Showdown beim Parteitag in Braunschweig: Diese Politiker wollen an die AfD-Spitze
Wer folgt Alexander Gauland – und was bedeutet das für den internen Zwist? Zwei Kandidaten haben besonders gute Aussichten auf den Job an der Spitze.
Einen ruhigen Wechsel an der Spitze der AfD wird es wohl nicht geben - das mussten sie in der Partei einsehen: Für die Neuwahlen des Bundesvorstands an diesem Wochenende in Braunschweig haben sich im Verlauf der vergangenen Woche immer mehr Bewerber gemeldet. Der amtierende AfD-Chef Jörg Meuthen und der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla haben dem Vernehmen nach die besten Aussichten auf die zwei Spitzenposten.
Aber der Ausgang von AfD-Parteitagen ist stets schwer vorhersehbar – und ein Showdown zeichnet sich ab. Am Ende könnte doch Alexander Gauland wieder ins Rennen gehen.
Eine Übersicht der wichtigsten Protagonisten:
Tino Chrupalla
Der sächsische Malermeister und Unternehmer ist Gaulands Wunschnachfolger. Die Hoffnung an der Parteispitze ist, dass er 44-Jährige als Identifikationsfigur für den Osten dienen kann. Führende AfD-Vertreter wie Fraktionschefin Alice Weidel bemühten sich in den letzten Wochen, seine Vorzüge herauszustellen. Immer wieder wird gelobt, dass Chrupalla als Vizefraktionschef die Finanzen der Fraktion aus dem Chaos befreit habe. Chrupalla selbst unterstreicht seine Kompetenz als Unternehmer.
Er wirbt dafür, dass die AfD sich stärker auf Wirtschaft, Mittelstand und Bildung konzentriert. Aber gegen ihn gibt es auch Einwände: Er sei zu unerfahren und bei den Mitgliedern im Westen viel zu unbekannt. Um gewählt zu werden, ist Chrupalla auf die Stimmen des radikalen „Flügels“ angewiesen. In den letzten Wochen schlug er zum Teil scharfe Töne an. So sagte er bei seiner Rede im Bundestag zum Tag des Mauerfalls über Kanzlerin Angela Merkel: „Ich bedaure, dass sie uns nicht verrät, welche Herrschafts- und Zersetzungsstrategien sie damals bei der FDJ gelernt hat.“
Gottfried Curio
Selbst einigen Parteifreunden ist der Mann unheimlich. Curio ist Physiker und Kirchenmusiker, gilt als hochintelligent und bedient mit seinen scharfen, migrationsfeindlichen Reden eine wachsende Fangemeinde im Netz. Von ihm stammt der Ausspruch: „Masseneinwanderung ist auch Messereinwanderung.“ Doch trotz seiner Beliebtheit an der Basis hat Curio kein Netzwerk.
In der AfD heißt es über ihn, er sei ein „einsamer Wolf“, spreche sich mit niemandem ab, schmiede keine Allianzen. Er gilt auch nicht als führungsstark oder fleißig. In der AfD-Spitze rechnen sie deshalb nicht mit einem Sieg Curios. Eine scharfe Rede könnte ihn dennoch ins Amt katapultieren. Seine Parteitagsreden studiert der 59-Jährige angeblich akribisch über Wochen vor dem Spiegel ein. Curio will höchstwahrscheinlich gegen Chrupalla antreten.
Jörg Meuthen
Der AfD-Chef steht seit 2015 an der Spitze der AfD und will nun innerhalb der Doppelspitze im Amt bestätigt werden. Doch der 58-Jährige sitzt allerdings weniger fest im Sattel als noch vor zwei Jahren. Er hat es sich mit Teilen des radikalen „Flügels“ verscherzt. Da war etwa seine Rede beim baden-württembergischen Landesparteitag in Heidenheim. „Wer hier seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausleben möchte, dem sage ich ganz klar: Sucht euch ein anderes Spielfeld für eure Neurosen!“, rief er – viele im „Flügel“ fühlten sich angesprochen.
Und als im Sommer etliche Funktionäre in einem „Appell der 100“ den Personenkult um Björn Höcke kritisierten, zeigte Meuthen Verständnis. In den Jahren zuvor hatte sich Meuthen dagegen stets mit dem „Flügel“ arrangiert. Wegen dieser Flexibilität und „Laviererei“ werfen ihm in der AfD einige vor, er sei ein Opportunist. Vor dem Parteitag sagte Meuthen, dass er mit Curio als Ko-Parteichef kooperieren würde und bezeichnete ihn als „Großmeister der sehr pointierten Formulierung.“ Dessen scharfe Reden scheinen ihn nicht zu stören.
Nicole Höchst
Die 49-jährige Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz erwägt offenbar gegen Meuthen anzutreten. Wirklich gefährlich werden dürfte sie ihm zwar nicht. Doch sie könnte dafür sorgen, dass Meuthen ein schlechtes Ergebnis einfährt. Hinter den Kulissen heißt es, etliche „Flügel“-Anhänger könnten ihr die Stimme geben, um Meuthen einen Denkzettel zu verpassen. Zu den Themen, mit denen sich die frühere Lehrerin als Abgeordnete beschäftigt, gehören Sexualaufklärung in der Schule und Digitalisierung im Bildungswesen.
Im vergangenen Jahr sorgte sie mit einer kleinen Anfrage bei Sozialverbänden für Entsetzen. Unter dem Titel „Schwerbehinderte in Deutschland“ fragten sie und die AfD-Fraktion nach der Zahl der Schwerbehinderten, die „durch Heirat in der Familie entstanden“ sind, und danach, wie viele von ihnen einen Migrationshintergrund haben. Und kurz vor dem Parteitag versuchte sie, mit einem Vergleich zwischen Merkel und Hitler zu provozieren.
Dana Guth
Die 49-jährige AfD-Landeschefin aus Niedersachsen würde gegebenenfalls gegen Chrupalla antreten. Sie wird innerparteilich dem Lager der Gemäßigten zugerechnet. Ihr Nachteil ist, dass die Ost-Verbände nach den zurückliegenden Landtagswahlen für den Osten mehr Macht im Bundesvorstand reklamieren. Allerdings stammt auch Guth aus dem Osten, sie ist in der DDR geboren.
Alexander Gauland
Der Parteichef ist mittlerweile 78 Jahre alt. Er führt gleichzeitig die AfD-Fraktion. Gauland ist bereit, den Parteivorsitz abzugeben und Ehrenvorsitzender zu werden. Eine geregelte Nachfolge, ein Generationswechsel, wäre die Krönung seiner politischen Karriere. Er will, dass jemand die AfD führt, der für einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Strömungen sorgen kann. Doch sollte sich eine Patt-Situation abzeichnen wie vor zwei Jahren in Hannover, könnte Gauland wieder seinen Hut in den Ring werfen.
Für Überraschung sorgte außerdem der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der wegen Antisemitismusvorwürfen in der Kritik steht. Wenn auch chancenlos, will Gedeon als Parteivorsitzender kandidieren. Am Vorabend des Parteitags machten außerdem Gerüchte die Runde, der ehemalige niedersächsische Landeschef Armin-Paul Hampel wollte gegen Meuthen antreten.
Neben den beiden Chefposten wird der gesamte Bundesvorstand der AfD neu gewählt. Einen entscheidenden Einfluss auf den künftigen Kurs der Partei wird haben, wie viele Vertreter der radikale „Flügel“ in das 13-köpfige Gremium bekommt. Mindestens „Flügel“-Strippenzieher Andreas Kalbitz, derzeit Beisitzer und wegen seiner rechtsextremen Vergangenheit in der Kritik, dürfte es wieder schaffen. Für „Flügler“ Frank Pasemann könnte es dagegen eng werden. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke wird nicht antreten. Er hat aber in einem Facebook-Statement vor dem Parteitag erklärt, er halte den „Flügel“ mit zwei Vertretern im jetzigen Bundesvorstand klar unterrepräsentiert und plädiere für eine Verdopplung. (mit dpa)
Maria Fiedler