Ukraine und Deutschland: Diplomatischer Eklat in Kiew
Der deutsche Botschafter in der Ukraine hält Wahlen im Donbass auch in Anwesenheit russischer Truppen für denkbar. Ukrainische Politiker reagieren empört.
Eigentlich hatten die Ukraine und Deutschland am Dienstag Grund zum Feiern. Vor 25 Jahren hatten beide Länder diplomatische Beziehungen aufgenommen, Deutschland war sogar das erste Land, das in Kiew eine Botschaft eröffnete. Doch am Ende war beiden Seiten nicht mehr zum Feiern zumute. Es kam zu einem diplomatischen Eklat, der deutsche Botschafter in Kiew wurde ins ukrainische Außenministerium gebeten.
Auslöser für die Verstimmungen im deutsch-ukrainischen Verhältnis war ein Interview, das der deutsche Botschafter Ernst Reichel anlässlich des Jubiläums gegeben hatte. Darin äußert sich der Diplomat auch zu den Bemühungen, die Vereinbarungen von Minsk umzusetzen, die den Krieg in der Ostukraine beenden sollen. Deutschland und Frankreich vermitteln in dem Konflikt. Bisher konnten sich die Ukraine und Russland nicht einigen, in welcher Reihenfolge die Punkte des Abkommens umgesetzt werden sollen. Reichel sagte nun in dem Interview mit „RBK Ukraina“: „Es ist nicht zwingend, dass die Wahlen im Donbass erst dann stattfinden können, wenn dort keine russischen Truppen mehr sein werden oder wenn auf jeder Stadtverwaltung die ukrainische Fahne gehisst sein wird.“ Als historisches Beispiel nannte der Botschafter die letzten Wahlen in der DDR. Diese hätten schließlich in Anwesenheit sowjetischer Truppen stattgefunden.
Ukrainische Politiker reagierten empört. Zweimal habe es eine „Wahlfarce“ vor russischen Gewehrläufen gegeben, auf der Krim und im Donbass, das reiche, schrieb Außenminister Pawlo Klimkin auf Twitter. Die stellvertretende Parlamentspräsidentin Irina Gerastschenko sagte, mit solchen Erklärungen spiele der Botschafter dem „Besatzer“ Russland in die Hände. Reichel wurde zum Gespräch ins ukrainische Außenministerium gebeten. Ihm sei deutlich gemacht worden, dass es unzulässig sei, „Wahlen in den besetzten Gebieten des Donbass in Anwesenheit der russischen Besatzungstruppen“ abzuhalten, erklärte das Ministerium.
Erstmals indirekt Präsenz russischer Truppen zugegeben
Die Äußerung des Botschafters ist auch deshalb bemerkenswert, weil erstmals ein deutscher Diplomat öffentlich die Präsenz russischer Truppen in der Ostukraine als gegeben annimmt. Auch an anderer Stelle in dem Interview macht der Botschafter deutlich, dass die Ukraine nicht nur gegen Separatisten kämpft. „Ein militärischer Sieg im Donbass über Russland ist unmöglich.“ Bisher hat die Bundesregierung es sorgfältig vermieden, von einer Beteiligung russischer Soldaten zu sprechen. Antworten der Regierung auf entsprechende Fragen aus dem Bundestag sind als geheim eingestuft. Moskau bestreitet eine Beteiligung am Krieg in der Ostukraine. Doch Russland unterstützt die Separatisten nicht nur mit Waffen und Geld, sondern auch mit Kämpfern. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, sagte am Mittwoch, der Botschafter habe nicht regierungsamtlich bestätigt, dass es russische Truppen auf ukrainischem Territorium gebe, und er selbst werde das auch nicht tun. Zugleich stellte er sich hinter den Diplomaten. „Was der Botschafter gesagt hat, steht in keiner Weise im Widerspruch zu unserer politischen Haltung.“
Abgeordneter besprüht Mauer-Stück vor der Botschaft
Außerdem kritisierte der Sprecher die Protestaktion eines ukrainischen Abgeordneten auf dem Gelände der deutschen Botschaft. Alexej Gontscharenko, der dem Wahlblock von Präsident Petro Poroschenko angehört, hielt dort eine kurze Ansprache, bevor er zur Spraydose griff. Neben dem Eingang der Botschaft steht ein Fragment der Berliner Mauer. Diese sei ein „Symbol der Besatzung Europas durch den Kreml“, sagte der Abgeordnete und schrieb in roten Buchstaben „Nein!“ auf das Mauerstück. „Nein, Herr Botschafter. Es wird keine Wahlen im Donbass geben, während dort russische Besatzungstruppen sind.“