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Daumen hoch. Die Corona-Zahlen in Irland gingen zuletzt rapide nach unten, auf das niedrigste Niveau in der EU.
© Brian Lawless/dpa

Sie stehen besser da als Deutschland: Diese fünf EU-Staaten haben die niedrigsten Corona-Zahlen

Aktuell gibt es fünf Länder in der EU, in denen die Corona-Infektionszahlen verhältnismäßig niedriger sind als in Deutschland. So ist ihnen das gelungen.

Die Corona-Lage in Deutschland ist ernst, das betonen die Spitzenpolitiker um Bundeskanzlerin Angela Merkel Woche für Woche. Die Zahl der Intensivpatienten steigt und die Infektionszahlen sinken nicht so sehr, wie sich Bund und Länder sich das durch den Teil-Lockdown erhofft haben.

Dabei steht Deutschland trotz 156 Fällen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen im Vergleich unter den Ländern der Europäischen Union (EU) noch gut dar. Einzig der Trend bei den Todeszahlen ist in Deutschland dramatisch: Die Zahl der täglich an oder in Verbindung mit Corona verstorbenen Menschen steigt seit Oktober kontinuierlich an.

21 der 27 Mitgliedsstaaten weisen höhere Infektionszahlen pro 100.000 Einwohner auf, das geht aus Tagesspiegel-Daten hervor. Grundlage sind Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in den USA. Folglich gibt es fünf EU-Staaten, die niedrigere Infektionszahlen pro 100.000 Einwohner aufweisen. Diese sind: Belgien, Frankreich, Griechenland, Finnland und Irland.

Die geographische Verteilung der Länder ist erstaunlich. Es gibt keine Ballung von Staaten, in denen das Virus weniger stark grassiert. Die fünf betreffenden Staaten sind quer über Europa verteilt. Somit lassen sich die Gründe für die vergleichsweise niedrigen Zahlen nicht bündeln. Es sind eine Handvoll Gründe, die die jeweiligen Erfolge ausmachen.

Belgien

Die Entwicklung der Corona-Zahlen in Belgien ist die mit Abstand rasanteste unter den Ländern in der EU. Auf dem Höhepunkt Ende Oktober lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei fast 1100 Fällen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche. Doch so exponentiell die Zahlen zuvor gestiegen waren, sanken sie danach auch bis Anfang Dezember.

Am Sonntag erreichten die Zahlen in Belgien einen vorläufigen Tiefpunkt von 132 Fällen pro 100.000 Einwohnern – so wenige waren es zuletzt Anfang Oktober zu Beginn der zweiten Welle. Und auch die Zahl der neuen Todesfälle ging zurück: Waren es Mitte November noch mehr als 200 täglich, sind es nun weit unter 100.

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Belgien hatte zeitweise pro Kopf die höchsten Corona-Fallzahlen in Europa und verhängte deshalb Anfang November scharfe Auflagen. Geschäfte mussten schließen, mit Ausnahme von Lebensmittelhändlern und Läden mit unbedingt notwendigen Waren. Sämtliche Freizeiteinrichtungen mussten schließen, wie auch in Deutschland, zudem aber auch Friseure und andere Geschäfte mit Körperkontakt.

Erst vor einer Woche wurde gelockert. Lediglich die strikten Kontaktbeschränkungen wurden bis mindestens Mitte Januar verlängert. Haushalte dürfen nur eine weitere Person einladen. Nur Alleinstehende dürfen an den Feiertagen zwei Freunde oder Verwandte gleichzeitig empfangen – die sogenannten „Knuffelcontacte“. In Deutschland sollen hingegen an Weihnachten bis zu zehn Personen zusammen feiern dürfen, plus Kinder.

Diese Maßnahmen kritisierte Belgiens Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke zuletzt auch. „Wenn es etwas gibt, was das Virus mag, dann sind das Feste, vor allem mit wechselnden Teilnehmern, das müssen wir unbedingt vermeiden“, sagte Vandenbroucke nach einem Bericht der Agentur Belga über die deutschen Regeln. „Deshalb finde ich, dass unsere Nachbarländer nicht das tun, was angebracht wäre.“

Ministerpräsident Alexander De Croo hatte von Reisen in rote Zonen im Ausland abgeraten und Kontrollen an den belgischen Grenzen angekündigt, bei denen überprüft werden soll, ob Einreisende das vorgeschriebene Formular ausgefüllt haben. Anschließend soll stichprobenartig geprüft werden, ob die geforderte Quarantänezeit eingehalten wird. „Wir sehen, dass sich die Zahlen in unserem Land gut entwickeln“, sagte De Croo. „Das Letzte, was wir wollen, ist, das Virus wieder nach Belgien zu importieren.“

Frankreich

Zeitgleich wie in Belgien wurde auch in Frankreich der strikte Teil-Lockdown Ende November etwas gelockert. Die Geschäfte durften unter Hygiene-Auflagen wieder öffnen. Zudem wurde das Herzstück der Maßnahmen zurückgenommen: Nach vierwöchigen strikten Ausgangsbeschränkungen dürfen die Menschen ihre Häuser wieder länger für Spaziergänge oder Sport im Freien verlassen.

Auch auf ein solches Szenario hat die deutsche Regierung bislang verzichtet. Bis zur Lockerung waren in Frankreich Spaziergänge oder Sport auf täglich eine Stunde und einen Radius von nur einem Kilometer begrenzt. Jetzt dürfen die Franzosen ihre Häuser für drei Stunden verlassen und sich in einem Radius von 20 Kilometern bewegen. Restaurants, Bars und Cafés sowie Sport- und Kultureinrichtungen bleiben aber weiter geschlossen.

Kontrolle ist besser. Französische Polizisten stehen auf der leeren Trocadero-Terrasse vor dem Eiffelturm.
Kontrolle ist besser. Französische Polizisten stehen auf der leeren Trocadero-Terrasse vor dem Eiffelturm.
© Andreina Flores/dpa

Dadurch wurde das erwirkt, was die französischen Behörden erreichen wollten: Die Zahl der Infizierten, die in Krankenhäuser eingeliefert werden müssen, wurde massiv gesenkt. Zudem sinken nicht nur Infektions-, sondern auch Todeszahlen. 112 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen – so wenige wie am Sonntag verzeichnete Frankreich seit Ende September nicht mehr.

Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch bei den Todeszahlen feststellen: Waren es Mitte November noch mehr als 1000 täglich, sind es nun weniger als 200.

Anders als die belgische will die französische Regierung ihren Bürgern ab dem 15. Dezember allerdings das Reisen erlauben. Das gilt auch für die Feiertage zum Jahresende, falls die Coronavirus-Fälle auf etwa 5000 neue pro Tag zurückgehen. Danach sieht angesichts von 11.000 neuen Fällen am Sonntag allerdings nicht aus. Skiresorts bleiben bis Januar geschlossen, anders als beispielsweise in der Schweiz. Zudem werden stichprobenartige Grenzkontrollen durchgeführt.

Griechenland

Im Vergleich zu anderen Ländern ist Griechenland mit seinen rund elf Millionen Einwohnern bisher nicht so stark von Corona betroffen gewesen. Den höchsten Wert erreichten die Fälle pro 100.000 Einwohnern Mitte November mit rund 174. Allerdings schnellten die Zahlen in den vergangenen Wochen vor allem in den Großstädten Athen und Thessaloniki unkontrolliert in die Höhe. Das Gesundheitssystem geriet an seine Grenzen.

Was folgte, war auch dort ein strikter Lockdown, der am Montag bis zum 7. Januar verlängert wurde. Schulen, Gastronomie, Bars und Nachtlokale sowie die Gerichte bleiben geschlossen. Zudem sind Reisen von einer Region des Landes in eine andere ohne wichtigen Grund weiterhin verboten. Auch die nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 5 Uhr bleibt bestehen.

Leergefegt. Wer in Athen aus dem Haus geht, muss das gut begründen können.
Leergefegt. Wer in Athen aus dem Haus geht, muss das gut begründen können.
© Imago

Besonders ist in Griechenland vor allem die Kontrolle der Maßnahmen: Wer zur Arbeit geht, muss eine Bescheinigung des Arbeitgebers mit sich führen. Wer aus anderen Gründen auf die Straße möchte, muss darüber per SMS den griechischen Zivildienst informieren. Möglich sind etwa Arztbesuche, Einkäufe im Supermarkt, die Versorgung von älteren Familienmitgliedern, sportliche Betätigung oder auch der Spaziergang mit dem Hund.

Die Infektionsfälle sind durch diese Maßnahmen zwar leicht zurückgegangen, derzeit verzeichnet Griechenland mit knapp mehr als 100 ähnlich viele Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wie Frankreich. Dennoch seien die Ergebnisse des Lockdowns nicht zufriedenstellend, begründete die griechische Regierung die Entscheidung, den Lockdown zu verlängern.

Das liegt unter anderem an den Todeszahlen: Die stiegen zuletzt auf mehr als 100 pro Tag. Der Lockdown gilt auch deshalb ohne Ausnahmen über Weihnachten und Neujahr.

Finnland

Ende November warnte die finnische Regierung vor einer erheblichen Verschärfung der Lage in der Corona-Pandemie. Die Virus-Situation habe sich in den vergangenen Tagen rapide verschlechtert, sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin. Allerdings lagen die Fälle pro 100.000 binnen sieben Tagen mit rund 50 auf dem niedrigsten Niveau innerhalb der EU.

Und entgegen aller Befürchtungen hat sich das Niveau seitdem nicht verändert. Statt in besorgniserregendem Maße zu steigen, stagnieren die Zahlen bei knapp über 50. Das ist knapp die Hälfte der Zahlen in Griechenland und Frankreich.

Und gäbe es die Hauptstadtregion um Helsinki nicht, wären die Zahlen noch niedriger. Denn nur dort hatten die Infektionszahlen zuletzt zugenommen. Deshalb gab es in Helsinki eine Reihe von Beschränkungen.

Masken auf und alles soweit im Griff. In Finnland ist nur die Region um die Hauptstadt Helsinki betroffen.
Masken auf und alles soweit im Griff. In Finnland ist nur die Region um die Hauptstadt Helsinki betroffen.
© Reuters

Die Teilnehmerzahl von öffentlichen Veranstaltungen in Innenräumen war auf maximal 20 Personen begrenzt worden. Bei privaten Veranstaltungen durften nicht mehr als zehn Gäste dabei sein. Die Stadt Helsinki und ihre Nachbargemeinden Espoo und Vantaa wollten mit diesen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus vorgehen.

Schwimmbäder, Büchereien, Eislaufbahnen und weitere öffentliche Einrichtungen wurden geschlossen, öffentliche Veranstaltungen untersagt. Grundschulen bleiben offen, weiterführende Schulen sollen aber auf Fernunterricht umstellen. „Wir tun im Moment nicht genug, um Infektionen zu vermeiden. Deshalb sind stärkere Schritte notwendig“, sagte Helsinkis Bürgermeister Jan Vapaavuori.

Und diese Schritte wirkten, wie sich anhand der Zahlen sehen lässt. Denn Helsinki zieht die Infektionszahlen eben nicht landesweit noch weiter oben. Finnland hat die Pandemie weiterhin im Griff. Das zeigt auch der Blick auf die Zahl der an oder in Verbindung mit Corona verstorbenen Menschen: Die Zahl liegt wöchentlich im einstelligen Bereich.

Irland

So sieht es auch in Irland aus, wobei der Inselstaat in den vergangenen Wochen nicht immer behaupten konnte, die Pandemie im Griff zu haben – auch wenn der britische Nachbar Stand Sonntag die niedrigsten Infektionszahlen der gesamten EU vorweisen kann. Nur rund 40 Fälle pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche sind sogar die mit Abstand wenigsten.

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Das war deshalb nicht zu erwarten, da die Inzidenz Ende Oktober zwischenzeitlich auf rund 170 Fälle pro 100.000 Einwohner gestiegen war und damit fast viermal so hoch war wie jetzt. Es drohte ein exponentielles Wachstum, das mit strikten Maßnahmen ähnlich wie in Belgien und Frankreich gebremst werden konnte.

Irland war eines der ersten europäischen Länder, das in der zweiten Corona-Welle wieder einen Lockdown verhängt hatte. Wie in Belgien wurde das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren, sogar schon Mitte Oktober. Der Lockdown wurde erst am 1. Dezember wieder schrittweise gelockert. Geschäfte, Restaurants, Fitnessstudios und Museen, die zuvor geschlossen waren, dürfen seitdem wieder unter Hygiene-Auflagen öffnen.

Irland verbot sogar ähnlich wie Griechenland reisen zwischen den Ortschaften. Ab dem 18. Dezember sollen diese wieder erlaubt sein, um ein „anderes, aber besonderes“ Weihnachten zu ermöglichen. Zwischen dem 18. Dezember und dem 6. Januar dürfen sich zudem bis zu drei Haushalte wieder privat treffen. (mit dpa, AFP, Reuters)

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