Ampel-Entscheidung noch diese Woche?: Diese fünf Prinzipien sollen die Verhandlungen zum Erfolg führen
Schon Ende der Woche könnten die Sondierungen abgeschlossen sein. Auch wenn inhaltlich wenig bekannt ist: Über die Prinzipien sind sich die Verhandler einig.
Olaf Scholz ist in seiner Paraderolle zu erleben: Hinter den Türen an Kompromissen tüfteln, nach außen einfach schweigen. Am Dienstag muss er vorzeitig die Verhandlungen im hub27, einem Konferenzzentrum auf dem Berliner Messegelände verlassen, fährt die Rolltreppe herunter. Es reicht nur zu einem Winken, dann braust seine Limousine um 13.30 Uhr ab Richtung Regierungsterminal in Schönefeld.
Am Abend wird er in Washington erwartet. Im Kreise der G20-Finanzminister wird der Bundesfinanzminister eine Ahnung bekommen, wie schwer die Zeiten werden können, auch für einen möglichen Kanzler Scholz. Die Inflationssorgen steigen, Aktienexperten warnen vor einem stürmischen Herbst an den Finanzmärkten und weltweit stehen Fabrikbänder wegen Lieferengpässen still.
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Als Scholz schon weg ist, schleicht FDP-Chef Christian Lindner durch den 1. Stock im hub27. Er will Scholz im Finanzministerium beerben. Eine schwere Aufgabe: Schuldenbremse wieder einhalten, und trotzdem die von den Grünen geforderten Investitionen von mindestens 50 Milliarden Euro im Jahr anstoßen. Lindner will zudem ein Superabschreibungsprogramm für Unternehmen, die in Klimaschutztechnologien investieren. Die drei Parteien setzen darauf, dass ein grünes Wirtschaftswunder entstehen und durch neues Wachstum auch Steuer- und Staatseinnahmen steigen können.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu der Koalition zwischen SPD, Grünen und FDP kommt, ist in den letzten Tagen zumindest gestiegen. Bei aller Schweigsamkeit nach außen und den inhaltlichen Hürden drinnen, schält sich ein Ampel-Prinzip heraus, das die Verhandlungen zum Erfolg führen soll.
1. „Wir halten Funkdisziplin“
Marco Buschmann ist so etwas wie der Vordenker der Liberalen im Bundestag, immer für einen staatsphilosophischen Diskurs zu haben. Er sagt nicht einfach: Ich sage nichts, sondern er fährt die Rolltreppe herunter, den Mantel lässig über dem rechten Arm und sagt auf jede Reporterfrage: „Wir halten Funkdisziplin.“ Und so wird weiterhin nicht über inhaltliche Zwischenstände informiert, immer wieder wird auf zentrale Lehren aus dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen 2017 verwiesen, als nach draußen alle möglichen Ideen und Vorschläge durchgestochen wurden – und dann öffentlich über CO2-Budgets und Restlaufzeiten für Kohlekraftwerke gestritten wurde.
2. Erst die großen Themen abräumen
Man will sich sich nicht im Klein-Klein verheddern, sondern erst über die wirklich großen Hürden sprechen. Man müsse über die Dinge reden, „von denen wir wissen, dass sie am Ende große Punkte sind, die zwischen unseren Parteien geklärt werden müssen“, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Sein FDP-Kollege Volker Wissing spricht von einem „Lackmustest“. Klimapolitik, Steuern und Finanzen, Europa, Migration, Digitalisierung, Arbeit und Soziales: Nach den ersten drei gemeinsamen Gesprächen sollen Klingbeil, Wissing, und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner die Ergebnisse der Sondierungsgespräche nun zusammenfassen. Es scheint sicher, dass die SPD das von Scholz im Wahlkampf propagierte Ziel von zwölf Euro Mindestlohn bekommen wird. Bei der von der FDP geforderten Soli-Abschaffung auch für die oberen zehn Prozent könnte vereinbart werden, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten und umzusetzen. Das Sondierungspapier, das bis Freitag entstehen soll, könnte den Kern eines Ampel-Koalitionsvertrag bilden.
3. Rasch vorankommen
Taktische Spielchen finden bisher kaum statt, auch wenn Lindner die Stimmung als „schwer“ beschreibt. Aber so ganz ohne Zögern kann er sich auch nicht in ein Ampel-Bündnis stürzen. Das Machtvakuum bei der Union hat die Chancen für eine Jamaika-Koalition vorerst stark sinken lassen. Auch das diszipliniert. So könnte es nach der Runde am Freitag schon zur Entscheidung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen kommen, als Starttermin ist der 19. Oktober im Gespräch. Vor allem die Grünen benötigen ein Papier, da sie eine Entscheidung – womöglich am Sonntag – von einem Kleinen Parteitag brauchen.
4. Ein gutes Klima schaffen
Den Verhandlern geht es darum, eine gemeinsame Idee zu entwickeln, anstatt immer den eigenen parteipolitischen Vorteil zu suchen oder mit Koalitionsbruch zu drohen, wenn etwas nicht passt. Scholz weiß, dass diese Koalition nur als Team funktionieren kann, mit einem Klima, in dem einander Erfolge gegönnt werden. „Ich finde, wir sind auf einem guten Weg“, sagt Klingbeil. Hilfreich ist auch, dass die Sondierungsteams mit sechs Kern-Verhandlern auf der SPD-Seite und je zehn bei FDP und Grünen nicht übermäßig groß sind. „Die Gespräche haben einen sehr guten Ton und eine sehr große Seriosität und Sachlichkeit“, so Wissing.
5. „Nichts ist beschlossen, bevor alles beschlossen ist“
Das ist eine der Kernbotschaften der FDP: Es geht zwar gut voran, aber am Ende muss auch ein Sondierungspapier von allen drei Parteien gebilligt werden. Zwischenergebnisse sollen nicht veröffentlicht werden. „Bei solchen Gesprächen gilt immer, dass erst dann etwas vereinbart ist, wenn alles vereinbart ist“, sagt FDP-General Wissing. Am Schluss gebe es ein Sondierungsergebnis oder kein Sondierungsergebnis. Dann könnte es aber sogar viel schneller gehen als gedacht und schon im November eine neue Bundesregierung stehen. Wenn man so will, sind es jetzt schon vorentscheidende Tage. Daher wird Scholz von Washington aus einen engen Draht nach Berlin halten, denn das zu erstellende Papier soll ihn schließlich in Nachfolge von Angela Merkel in das Kanzleramt bringen.