Ex-Präsident Lula im Gefängnis: Dieser Häftling spaltet Brasilien
Der brasilianischen Demokratie stehen schwere Zeiten bevor. Die Inhaftierung von Lula da Silva, dem legendären Ex-Präsidenten, spaltet das Land. Ein Kommentar
Lula da Silva, Brasiliens legendärer Ex-Präsident, sitzt seit Samstag im Gefängnis. Es ist ein historischer Einschnitt für das Land, dessen Folgen noch nicht abzusehen sind. Zwei Erzählweisen stehen sich dabei gegenüber. Lulas Gegner aus der weißen Mittel- und Oberschicht sagen, dass die Gesetze für alle zu gelten hätten. Sie führen an, dass Lula in zweiter Instanz wegen Korruption verurteilt und seine Inhaftierung vom Obersten Gerichtshof genehmigt wurde. Hinter dieser legalistischen Argumentation verbergen sich oft Ressentiments gegen Lulas Arbeiterpartei und die Sozialpolitik der vergangenen Dekade. Aber das macht sie nicht grundsätzlich falsch. Der Rechtsstaat muss für alle gelten.
Genau hier liegt das Problem. Denn offensichtlich gilt er zwar für Lula, aber etwa nicht für Präsident Michel Temer. Der wurde schon zwei Mal von der konservativen Mehrheit im Parlament vor einem Zugriff der Justiz bewahrt. Es ist dasselbe Parlament, das vor zwei Jahren Präsidentin Dilma Rousseff unter lächerlichen Begründungen absetzte.
Man muss daher kein Verschwörungstheoretiker sein, um vom kalten Putsch gegen Rousseff eine direkte Linie zur Einsperrung von Lula zu ziehen. Zu den Wahlen im Oktober wird Lula nun voraussichtlich nicht antreten können. Die hätte er aber allen Umfragen zufolge gewonnen. Handelt es sich also um einen politischen Prozess, wie Lula behauptet?
Es ging nicht allein um den Kampf gegen die Korruption
Einiges spricht dafür: Auffällig ist etwa die ungewöhnliche Geschwindigkeit, mit der sein Fall behandelt wurde, und auch die Verbissenheit, mit der der Richter Sérgio Moro, Supermann der Rechten, den Ex-Präsidenten verfolgte, lässt daran zweifeln, dass es ihm allein um den Kampf gegen die Korruption ging.
In 13 Jahren an der Macht verhalf Lulas Arbeiterpartei (PT) Brasilien zu mehr Gerechtigkeit. Damit ist seit dem Sturz von Dilma Rousseff Schluss. Ihr Nachfolger Temer macht eine Politik, für die er keine Mehrheit hat. Er beschneidet Arbeitnehmerrechte, baut den Schutz von Minderheiten ab, privatisiert staatliche Firmen. Die Verurteilung Lulas sichert die Kontinuität dieses neoliberalen Programms ab.
Viele Brasilianer fühlen sich nun ihres Kandidaten beraubt. Und sehen ihre Ängste vor einer anti-demokratischen Wende bestätigt, seit der oberste Armeegeneral mit dem Eingreifen der Streitkräfte gedroht hat, falls Lula auf freiem Fuß bliebe. Der brasilianischen Demokratie stehen schwere Zeiten bevor.