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Dietmar Woidke, SPD, Ministerpräsident von Brandenburg
© Thilo Rückeis TSP

SPD streitet um Kurs in Flüchtlingspolitik: Dietmar Woidke: Merkel muss Flüchtlingszahl verringern

"Wir schaffen das", sagt die Kanzlerin. Führende Sozialdemokraten aber sehen die Aufnahmekapazität erschöpft. Manchem Genossen gefällt das nicht.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, in der Flüchtlingskrise auf die Bremse zu treten. „Die Kanzlerin muss Wege aufzeigen, um die hohen Flüchtlingszahlen zu verringern“, sagte Woidke der „Rheinischen Post“. Das Asylrecht kenne zwar keine Obergrenzen. „Bei der Belastbarkeit der Länder und Kommunen gibt es aber faktische Grenzen und denen nähern wir uns rasant“, warnte er. Der Bund habe die Verantwortung und müsse endlich handeln, sagte der Sozialdemokrat.

Woidke dürfte mit diesen Äußerungen den innerparteilichen Streit der SPD in Sachen Flüchtlingspolitik weiter befeuern. Bereits am Wochenende hatte Fraktionschef Thomas Oppermann von Merkel des Eingeständnis verlangt, dass die Hilfskapazität Deutschlands sich Grenzen nähere. Die Kanzlerin müsse Führungskraft zeigen, erklärte er: "Dazu gehört es auch, deutlich zu sagen, dass mit einer Million Flüchtlinge in diesem Jahr unsere Möglichkeiten bei der Aufnahme nahezu erschöpft sind."

"Heute zeigt Merkel eine beeindruckende Führungsstärke"

Diese Töne gefallen nicht allen Genossen. Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration in der SPD, Aziz Bozkurt, nahm Merkel am Montag gegen Oppermanns Kritik in Schutz und warf dem Parteifreund Populismus vor. "Sozialdemokraten wie Thomas Oppermann, die die Stichworte der CSU aufnehmen, sollten endlich innehalten und den Verstand einschalten", sagte Bozkurt dem Tagesspiegel. Irgendwann sei die Grenze dessen erreicht, "was die sozialdemokratische Seele an Populismus aus den eigenen Reihen aushält".

Der Chef der Arbeitsgemeinschaft Migration lobte dagegen, die Kanzlerin habe "ein großes Herz" bewiesen. "Heute zeigt Merkel eine beeindruckende Führungsstärke indem sie nicht einknickt, wenn diejenigen, die hinter Umfragen herhecheln, aufschreien", sagte Bozkurt. Wer nun die Schwierigkeiten der Aufnahme von Flüchtlingen betone, werde damit nur "die rechten Schreihälse" bestärken. Zuvor hatten schon die Jusos vor CSU-Rhetorik innerhalb der SPD gewarnt. Sowohl die CSU wie auch Teile der CDU verlangen von Merkel einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik.

Anders als Merkel ("Wir schaffen das") hat auch SPD-Chef Sigmar Gabriel mehrfach vor einer Überforderung der Bundesrepublik in der Flüchtlingskrise gewarnt. "Wir nähern uns in Deutschland mit rasanter Geschwindigkeit den Grenzen unserer Möglichkeiten", sagte der Vizekanzler Ende vergangener Woche. Zwar kenne das Asylrecht keine Obergrenze, bei der Belastbarkeit der Städte und Gemeinden gebe es aber Grenzen. Gabriel nahm die Kanzlerin gegen den Vorwurf in Schutz, sie habe mit Öffnungssignalen den Zustrom verstärkt. "Das alles hat wenig mit Frau Merkel zu tun", sagte er.

Kritik und Beifall für den Innenminister

Hintergrund der sozialdemokratischen Hinweise auf die Belastungsgrenzen sind die massiven Probleme von Ländern und Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Es wirke frustrierend, dass Landräte und Bürgermeister die Probleme lösen müssten, während Merkel "die frohen Botschaften" verkünde, hieß es in der SPD. Zudem gibt es in der Parteispitze Befürchtungen, wonach die Stimmung der mehrheitlich aufnahmebereiten Deutschen kippen könnte, sobald der Eindruck entsteht, deutsche Bürger würden wegen der Hilfe für die Flüchtlinge benachteiligt. Gabriel warnt beharrlich vor einer Spaltung und davor, neue Sozialwohnungen oder Kitaplätze ausschließlich für Asylbewerber zu schaffen.

Tatsächlich scheinen viele Sozialdemokraten auch verunsichert dadurch, dass sie gegenüber der CDU-Chefin nicht mehr mit einer fortschrittlichen Integrations- und Asylpolitik punkten können. Während Vertreter der SPD-Linken Bundesinnenminister Thomas de Maizère für Vorschläge zu einem härteren Umgang mit Asylbewerbern attackieren, erhielt der CDU-Politiker vergangene Woche in einer Sitzung der SPD-Fraktion auch Applaus für die Pläne.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) und der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach beim Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ingelheim
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) und der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach beim Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ingelheim
© Christoph Schmidt/dpa

SPD-Strategen erwarten zudem, dass mit dem Zustrom von Flüchtlingen absehbare Verteilungskämpfe um Ausbildungsstellen oder schlecht qualifizierte Arbeitsplätze das eigene Wählermilieu treffen. So gibt es Erfahrungen, wonach Betriebsräte und Personalchefs von Betrieben zwar neue Ausbildungsplätze für Flüchtlinge bereitstellen wollen, Belegschaften darauf aber sehr kritisch reagieren.

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warnte am Montag vor "Schwarz-Weiß-Malerei" in der Flüchtlingskrise, Oppermanns Forderung an die Kanzlerin nahm sie nicht auf. Es sei allerdings "umso ärgerlicher", dass Merkel so lange gebraucht habe, um die seit Monaten vorliegenden SPD-Vorschläge zur Bewältigung der Flüchtlingskrise umzusetzen, sagte sie. Die CSU übe sich "in rechtspopulistischer Annäherung", kritisierte Fahimi. Dies sei "brandgefährlich".

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