Hillary Clinton, andererseits durch das System der Wahlmänner. Zu Trumps treuesten Wählern zählen weiße, männliche Evangelikale. Doch die Kirchenbindung, besonders bei weißen Protestanten, lässt in den USA stark nach. Vor fünfzig Jahren fühlten sich noch zwei Drittel der erwachsenen Amerikaner einer protestantischen Kirche verbunden, heute sind es weit weniger als die Hälfte. Die Zahl der Zugehörigen zu einer anderen Gemeinschaft, der sogenannten „Nones“, die sich zu keinem religiösen Glauben bekennen, steigt dagegen rapide an. Vor fünfzig Jahren charakterisierten sich noch sieben Prozent der Amerikaner als „Nones“, heute sind es, laut Umfrageinstitut Pew, zwanzig Prozent.
Zwei Drittel der Amerikaner sind inzwischen für striktere Waffengesetze. Wieder sind es vor allem Jugendliche, die gegen eine unselige Tradition protestieren. Trump und die Seinen halten dagegen, liebäugeln mit allenfalls kosmetischen Korrekturen. Am Ende werden sie verlieren.