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In Köln warfen die Demonstranten einen Polizeiwagen um.
© dpa

Hooligans, Neonazis, Salafisten: Die wichtigsten Fragen nach der rechtsradikalen Randale von Köln

Nach den Ausschreitungen von Hooligans und Rechtsradikalen in Köln ist die Aufregung groß. In der Politik werden die Rufe nach einem Verbot solcher Kundgebungen laut. Hier sind die wichtigsten Fragen nach der Randale.

Nach den Ausschreitungen Tausender Hooligans in Köln werden in der Politik Rufe nach einem Verbot solcher Kundgebungen laut. Bund und Länder sollten alle rechtlichen Möglichkeiten gegen diese Gewalttäter ausschöpfen, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag. Die Ermittlungen gegen die Täter vom Sonntag liefen auf Hochtouren. Nach Erkenntnissen von Sicherheitsbehörden und Fanforschern steckt ein neues Bündnis von Hooligans und Rechtsradikalen hinter den Krawallen.

Hat die Polizei die Lage falsch eingeschätzt?

Der Veranstalter hatte ursprünglich 1500 Teilnehmer angemeldet. Weil es aber über 7000 Anmeldungen bei Facebook gab, habe die Polizei mit etwa 4000 Teilnehmern gerechnet, sagte Jäger. „Die Lageeinschätzung war ziemlich präzise.“ Die Polizei sei mit starken Kräften vor Ort gewesen und habe konsequent auf Versuche reagiert, die Polizeiketten zu durchbrechen.

Die nordrhein-westfälischen Behörden hatten die Aktion der Hooligans im Vorfeld intensiv beobachtet. „Weder ich noch die Polizei waren überrascht“, sagte Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier, der dem Innenminister die Erkenntnisse der Behörde vorgelegt hatte. Doch die zusammengetragenen Fakten reichten nicht aus, die Demonstration im Vorfeld zu verbieten, genau das will man nun ändern.

Die Gewalttäter waren offenbar aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. „Da solidarisieren sich Gruppen durch einen gemeinsamen ,Feind’, die sich üblicherweise gegenseitig bekämpfen“, analysiert der nordrhein-westfälische Chef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, der selbst vor Ort war. So etwas habe er „lange nicht erlebt“. Die Polizei hatte insgesamt vier Wasserwerfer aufgefahren und auch eingesetzt, nachdem es aus der Demonstration heraus zu Gewalttaten gekommen war.

Plickert beobachtet seit einiger Zeit, dass die rechtslastigen Fußball-Hooligans neue Aktionsformen wählen: „Die gehen erstens nicht mehr zu den Spielen der ersten Mannschaft, sondern treffen sich bei den zweiten Mannschaften in den unteren Ligen, außerdem dringen immer mehr Rechte dazu und zeigen sich offen.“ In der zurückliegenden Woche hat es rings um den Fußball reihenweise gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, bei denen viele Beamte verletzt worden seien. „Allein in der vergangenen Woche wurden insgesamt 56 Kolleginnen und Kollegen verletzt“, sagte Plickert.

Wie viele Berliner Hooligans an den Ausschreitungen in Köln teilnahmen, ist unklar. Zumindest kam keiner der 17 Festgenommenen aus Berlin, teilte die Kölner Polizei am Montagnachmittag mit. Nur einer der Festgenommenen komme aus den neuen Bundesländern – und zwar aus Magdeburg. - , die anderen 16 kämen aus Westdeutschland.. In Berlin sind nach Angaben der Senatsinnenverwaltung insgesamt 1554 Hooligans in der „Arbeitsdatei Sportgewalt“ des Landeskriminalamtes registriert. Sie werden als "überwiegend unpolitisch" eingestuft. Ausnahmen bilden Gruppierungen wie die "Buckower Szene" bei Hertha BSC oder "Crimark" beim 1. FC Union, bei denen laut Senat "rechte Tendenzen nicht auszuschließen sind." 86 der insgesamt 1554 Hooligans werden als Mitglieder der rechten Szene eingestuft.

Wie sind die Kontakte zur rechten Szene?

Auch wenn die Vertreter von „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) vor der Kundgebung ständig den Eindruck erwecken wollten, mit rechtsradikalen Gesinnungen nichts zu tun zu haben – am Sonntag in Köln wurden sie von den eigenen Demo-Teilnehmern widerlegt. „Es war eine rechtsextreme Machtdemonstration“, sagt Claudia Luzar, Rechtsextremismusforscherin der FH Dortmund. Sie war vor Ort und hält die Kundgebung für die größte rechtsextreme Demo in diesem Jahr: „Das hat eine neue Qualität.“ Verfassungsschützer sahen als treibende Kraft der Ausschreitungen zwar die gewaltbereiten Fußball-Hooligans. Doch die Rechtsextremisten hätten sich der Bewegung angeschlossen, sagt auch NRW-Verfassungsschutzchef Freier.

So seltsam und schwer zu fassen die HoGeSa-Vereinigung ist, Verbindungen zur rechten Szene gibt es viele. Nicht nur durch den Anmelder der Demonstration, einen Vertreter der nationalistischen Bewegung „Pro NRW“. Die rechtsextreme Bremer Rockband Kategorie C spielte in Köln und bekannte Kader der NPD und der Partei „Die Rechte“ zeigten sich bei früheren Treffen. Überhaupt nutzen rechte Gruppen die Fußball-Umgebung gerne, weil sie dort leicht andocken können um Sympathisanten zu gewinnen.

An einer stärkeren Vernetzung arbeiten Hooligans und Rechtsextreme bereits seit zwei Jahren. Mehr als ein Dutzend Gruppen schlossen sich zu den „GnuHonnters“ (Neue Jäger) zusammen. Später tauschten sich viele von ihnen über ein geheimes Internetforum aus. Dort einigten sie sich auf die Salafisten als großen gemeinsamen Feind, gegen die sie öffentlichkeitswirksam auftreten können. Das Forum wurde geschlossen, doch seitdem gehen sie voll in die Offensive: bei Facebook – und auf der Straße.

Hool-Szene mobilisiert für Demos am 9. November

In Köln warfen die Demonstranten einen Polizeiwagen um.
In Köln warfen die Demonstranten einen Polizeiwagen um.
© dpa

Wie hat sich die Hooligan-Szene in den vergangenen Jahren verändert?

Bis in die 90er Jahre hinein dominierten die Hooligans die Fankurven in den deutschen Fußballstadien. Politische Ziele verfolgten sie nicht, für sie zählte nur, mit wem sie sich prügeln konnten. Sie waren gut organisiert, schnell mobilisierbar und viele sympathisierten mit der rechten Szene – dadurch schüchterten sie die meisten anderen Fans ein. In den vergangenen 20 Jahren wurden die gewaltbereiten Hooligans mehr und mehr aus den Kurven verdrängt. Zum einen, weil die Polizei massiv gegen sie vorging. Zum anderen, weil eine andere Fanbewegung immer stärker wurde: die Ultras. Die jüngeren Anhänger definieren sich nicht über Gewalt, sondern allein über ihre Zuneigung zu ihrem Verein. Sie konzentrieren sich vor allem auf das pausenlose Anfeuern und Choreografien. Doch auch politische Themen gehen die Ultras an: Sie kritisieren Rassismus, Diskriminierung und Kommerzialisierung im Profi-Fußball.

Zunächst nahmen es die Hooligans hin, dass sie in die zweite Reihe versetzt wurden. Nun wollen sie sich die Hoheit über die Kurven aber offenbar wieder zurückholen. Fanvertreter berichten unter anderem aus Köln, Aachen, Düsseldorf und Dortmund, dass der Konflikt zwischen den älteren, rechten Hooligans und jüngeren, linken Ultras dort offen zu Tage tritt. „Es hat sich abgezeichnet: Diese Konfrontation musste sich zuspitzen“, sagt auch die Rechtsextremismusforscherin Claudia Luzar. Doch dass sich die Hooligans so deutlich rechtsextremistisch politisieren, überrascht sie sehr. „Zudem kam es mir vor, als ob die alten Hooligans von den Toten auferstanden sind“, beschreibt Luzar ihre Beobachtungen in Köln. Eine Mehrheit der Demonstranten seien zwischen 30 und 5o Jahre alt gewesen.

Auch die Soziologin Laura Piotrowski, die für die Amadeu-Antonio-Stiftung das Portal „Fußball gegen Nazis“ betreut, sieht die neue Qualität von Köln weniger im Wieder-Auftauchen der Hooligans: „Die Hooligans waren nie wirklich weg“, sagte sie dem Tagesspiegel. Die „Borussenfront“ etwa sei in den letzten Jahren auch wieder aktiver geworden, ihr Gründer Siegfried Borchardt war jetzt in Köln zu sehen. Die in den Stadien auffälligeren Ultras hätten lediglich Aufmerksamkeit von der Hooligan-Szene abgezogen. „Eine neue Qualität ist aber, dass sie, die sich sonst untereinander bekriegt haben, sich jetzt ohne Rücksicht auf Vereinsbindungen zusammenschließen und dies, wie sie selbst sagen, über gemeinsamen Hass.“

Wie aktiv war HogeSa bisher?

Die Gruppierung ist im letzten Jahr erstmals aufgefallen. Über soziale Netzwerke versuchte sie nicht nur gegen Salafisten, sondern gegen die aus angeblich bevorstehende Islamisierung Deutschlands und gegen Migranten zu mobilisieren. In Mannheim gingen ihre Leute gegen eine Veranstaltung von Salafisten vor, in Essen verhinderte die Polizei einen Aufmarsch der Rechten. Vor einem Monat gab es eine Versammlung von etwa 300 Aktiven in Dortmund, ebenfalls gegen Salafismus gerichtet, und, wie die Kölner Versammlung jetzt ebenfalls von einem Kommunalpolitiker der islamophoben „Pro NRW“ angemeldet. Eine weitere Versammlung gab es Mitte Oktober in Frankfurt am Main.

Für den 9. November, Tag der Mauerfalls vor 25 Jahren und der Pogromnacht der Nazis vor 76 Jahren, haben mehrere rechte Gruppen bereits Kundgebungen vor dem Bundestag in Berlin angekündigt, aber auch die Hool-Szene mobilisiert, wissen Kenner der Szene.

Was will die Politik dagegen tun?

„Wir werden alles daran setzen, damit jeder, der das Versammlungsverbot missbraucht, dazu künftig keine Gelegenheit mehr bekommt“, versprach NRW-Innenminister Jäger und erhielt Zuspruch aus anderen Parteien. Das sei keine politische Demonstration gewesen, da sei eine „Plattform für Gewalt geschaffen“ worden, sagte Jäger. „Wir müssen die Verwaltungsgerichte überzeugen, solche Veranstaltungen künftig zu verbieten.“

„Das waren keine besorgten Bürger, die sich gegen Salafismus stellen, das waren rechtsextreme und gewaltbereite Schlägertrupps, die auf Krawall und Zerstörung aus waren“, urteilte auch der Grünen-Landeschef aus Nordrhein-Westfalen, Sven Lehmann, und forderte die Innenminister auf, „offensiv“ zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, solche Versammlungen im Vorfeld zu verbieten.

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