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Mit diesem Online-Motiv sorgte die AfD Wolfsburg für Aufmerksamkeit.
© dpa

Europawahlkampf: Die umstrittenen Guerilla-Plakate der AfD-Basis

Die Basis der AfD ist kreativ, wenn es um Plakatwerbung geht. Sie vergleicht die EU mit Kim Jong Uns Diktatur - oder überklebt die eigenen Motive mit Deutschlandstickern. Aus Angst vor Zerstörung bringt die Familie von Parteichef Lucke höchstpersönlich Plakate in Sicherheit.

Zuletzt war es ein Plakat, das die Schreckensherrschaft des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un mit der Art verglich, wie in Brüssel europäische Politik gemacht wird: Wenn es um ihren Wahlkampf geht, dann erzielt die AfD im Moment hohe Aufmerksamkeit. AfD-Chef Bernd Lucke verteidigte das Plakat des AfD-Kreisverbands Wolfsburg zwar, auf dem zu lesen ist: „Was haben das dicke koreanische Kind und die EU gemeinsam? Das Demokratie-Verständnis.“ Lucke sagte „Handelsblatt online“: „Die EU hat schwere Demokratiedefizite, aber natürlich nicht annähernd so groß wie in Nordkorea“. Das Motiv sei jedoch nicht Teil der offiziellen Kampagne und werde lediglich online gezeigt.

Über die Europasternchen gab es in der AfD lange Streit

Nicht nur in diesem Fall legt eine Untergliederung eine Kreativität an den Tag, die in der Parteiführung eher für Stirnrunzeln sorgt. Im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zum Beispiel ging die Basis so weit, dass sie die eigenen, vom Bundesverband zur Verfügung gestellten Plakate überklebte. „Mut zu Deutschland“ steht auf diesen Plakaten, wobei die Buchstaben E und U von sechs gelben Europasternchen umspielt werden. Mitglieder aus dem als konservativ geltenden Kreisverband in Charlottenburg überklebten den Spruch offenbar eigenhändig. Zwar steht auch dort jetzt „Mut zu Deutschland“, im Hintergrund ist aber nur eine Deutschlandflagge zu sehen. Da die Aufkleber zu schmal gedruckt wurden, ragt links und rechts noch der ursprüngliche Schriftzug hervor.

Mut zu noch mehr Deutschland: So überklebten AfD-Mitglieder die eigenen Plakate in Charlottenburg.
Mut zu noch mehr Deutschland: So überklebten AfD-Mitglieder die eigenen Plakate in Charlottenburg.
© Tsp

Beim Berliner AfD-Landeschef Günter Brinker stößt dieses Vorgehen auf Unverständnis. Man werde intern darüber reden müssen, sagte er dem Tagesspiegel. Denn die Frage, ob mit oder ohne Europasternchen, mit oder ohne Schwarz-Rot-Gold, ist in der AfD eine hochpolitische. Zuletzt hatten die Sterne einen schweren Stand. Was auch daran zu sehen ist, dass auf früheren Entwürfen noch zwölf Sterne zu sehen waren, aus denen dann im Verlauf der Wahlkampfplanung sechs wurden.

Da die AfD in dieser Frage uneins war, hatte sie von Meinungsforschern zwei unterschiedliche Entwürfe testen lassen – gezeigt wurde Bernd Lucke, einmal mit oder ohne Sterne im Hintergrund. Das Motiv mit der Deutschlandflagge soll besser abgeschnitten haben – trotzdem sollen im Wahlkampfendspurt die Sterne im Schwarz der Fahne zu sehen sein. Nicht wenige Parteimitglieder hatten bereits den Spruch „Mut zu Deutschland“ als nationalistisch kritisiert.

Für heftige Diskussionen, vor allem bei Twitter, hatte kürzlich auch ein Motiv auf der Facebook-Seite der AfD-nahen Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) gesorgt. Auf dem Bild waren fünf junge Frauen von hinten im Stringtanga zu sehen, wie sie an einem Strand entlang spazierten und sich gegenseitig um die Hüften fassten. Darunter stand der Spruch: „P(r)o Vielfalt in Europa!“.

Die AfD-Basis präsentiert halbnackte Frauenpos

Was schließlich bis hinein in die „Verlierer“-Spalte der „Bild“-Zeitung als sexistisch gewertet wurde, verteidigte JA-Chef Philipp Ritz als satirischen Protest gegen „Political correctness“ und Gleichmacherei: „Das Motiv stellt auf die Hautfarbe ab. Nicht auf die (uniformen) Models. Es sollte aber bewusst viele Interpretationen ermöglichen“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Reaktion sei typisch ausgefallen: Empörung mit der Begründung einer sexistischen Darstellung. „Dabei ist diese Wahrnehmung selbst diskriminierend, unterstellt sie doch, dass leicht bekleidete Mädels nur Objekte seien und nichts im Kopf haben.“ Richtig sei aber auch: „Es sollte auch ein Männermotiv geben. Wir haben aber noch keine geeigneten Fotos gefunden.“

Von Meinungsforschern ließ die AfD testen, welches Motiv in der Schlussphase des Wahlkampfs besser ankommt - mit oder ohne Europasterne.
Von Meinungsforschern ließ die AfD testen, welches Motiv in der Schlussphase des Wahlkampfs besser ankommt - mit oder ohne Europasterne.
© Tsp

Unterdessen beklagt die AfD, dass ihr Wahlkampf in größerem Umfang gestört wird und Plakate beschädigt werden. Im Landesverband Niedersachsen wurde sogar letzte Woche überlegt, den Wahlkampf deshalb ganz einzustellen. In Winsen an der Luhe, dem Wohnort von AfD-Chef Lucke, sorgt inzwischen dessen Familie dafür, dass Plakate unversehrt bleiben. Dort werden etwa 40 Plakate jeden Morgen auf- und abends wieder abgehängt. Seine Frau und seine Tochter würden sich darum kümmern, sagte Lucke dem Tagesspiegel.

Vor einigen Tagen hatte sich auch die brandenburgische AfD über Attacken auf ihr Wahlbüro in Frankfurt an der Oder beklagt. Die Scheiben des Wahlbüros seien wenige Tage nach der Eröffnung mit Backsteinen eingeworfen worden. In Brandenburg an der Havel, Schwedt (Uckermark) und Fredersdorf-Vogelsdorf (Landkreis Märkisch-Oderland) hätten Unbekannte zudem Großplakate für den Wahlkampf zerstört oder bis zur Unkenntlichkeit verschmiert.

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