Islamismus: Die verschwundenen Hetzer aus Bonn
Die Bonner Brüder Yassin und Mounir Chouka haben lange von Wasiristan aus den Dschihad propagiert. Dann wollten sie nach Syrien zur Terrormiliz „Islamischer Staat“. Doch nun verliert sich ihre Spur.
Sie zählen zu den gefährlichsten Agitatoren des Heiligen Krieges. Die aus Bonn stammenden Brüder Yassin und Mounir Chouka werben seit Jahren von der pakistanischen Terrorhochburg Wasiristan aus für den Dschihad und hetzen in Richtung Deutschland. Beinahe wäre eine Bluttat die Folge gewesen. Im Mai 2012 forderte Yassin Chouka in einer Audiobotschaft seine Glaubensbrüder in der Bundesrepublik auf: „Ihr sollt die Mitglieder von Pro NRW alle töten“. Zehn Monate später nahm die Polizei in Bonn, Leverkusen und Essen vier Islamisten fest, die mutmaßlich kurz davor waren, den Chef der islamfeindlichen Partei zu ermorden. Die Tatverdächtigen, die sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten müssen, fühlten sich offenbar von dem Aufruf zum Mord animiert, den Vorsitzenden von Pro NRW anzugreifen.
Doch nun geben die Chouka-Brüder Rätsel auf. Nach und nach wurde die Hetze aus Wasiristan schwächer. Die Sicherheitsbehörden haben seit Monaten von den beiden fast nichts mehr gehört. Die Brüder hätten nach Syrien gewollt, sagt ein hochrangiger Experte, aber angekommen seien sie dort nicht. Es wird vermutet, dass die Deutschmarokkaner noch leben, doch wo sie stecken, ist unklar. Und was sie womöglich planen.
Dass die beiden Lautsprecher des Dschihad verschwunden sind, bereitet Polizei und Nachrichtendiensten Kopfzerbrechen. „Hätten die Pakistaner, die Afghanen, die Iraner oder die Türken sie festgenommen, würden wir es wissen“, heißt es in Sicherheitskreisen. Es wird allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Brüder geschnappt wurden, als sie aus Wasiristan hinauswollten. Dass die Choukas vorhatten, die Grenzregion zu verlassen, um den Heiligen Krieg in Syrien und Irak fortzusetzen, vermutlich beim „Islamischen Staat“, gilt als „plausibel“. Es habe Hinweise auf eine geplante Reise gegeben, sagt ein Experte. Denkbar sei nun auch, dass die Terrororganisation „Islamische Bewegung Usbekistan (IBU)“, bei der sich die Choukas seit 2007 aufhielten, oder eine andere Gruppierung in Wasiristan die bekannten deutschen Propagandisten festgesetzt habe.
Einst war Wasiristan ein Magnet für Islamisten
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die bröselnde Szene der aus Deutschland stammenden Dschihadisten in Wasiristan. Einst war die unwirtliche Region ein Magnet für militante Islamisten, mehr als 70 kamen auf abenteuerlichen Wegen aus der Bundesrepublik angereist. Sie schlossen sich Al Qaida an, der IBU und der Islamischen Dschihad Union. Einige Kämpfer bildeten sogar eine eigene Truppe, die „Deutschen Taliban Mujahideen (DTM)“. Der Blutzoll war hoch. Zwischen 20 und 30 Dschihadisten aus Deutschland seien in Afghanistan und Pakistan gestorben, sagen Experten. Allein die DTM verloren im April 2010 bei einem Gefecht drei Mitglieder, darunter den Berliner Danny R. Die Gruppe ging daran zugrunde.
Heute hielten sich noch maximal 18 Personen aus Deutschland in Wasiristan auf, heißt es. Ein Drittel seien Frauen. Das immer schon raue Leben dort sei noch härter geworden, da die pakistanische Armee ihre Angriffe verstärkt habe. Wie die Choukas wollten auch andere Dschihadisten weg, zumal Al Qaida längst im Schatten des rivalisierenden IS steht, der sich in Syrien und Irak ein „Kalifat“ freigeschossen hat. Einige Krieger hätten bereits von Wasiristan die Route über den Iran und die Türkei genommen, andere eine Flugreise mit Zwischenstopp in den Golfstaaten gewagt.
Der 33-jährige Mounir Chouka, Kampfname Abu Adam al Almani, und sein drei Jahre jüngerer Bruder Yassin alias Abu Ibrahim al Almani sind im Bonner Stadtteil Kessenich aufgewachsen. Die beiden galten als lebenslustig, doch 2005 kam Mounir von einer Reise nach Mekka als strenggläubiger Mensch zurück. Er radikalisierte sich und seinen Bruder, 2007 verschwanden sie aus dem Rheinland nach Wasiristan. Für die IBU produzierten sie Propagandabotschaften wie am Fließband. Mounir rief 2011 sogar zum „Töten von deutschen Bundesbürgern nach dem Pyramidensystem“ auf. Gemordet werden sollte vom Staatsoberhaupt über Bundesbeamte und Soldaten der Bundeswehr bis hin zu Bürgern, die sich nicht öffentlich von den „Verbrechen der deutschen Regierung“ distanzieren. Im selben Jahr gestaltete der Terrorist auch ein Video, in dem zwei entführte Schweizer gezeigt wurden. Die Trekkingtouristen waren in die Hände der pakistanischen Taliban geraten. Mit dem Film sollte Lösegeld erpresst werden. Den Geiseln gelang jedoch die Flucht.
Gegen die Choukas ermittelt seit Jahren die Bundesanwaltschaft. Sollten die Brüder auftauchen und das BKA bekäme sie zu fassen, droht ihnen lange Haft.