Politik: Die Suche nach der richtigen Drogenstrategie
Die Organisation Amerikanischer Staaten verhandelt in Guatemala über neue Wege im Kampf gegen den Rauschgifthandel.
Puebla - Das Tauziehen um die Drogenpolitik in Amerika geht in die nächste Runde. Von Dienstag bis Donnerstag steht das Thema ganz oben auf der Agenda der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die Generalversammlung der OAS findet ausgerechnet in Guatemala statt, dem Land, das mit der Forderung nach einer generellen Legalisierung der Drogen am weitesten vorgeprescht ist. Dazu dürfte es so schnell allerdings nicht kommen. Obwohl selbst enge US-Verbündete wie Kolumbien und Mexiko sich angesichts der ausufernden Gewalt im Zusammenhang mit dem Drogenhandel für eine neue Drogenpolitik ausgesprochen haben, ist der Widerstand der USA enorm. „Ich glaube nicht, dass die Legalisierung der richtige Weg ist“, sagte US-Präsident Barack Obama erst bei seinem Besuch in Mexiko Anfang Mai. Dennoch steht das Thema zum ersten Mal auf der Tagesordnung einer internationalen Organisation.
Eines war schon auf dem vergangenen Amerikagipfel vor einem Jahr in Cartagena klar geworden: Die USA stehen mit ihrem repressiven Ansatz im Antidrogenkrieg ziemlich alleine auf weiter Flur. Damals beschlossen die Staats- und Regierungschefs des Kontinents, die Strategie komplett zu überprüfen, und just das Ergebnis wird nun in Guatemala diskutiert werden. In den Augen der Staatschefs kann es nicht sein, dass die Vereinigten Staaten doppelt am Drogengeschäft verdienen – in Form der Waffenexporte und der Gelder, die im dortigen Finanzsystem gewaschen werden – während Lateinamerika die Kosten trägt in Form von Gewalt, Korruption und Unterhöhlung der staatlichen Institutionen.
Ein bei Experten in Auftrag gegebener, 400 Seiten starker Bericht kommt zu dem Schluss, dass der Drogenkrieg ineffizient ist. Alternative Ansätze und flexiblere Politiken seien nötig, um das Gewaltniveau in Lateinamerika zu senken. 150 000 Menschen werden nach Schätzungen der mexikanischen Regierung zufolge jedes Jahr in Lateinamerika infolge des Drogenhandels getötet. Die Schmiergelder der Kartelle korrumpieren Polizei, Justiz und Regierung. Wenn der Kokainpreis in den USA um zehn Prozent steigt, nimmt in Kolumbien die Zahl der Morde um zwei Prozent zu, hat die OAS ermittelt.
Den Konsum nicht mehr unter Strafe zu stellen, entlaste den Justizapparat und die Gefängnisse, sagt OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza. Eine generelle Legalisierung auch der harten Drogen befürworten die Experten dennoch nicht. Um das Drogengeschäft legal zu führen, seien Lateinamerikas Institutionen zu schwach und zu korrupt, kommentiert Andrés Oppenheimer vom „Miami Herald“. Den Konsum weicher Drogen nicht mehr unter Strafe zu stellen, sei aber ein Schritt in die richtige Richtung. Der Bericht ist umständlich und diplomatisch formuliert – nicht einmal Empfehlungen gibt es am Schluss. Dass aber Marihuana von der Liste der verbotenen Substanzen genommen wird, ist eines der von den Verfassern durchgespielten Szenarien. Marihuana sei gängigen Studien zufolge nicht schädlicher als Alkohol oder Nikotin. Dem dürfte nicht einmal Washington etwas entgegensetzen können, denn selbst in den USA haben inzwischen 19 Staaten Marihuana legalisiert. Auch Mexiko, Brasilien, Kolumbien und Chile stellen den Besitz von kleinen Mengen Drogen zum persönlichen Konsum nicht mehr unter Strafe. Und Uruguay ist gerade dabei, als erstes lateinamerikanisches Land Marihuana komplett zu legalisieren.
Der in den USA und Europa übliche Politikansatz, Drogen als Gesundheits- und nicht als Sicherheitsproblem zu betrachten, könnte nach dem OAS-Treffen nun auch in Lateinamerika zur Anwendung kommen, was auch auf UN-Ebene eine Debatte nach sich zöge. Das wäre laut dem ehemaligen OAS-Generalsekretärs Cesar Gaviria „ein Tabubruch“ – und ein weiterer Schritt hinaus aus dem historischen Machtbereich der USA. Sandra Weiss
Sandra Weiss
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