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Die EU-Außenministerin Catherine Ashton trifft auf den Iranische Vertreter Saeed Jalili.
© Reuters

Das iranische Atomprogramm: Die Stunde der Diplomatie

Die internationale Gemeinschaft unternimmt einen neuen Anlauf zur friedlichen Lösung des Atomstreits mit dem Iran. Die Erwartungen wurden im Vorfeld niedrig gehängt. Gibt es dennoch Hoffnung, den Konflikt zu lösen?

Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahr kommen Vertreter des Iran und der sogenannten Sechsergruppe aus USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland an diesem Samstag in Istanbul zusammen, um über Teherans umstrittenes Atomprogramm zu reden. Die Erwartungen wurden im Vorfeld niedrig gehängt. Nach wie vor befürchtet der Westen, der Iran greife nach der Atombombe, während Teheran auf sein Recht der friedlichen Nutzung der Kernenergie pocht. Doch beide Seiten deuteten zuletzt auch Lösungsmöglichkeiten an.

Wo steht der Iran heute mit seinem Atomprogramm?

Der Iran dürfte im Atomprogramm einiges erreicht haben. Heute gelingt nicht nur die Anreicherung von Uran auf rund drei Prozent, wie es zur Herstellung von Brennstäben zum Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird – die der Iran aber erst noch im großen Stile bauen müsste. In den Zentrifugenketten können die Atomtechniker das Uran inzwischen sogar auf bis zu 20 Prozent anreichern.

Die Führung in Teheran begründet den Bedarf nach dieser hohen Anreicherung mit dem Forschungsreaktor in Teheran, wo das Uran zur Herstellung medizinischer Isotope gebraucht werde. Inzwischen existiert von diesem Uran aber ein Vorrat, der für viele Jahre reichen dürfte. Was den Westen dabei beunruhigt, ist, dass einmal auf 20 Prozent angereichertes Uran in relativ einfachen Schritten innerhalb von drei bis sechs Monaten auf bis zu 90 Prozent angereichert werden kann und dann zum Bau von Sprengköpfen für Atombomben geeignet ist. In den vergangenen Monaten hat der Iran die Anreicherung deutlich verstärkt und teilweise in die unterirdische, vor Luftschlägen geschützte Anlage Fordo nahe der Stadt Ghom verlegt. Zudem ratifiziert Teheran nach wie vor nicht das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) umfassende und spontane Kontrollen seiner Anlagen gestatten würde.

In diesem Lichte erscheinen Irans Beteuerungen zweifelhaft, man sei ausschließlich an einer friedlichen Nutzung der Kernenergie interessiert. Ob Teheran aber tatsächlich eine eigene Nuklearwaffe bauen oder nur die entsprechende Technologie beherrschen will, weiß niemand. Bisher jedoch, da ist man sich im Westen einig, ist kein Beschluss zum Bau der Bombe gefallen.

Der iranische Präsident Ahmadinedschad bei einer Inspektion der Atomanlage Natans.
Der iranische Präsident Ahmadinedschad bei einer Inspektion der Atomanlage Natans.
© dpa

Was bewirken die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft?

Im Januar 2011 scheiterten – ebenfalls in Istanbul – die letzten Gespräche über Irans Atomprogramm. Im Folgenden wurden die Sanktionen gegenüber Teheran verschärft, was sich massiv auf die Wirtschaft des Landes auswirkt. Neben innenpolitischen Entwicklungen hat dies Irans Interesse klar vergrößert, in dem Konflikt zu einer Lösung zu kommen, sagt Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Seit die US-Regierung und die EU fast alle Beziehungen zur iranischen Zentralbank unter Sanktionen gestellt haben, kann der Iran kaum noch Geschäfte im Ausland finanziell abwickeln. Die heimische Währung, der Rial, verfällt, die Inflation liegt inoffiziell bei 40 Prozent. Existenziell wirkt sich das bei Importen von Lebensmitteln aus, auf die das Land mit seinen 74 Millionen Einwohnern angewiesen ist, die es sich nach Medienberichten aber zum Teil nicht mehr leisten kann. Dazu kommen die Folgen des europäischen Ölembargos. Es soll zum 1. Juli vollständig greifen, doch schon jetzt wirkt es auf andere Staaten: Südkorea und Japan sollen ihre Importe reduziert haben, Chinesen und Indern müssen die Iraner ihr Öl offenbar billiger verkaufen.

Welche Erwartungen werden an die Gespräche in Istanbul geknüpft?

Niemand erwartet einen Durchbruch im Atomstreit dergestalt, dass der Iran ein Ende der Urananreicherung zusagt und der Westen die Sanktionen einstellt. Diplomaten sprechen von einem „Prozess des Dialogs“, der hoffentlich in Gang kommen werde. Von verschiedenen Seiten verlautete, ein Erfolg sei, wenn das nächste Treffen vereinbart und der Rahmen für die weiterführenden Verhandlungen abgesteckt werde. Irans Chefunterhändler Said Dschalili kündigte zwar „neue Initiativen“ an, doch westliche Diplomaten in Istanbul glauben nicht, dass die Iraner einen sensationellen Vorschlag aus der Tasche ziehen werden.

Allerdings sind alle Seiten interessiert an einer Fortsetzung der Gespräche – allein weil ein israelischer Militärschlag gegen den Iran weniger wahrscheinlich ist, solange der Verhandlungsprozess funktioniert. Zudem wird befürchtet, dass weitere Sanktionen gegen Irans Ölindustrie den Ölpreis so weit in die Höhe treiben könnten, dass die gesamte Weltwirtschaft leidet.

Vor den auf zunächst einen Tag angesetzten Gesprächen gab es zwar die übliche scharfe Rhetorik, wie etwa von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der die Sanktionen als wirkungslos herunterspielte. Und die USA ließen durchsickern, sie würden in Istanbul von den Iranern die Schließung der Atomanlage in Fordo verlangen. Doch beide Seiten ließen auch erkennen, dass sie sich flexiblen Lösungen nicht verschließen würden. So schrieb Chefunterhändler Dschalili an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, die die Sechsergruppe leitet, Iran könne sich auf einen „Schritt- für-Schritt“-Ansatz einlassen. Dabei würde definiert, welche Schritte Iran unternehmen muss, damit einzelne Sanktionen aufgehoben oder ausgesetzt werden. Fereydoun Abbasi, der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, deutete an, dass Iran auf eine 20-prozentige Anreicherung verzichten könne. Die US-Forderung nach Schließung der Anlage in Fordo wiederum könnte im Laufe der Gespräche als Maximalforderung fallen gelassen werden.

Sollten die Gespräche nun tatsächlich einen neuen Prozess im Streit um Irans Atomprogramm einleiten, wird dieser dennoch nicht leicht. Der Iran dürfte darauf bestehen, dass jedes Einlenken mit einer Lockerung der Sanktionen belohnt wird. Die UN-Mächte werden dagegen zunächst einmal Beweise der iranischen Ernsthaftigkeit verlangen. Und das Misstrauen auf beiden Seiten ist immens.

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