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Eine 83-jährige Frau hält verschiedene Euronoten in der Hand.
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wer bekommt Grundrente?: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Ab Januar 2021 sollen bis zu 1,5 Millionen Rentner Grundrente erhalten. Im Schnitt wird der Zuschlag bei knapp 70 Euro liegen. Fragen und Antworten.

Monatelang haben SPD und Union über die Grundrente gestritten, nun ist der Kompromiss da: Ab Januar 2021 sollen zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Senioren in Deutschland einen Zuschlag auf ihre Rente erhalten. Voraussetzung sind 35 Beitragsjahre und ein Einkommen, das bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Im Durchschnitt wird der Zuschlag laut Schätzungen des Ministeriums bei knapp 70 Euro im Monat liegen. Im Einzelfall kann er aber auch deutlich höher ausfallen.

Die Eckpfeiler der Grundrente im Überblick:

  • Ab Januar 2021 sollen insbesondere Geringverdiener mit 35 Beitragsjahren einen Rentenaufschlag oberhalb der Grundsicherung erhalten.
  • Die Einkommensprüfung soll über die Deutsche Rentenversicherung in Kooperation mit den Finanzbehörden erfolgen.
  • Die Einkommensgrenze soll für Alleinstehende 1.250 Euro betragen, für Paare soll sie bei 1.950 Euro liegen.
  • Die Finanzierung soll zu weiten Teilen aus einer geplanten Finanztransaktionssteuer sowie dem Etat des Bundesarbeitsministeriums finanziert werden.
  • Zusätzlich soll ein Budget für Freibeträge beim Wohngeld von 80 Millionen Euro bereitgestellt werden. So möchte man verhindern, dass die erhöhte Rente den Bedarf beim Wohngeld auffrisst.

Wer profitiert am meisten von der Grundrente?

In erster Linie Frauen, schließlich haben sie häufiger in Niedriglohnjobs oder in Teilzeit gearbeitet. Nach Schätzungen des Arbeitsministeriums sind von den bis zu 1,5 Millionen Personen, die den Rentenzuschlag bekommen, etwa 85 Prozent Frauen. Im Osten werde der Anteil der Empfänger höher sein als im Westen, sagt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). In Ostdeutschland sind mehr Rentner allein auf ihre gesetzliche Rente angewiesen, etwa 80 Prozent haben keine anderen Einkünfte im Alter.

Was wird bei der Grundrente angerechnet?

Der Zuschlag auf die Rente wird gezahlt, wenn jemand 35 Jahre gearbeitet hat und trotzdem nur eine geringe Rente bezieht. Es werden nicht nur Beitragszeiten aus Beschäftigung angerechnet, sondern auch aus Kindererziehung (pro Kind bis zu drei Jahre Kindererziehungszeit und bis zu sechs Jahre Kinderberücksichtigungszeiten) und der Pflege von Angehörigen.

Um den Zuschlag zu erhalten, muss man sein Leben lang umgerechnet etwa 30 Prozent des Durchschnittsverdienstes gehabt haben und maximal 80 Prozent. Wer überwiegend Minijobs ausgeübt hat, bekommt deshalb in der Regel keine Grundrente. Wenn jemand sehr jung angefangen hat zu arbeiten, kann er auch trotz längerer Arbeitslosigkeit Anspruch auf Grundrente haben.

Bekomme ich die Grundrente nur, wenn ich 35 Jahre oder mehr gearbeitet habe?

Nein. Es soll eine „knappe“ Übergangszone geben für Rentner, die weniger als 35 Jahre gearbeitet haben. Sie sollen zumindest Anspruch auf einen kleinen, aufwachsenden Zuschlag haben. Ab wie viel Beitragsjahren dieser gelten soll, ist allerdings offen. Allzu großzügig wird die Regelung vermutlich nicht ausfallen, da die Union in den Verhandlungen auf einer Deckelung der Kosten beharrt hat. Der Wissenschaftler Gert Wagner, Mitglied der Rentenkommission, hält eine Gleitzone für sinnvoll: "Es ist gut, dass die 35 Mindest-Versicherungsjahre nicht strikt gelten sollen, sondern man auch bei etwas weniger Jahren schon eine niedrigere Aufstockung bekommen soll." Wie das genau aussehen solle, könne in den Anhörungen des Gesetzgebungsverfahrens offen diskutiert werden.

Wie viel Einkommen oder Vermögen darf ich behalten, um Grundrente zu bekommen?

Für Alleinstehende wird es einen Einkommensfreibetrag von 1250 Euro im Monat geben, für Paare liegt dieser bei 1950 Euro. Das bedeutet: Wenn das zu versteuernde Einkommen einschließlich der gesetzlichen Rente unter dieser Grenze liegt, erhält man den vollen Rentenzuschlag. Wer andere Einkünfte in nennenswertem Umfang hat (etwa Kapitaleinkünfte oder Mieteinnahmen) und die Einkommensgrenze deutlich überschreitet, geht leer aus.

Aber auch hier wird es einen Übergangsbereich geben, in dem die Grundrente abschmelzend gezahlt wird. In der Praxis dürfte sich vor allem die Einkommensgrenze für Paare auswirken: Wenn ein Partner nur eine Minirente hat, der andere Partner aber über hohe Alterseinkünfte verfügt, zahlt der Staat voraussichtlich keinen Zuschlag. Eine Vermögensprüfung, wie es sie etwa für die Grundsicherung im Alter oder auch bei Hartz IV gibt, ist nicht vorgesehen. Auch selbst genutztes Wohneigentum wird nicht herangezogen.

Wie wird überprüft, wer Anrecht auf die Grundrente hat?

Die Grundrente wird von der Rentenversicherung automatisch ausgezahlt. Diese ermittelt, wer auf die erforderlichen Beitragszeiten kommt und nur geringe Rentenansprüche hat. Da die Rentenkassen derzeit aber keine Informationen über die gesamten Einkommensverhältnisse der Rentner haben, muss ein neuer Datenabgleich installiert werden.

Die Finanzämter sollen künftig die Steuerbescheide der Rentner übermitteln. Noch offen ist allerdings, wie die Rentenversicherung an Daten über Kapitaleinkünfte kommt, die bisher pauschal über die Abgeltungssteuer gezahlt werden. Diesen Informationsaustausch hinzubekommen, sei „anspruchsvoll“, sagt Arbeitsminister Heil. Doch für ihn ist entscheidend, dass es nicht die Rentner sind, die Anträge ausfüllen müssen.

Was kostet das den Steuerzahler?

Die Koalitionäre beziffern die Kosten für die Grundrente auf etwa 1,5 Milliarden Euro. Zum einen soll der steuerfinanzierte Bundeszuschuss an die Rentenkassen um mindestens eine Milliarde Euro erhöht werden, heißt es im Arbeitsministerium. Das Geld dafür soll aus den Einnahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer kommen - die allerdings noch nicht beschlossen ist.

Rund 400 Millionen Euro will Arbeitsminister Heil aus seinem Etat beisteuern. Woher das Geld kommen soll, ist offen. Angesichts eines Gesamthaushalts von etwa 148 Milliarden Euro erscheint die Summe zwar klein, doch faktisch gibt es in Heils Etat wegen der vielen Pflichtausgaben keine allzu großen Spielräume. In der Vergangenheit griffen SPD und Union zur Finanzierung ihrer Rentenversprechen immer wieder auf die Mittel der Rentenversicherung zurück.

Ist mit der Einführung der Grundrente das Problem der Altersarmut gelöst?

Nein. In den vergangenen Jahren ist die Altersarmut in Deutschland gestiegen, dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Der Anteil der Rentner, die von Armut bedroht sind, lag 2018 laut Statistischem Bundesamt bei 18,7 Prozent, im Jahr 2010 waren es noch 13,4 Prozent.

Die Grundrente geht das Problem an, dass Menschen trotz jahrzehntelanger Arbeit im Alter nur auf eine gesetzliche Rente kommen, die sich auf Sozialhilfeniveau bewegt. „Arbeit muss einen Unterschied machen“, sagt Arbeitsminister Heil. Im Vordergrund steht die Akzeptanz des Rentensystems, danach geht es auch um einen Beitrag zur Armutsbekämpfung.

Doch es gibt weitere Gruppen, denen die Grundrente nicht wirklich hilft: Dazu gehören Menschen, die eben nicht auf die 35 Beitragsjahre kommen. In Westdeutschland sind das zum Teil die älteren Frauen, in Ost und West außerdem Langzeitarbeitslose mit stark gebrochenen Erwerbsbiografien. "Vielen wirklich von Altersarmut bedrohten Menschen wird nicht geholfen", kritisiert Johannes Vogel, der in der FDP-Bundestagsfraktion für die Sozialpolitik zuständig ist. Aus Studien wisse man, dass die Mehrzahl derjenigen, die von Altersarmut bedroht seien, weniger als 35 Versicherungsjahre hätten. Die angekündigte „kurze Gleitzone“ der Koalition werde dieses Problem in der Substanz keinesfalls lösen. "Statt eines Abgrundes eine steile Böschung zu schaffen, löst das Problem nicht", kritisierte Vogel.

Zu den Risikogruppen zählen außerdem Menschen, die ihren Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können und deshalb vorzeitig aussteigen müssen (Erwerbsunfähige). In der Grundsicherung landen außerdem zunehmend ehemalige Solo-Selbstständige, die nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen konnten. Für Selbstständige will die Koalition deshalb eine Altersvorsorgepflicht einführen.

Wie ist es um die Sicherheit der Rentenfinanzen bestellt?

Im nächsten Jahrzehnt geht allmählich die Babyboomer-Generation in Rente – eine Herausforderung für die umlagefinanzierte Rente. Die Bundesregierung hat eine Rentenkommission beauftragt, Vorschläge für einen „verlässlichen Generationenvertrag“ zu machen.

Die Experten beschäftigen sich damit, wie die gesetzliche Rente ab 2025 nachhaltig finanziert werden kann – und welche Rolle künftig private und betriebliche Altersvorsorge spielen. Unterschiedliche Reformvorschläge liegen dem Vernehmen nach auf dem Tisch - werden aber noch hinter verschlossenen Türen diskutiert.

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