Zwangseinweisungen nach Corona-Verstößen: Diese Bundesländer setzen auf Stationen für Quarantänebrecher
Selten verstoßen Verweigerer dauerhaft gegen die Quarantänepflicht. Doch die Bundesländer gehen in der Coronakrise völlig unterschiedlich damit um.
Die Regierungen einzelner Bundesländer planen Einrichtungen, in denen sogenannte Quarantänepflicht-Verweigerer per Zwang untergebracht werden können. Zuerst berichtete die "Welt am Sonntag". Eine Tagesspiegel-Recherche zeigt, dass in den Bundesländern allerdings nur wenig schwere Verstöße gegen den Infektionsschutz festgestellt wurden. Die überwiegende Mehrheit der Länder hat zudem keine landesweit gesammelten Daten über die Anzahl der Verstöße gegen die Quarantänepflicht – vor allem, weil dies Kreisen, Städten und Kommunen obliegt.
Baden-Württemberg hat Zahlen aus stichprobenartigen Kontrollen erhoben. Im Dezember 2020 wurden in Aalen, Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart 1254 Menschen kontaktiert, die sich wegen einer Sars-Cov-2-Infizierung oder als Kontaktperson in häuslicher Isolation befinden sollten. Dabei wurden lediglich fünf Verstöße festgestellt, die mit Bußgeld geahndet wurden. Das geht aus Daten des Innenministeriums in Stuttgart hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen.
Damit eine Person, die sich nicht an die Quarantänepflicht hält, zwangseingewiesen werden darf, muss sie sich mehrfach einer entsprechenden Verordnung widersetzt haben. Strafanzeigen werden für gewöhnlich nur gestellt, wenn nachgewiesen werden kann, dass ein Quarantänebrecher jemanden vorsätzlich mit dem Coronavirus infiziert hat.
Bei wiederholter Missachtung der Quarantänepflicht kann eine Zwangsunterbringung von einem Gericht angeordnet werden. Das war in Baden-Württemberg nicht der Fall. Dennoch sollen in zwei Kliniken bald Stationen eröffnet werden, in denen notorische Quarantäne-Verweigerer festgesetzt werden können.
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Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) drängte darauf, dass es solche Möglichkeiten gebe. "Natürlich geht es nur um wenige Fälle, aber die sind gefährlich", sagte Strobl. "Es geht um uneinsichtige, bußgeldunempfindliche Personen, die vorsätzlich in Kauf nehmen, andere Menschen mit Corona zu infizieren."
Auch in Sachsen und Schleswig-Holstein soll es eine Einrichtung für Quarantäneverweigerer geben. Kieler Regierungskreise bestätigten, dass diese auf dem Areal der Jugendarrestanstalt Moltsfelde in Neumünster untergebracht werden sollen. Ein Fall, in dem eine Person zwangseingewiesen werden musste, ist aus dem Bundesland nicht bekannt.
In Brandenburg gibt es bereits seit Mai eine Quarantäne-Station, in die 30 Personen zwangseingewiesen worden sind. Derzeit befindet sich dort aber kein Infektionsschutz-Fall. Brandenburgs Innenministerium zufolge handelt es sich bei der Einrichtung um die ehemalige Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt.
Während einzelne Bundesländer solche Einrichtungen aufbauen oder bereits getan haben, sehen andere keinen Bedarf.
In Berlin hat die Debatte um Zwangsunterbringungen für "nachhaltiges Unbehagen" gesorgt, wie es ein Mitglied des rot-rot-grünen Senats ausdrückte. Der Sprecher von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) teilte auf Anfrage mit, die Gesundheitsämter könnten dem Infektionsschutzgesetz zufolge einen Verweigerer zwangsweise unterbringen lassen – Genaueres war nicht zu erfahren.
Tatsächlich gebe es fachliche Gründe, in "Einzelfällen" die Quarantäne zwangsweise durchzusetzen, sagte Amtsarzt Patrick Larscheid aus Berlin-der Reinickendorf dem Tagesspiegel. Allerdings gebe es in Berlin keine ausgewiesene Einrichtung dafür. Haftanstalten, so einzelne Beamte, verböten sich von selbst – es läge ja keine gravierende Straftat vor. Die Kliniken seien vollends mit den Covid-19-Patienten befasst. Und um beispielsweise eines der leeren Hotels für die Zwangsquarantäne einzusetzen, müsse sich der Senat kümmern.
Das Bundesland Bayern behält sich die Unterbringung von Quarantäneverweigerern zwar vor, allerdings ist keine feste Einrichtung wie in Baden-Württemberg, Sachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg geplant. Wenn eine zwangsweise Einlieferung doch nötig sei, würde diese "in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses" erfolgen, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Es müsse sich um Einrichtungen handeln, die sowohl den medizinischen Anforderungen als auch den Anforderungen der Freiheitsentziehung entsprechen, so das bayrische Ministerium. Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde bestimme die Einrichtung, kontrolliert werde sie durch den Richter, der in jedem Einzelfall über die Unterbringung entscheide, so der Sprecher.
In Hessen wurde eine solche Einrichtung bereits vergangenes Jahr wegen mangelnden Bedarfs geschlossen, berichtet das Sozialministerium: Für Hessen lasse sich feststellen, dass der Verweis auf Zwangsabsonderung und Bußgeld erfahrungsgemäß zum Einlenken führe.
Das gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern, wo derzeit keine Einrichtungen für Quarantäneverweigerer geplant sind. "Wir setzen auf die Vernunft der Menschen. Der überwiegende Teil der Menschen hält sich an die Regeln", so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Das Gesundheitsministerium in Niedersachsen teilte ebenfalls mit, dass es "sich gegen eine gesonderte Unterbringung von Personen entschieden" hat, "die gegen eine behördlich angeordnete Quarantäne verstoßen". Bislang sei es stets möglich gewesen, dass die im Rahmen der Amtshilfe beteiligten Polizeidienststellen mit den Landkreisen und Kreisfreien Städten andere Lösungen gefunden haben.
Eine Zwangseinweisung in Bremen, trotz Tausender Kontrollen
In Rheinland-Pfalz ist auch keine feste Einrichtung für Quarantäneverweigerer geplant. Außerdem seien für die Unterbringung in solchen Fällen die Kommunen zuständig und nicht die Ministerien des Landes.
In Bremen gab es sogar schon eine Zwangseinweisung, da eine Kontaktperson mehrfach gegen die Quarantänepflicht verstoßen hatte. In Bremen werden täglich teilweise mehr als 1000 Personen kontrolliert, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Eine feste Einrichtung für Quarantäneverweigerer sei nicht geplant.
Dies ist auch in Hamburg der Fall, dort gebe es ein gestuftes Verfahren, sagte eine Sprecherin der Stadt, an dessen Ende "freiheitsentziehende Maßnahmen" stehen können. Es bestünden in Hamburg zwar Unterbringungsmöglichkeiten für Quarantäneverweigerer, auf die aber nur im Zweifel nach Einzelfallentscheidung zurückgegriffen würde.
Im Saarland und in Sachsen-Anhalt ist den Sprechern der Innenministerien kein Fall bekannt, in dem eine Person aufgrund eines Quarantäne-Verstoßes eingewiesen werden musste.
Auch aus Thüringen wurde kein Fall gemeldet. Das Sozialministerium erklärte zudem, dass allein aus rechtlichen Gründen "alle anderen Möglichkeiten der Kontrolle und Sanktionierung ausgeschöpft sein" müssten. Aus Nordrhein-Westfalen erhielt der Tagesspiegel vorerst keine Antwort.
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