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Sozialreport: Die Wunde im Jobwunderland

Sozialreport: Die Lage am Arbeitsmarkt ist nur auf den ersten Blick gut – und die Armut steigt.

Von Matthias Schlegel

41,5 Millionen Menschen hatten ein Deutschland im Jahr 2012 einen Job – so viele wie nie zuvor. Sieben Jahre in Folge ist die Beschäftigung gestiegen. Zwischen 2002 und 2011 verbuchten die Stadtstaaten Hamburg (plus 11,1 Prozent), Berlin (plus 10,8 Prozent) sowie, vor allem in den „Speckgürtel“-Regionen um die Hauptstadt, das Land Brandenburg die stärksten Zugewinne an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ostdeutschland legte etwas mehr zu als Westdeutschland. Aber zu allgemeinem Wohlstand hat die gute Entwicklung bei der Beschäftigung nicht geführt. Denn trotz des Beschäftigungsbooms sind heute in Deutschland mehr Menschen von Armut bedroht. Das ist das Fazit des „Datenreports 2013“, der die soziale Lage in Deutschland widerspiegelt und alle vier Jahre erscheint. Am Dienstag wurde er in Berlin vorgestellt.

Das Bild vom Arbeitsmarkt, das auf den ersten Blick so rosig aussieht, relativiert sich, wenn man nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch das Arbeitsvolumen, also die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, betrachtet. Dieses Arbeitsvolumen war nämlich 2012 niedriger als 1991. Die Beschäftigten leisteten im Durchschnitt über die Jahre immer weniger Arbeitsstunden. Denn immer mehr Menschen arbeiten – aus freiem Willen oder mangels anderer Alternativen – in Teilzeit. Deutlich zugenommen hat die sogenannte atypische Beschäftigung, also Beschäftigungsverhältnisse, die keine Vollarbeit bedeuten, zum Beispiel befristete Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung unter 21 Wochenstunden, geringfügige Beschäftigung sowie Zeit- und Leiharbeit. So waren im Jahr 2012 insgesamt 22 Prozent der Erwerbstätigen atypisch beschäftigt. In erster Linie betrifft das mit 33 Prozent Frauen und junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren (ebenfalls 33 Prozent) sowie Menschen ohne Berufsabschluss (37 Prozent).

Nicht zuletzt mit dieser Entwicklung korreliert das Armutsrisiko. Als arm gilt, wer weniger als 980 Euro pro Monat zur Verfügung hat. Zwar ist bei Arbeitslosen das Armutsrisiko nach wie vor am größten: 2011 waren 69,3 Prozent der arbeitslosen Menschen armutsgefährdet (2007: 56,8 Prozent). Aber auch Erwerbstätige sind mittlerweile stärker betroffen. Dabei kommt es vor allem auf die Erwerbsform an: Lag 2011 der Anteil armutsgefährdeter Vollzeit-Erwerbstätiger bei 5,7 Prozent, waren es unter den Teilzeitbeschäftigten 11,3 Prozent. Insgesamt betrug 2011 der Anteil armutsgefährdeter Personen an der erwerbsfähigen Bevölkerung 16,1 Prozent, im Jahr 2007 waren es nur 15,2 Prozent. Besonders deutlich ist das Armutsrisiko bei 55- bis 64-Jährigen gestiegen. Und die Chance, aus dieser Situation wieder herauszukommen, ist gesunken: Zählten im Jahr 2000 nur 27 Prozent all derer, die unter der Armutsgefährdungsquote lagen, zu den dauerhaft von Armut Betroffenen (mindestens vier Jahre), betrug deren Anteil im Jahr 2011 bereits 40 Prozent.

Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin weist darauf hin, dass zunehmende Armut auch wachsende gesundheitliche Ungleichheiten zur Folge hat – und geringere Lebenserwartung. So liege die mittlere Lebenserwartung bei Geburt von Männern der niedrigen Einkommensgruppe fast elf Jahre unter der von Männern der hohen Einkommensgruppe. Bei Frauen betrage diese Differenz rund acht Jahre.

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