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In Zwergstasten, wie den British Virgin Islands landen die Vermögen prominenter Steuerflüchtlinge.
© dpa

Riesige Datensammlung zur Steuerflucht: Die Spur des Geldes führt in Zwergstaaten

Journalisten haben rund 2,5 Millionen Dateien ausgewertet, die weltweit die Geschäfte von Steuerbetrügern enthüllen. Was offenbaren die Recherchen?

Eine solche Enthüllung hat die Welt noch nicht gesehen. Mit Berichten über die Geschäfte reicher Steuerbetrüger in zehn der weltweit größten Steuerfluchtzentren hat ein globales Netzwerk von 86 Journalisten in 46 Ländern am Donnerstag begonnen, im großen Stil die Namen von Begünstigten und Verantwortlichen des umstrittensten Geschäftszweigs der internationalen Finanzindustrie ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen: Der geheimen Verwaltung privater Vermögen in Zwergstaaten, die ausländischen Kapitalanlegern Steuerfreiheit bieten und es ihnen erlauben, ihre Kapitalerträge vor den heimischen Steuerbehörden zu verstecken.

Wie kam es zu der Datensammlung?

Grundlage für den Medien-Coup ist eine Datensammlung, die gespeichert auf einer mobilen Festplatte im vergangenen Jahr im Büro des „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) in Washington einging, einem Journalismusprojekt, das von amerikanischen Stiftungen finanziert wird. Darauf fanden die ICIJ-Mitarbeiter die ungeheure Menge von 260 Gigabyte an Daten, zehn mal mehr als selbst die einst von Wikileaks veröffentlichten internen Lageberichte des amerikanischen Außenministeriums. In den rund 2,5 Millionen Dateien sind die Geschäfte von 122 000 sogenannter Offshore-Gesellschaften erfasst, deren tatsächliche Eigentümer über die zugehörigen Email-Nachrichten nun erstmals zu ermitteln sind.

Für die Aufbereitung des komplexen Datenmaterials engagierte das ICJI rund ein Dutzend Computerexperten, die für die Auswertung eigens ein spezielles Suchprogramm entwickelten. Gleichzeitig startete ICIJ-Direktor Gerard Ryle für das Projekt die „wahrscheinlich größte grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Medien, die es je gegeben hat“. Beteiligt sind unter anderen die „Washington Post“, die BBC und der britische „Guardian“, die französische „Le Monde“, der kanadische Fernsehsender CBC, der Schweizer „Sonntagsblick“ sowie die „Süddeutsche Zeitung“ und der NDR neben weiteren 32 Medienpartnern aus aller Welt.

Welche Namen werden in der Datensammlung genannt?

Wie ICIJ berichtet, sind die Nutzer des Geheimnisgeschäfts in 170 Ländern beheimatet und reichen von amerikanischen Zahnärzten über griechische Unternehmer und europäische wie asiatische Milliardäre bis hin zu schon verurteilten Finanzbetrügern und bekannten internationalen Waffenhändlern. Zu den Kunden im Steuerfluchtgeschäft zählen daneben auch zahlreiche Politiker und ihre Familienangehörigen von Aserbeidschan bis nach Kanada.

In einem ersten Schritt enthüllten die beteiligten Medien nun die Namen einiger besonders prominenter Steuerflüchtlinge. Dazu zählen unter anderen

- Jean Jaques Augier,  Freund und Kassenverwalter der Wahlkampagne des französischen Präsidenten Hollande;

- Olga Schuwalowa, Frau des früheren stellvertretenden russischen Premierministers Igor Schuwalow;

- Arzum und Leyla Aliev, Töchter des Präsidenten von Aserbeidschan;

- Bayartsogt Sangajav, früherer Finanzminister und heute stellvertretender Parlamentssprecher der Mongolei;

- Tony Merchant, ein kanadischer Ex-Politiker, prominenter Anwalt und Ehemann der Senatorin Pana Merchant.

Auch die Offshoregeschäfte zahlreicher Vermögender aus Deutschland sollen aus den Daten zu ermitteln sein. Zunächst berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ aber nur über den Fall des verstorbenen Multimillionärs Gunter Sachs und seiner Erben, die mehrere Tarnfirmen auf den asiatischen Cook-Inseln unterhalten haben, deren Existenz nach Angaben der Nachlassverwalter den Steuerbehörden aber schon sei langem bekannt sein sein soll (siehe Seite 24).

Was sagen die Dokumente über die Methoden der Banken aus?

Die Dokumente sollen erstmals konkret belegen, wie unter anderem die Großbanken UBS, Credit Suisse und Deutsche Bank „aggressiv dafür sorgen, dass ihren Kunden Geheimhaltung über Firmen auf den British Virgin Islands (BVI) und anderen Offshore-Verstecken gewährt wird“, schreiben die ICIJ-Rechercheure. Die bisher veröffentlichten Berichten machen dazu aber noch keine Angaben.

Woher kommen die Daten?

Woher kommen die Daten?

Die Herkunft der Datensammlung orteten die Analysten von ICIJ bei den zwei weltweit aktiven Offshore-Verwaltungsunternehmen Portcullis TrustNet mit Hauptsitz in Singapur und der Commonwealth Trust Limited (CTL) auf den British Virgin Islands. Deren Daten seien vermutlich über einen Hackerangriff „abgeschöpft worden“ sagte der am Projekt beteiligte deutsche Daten-Journalist Sebastian Mondial dem NDR.

Beide Firmen zählen zu den führenden Dienstleistern für das Offshore-Geschäft. Die dort beschäftigten Anwälte, Rechnungsprüfer und Vermögensverwalter unterhalten für ihre Kunden die benötigten Treuhandgesellschaften, Stiftungen und andere rechtliche Konstruktionen, mit denen die eigentlichen Eigentümer verborgen werden. Die CTL etablierten der kanadische Geschäftsmann Tony Wardt und sein texanischer Kompagnon Scott Wilson schon 1994. Sie spezialisierten sich zunächst auf die Verwaltung von Fluchtgeld aus Osteuropa und den früheren Staaten der zerfallenen Sowjetunion. Die Behörden des britischen Übersee-Territoriums in der Karibik beschuldigten das Unternehmen mehrfach, gegen dort geltende Gesetze gegen Geldwäsche verstoßen zu haben, weil sie die Herkunft der Gelder ihrer Kunden nicht prüften, berichtet der „Guardian“.

Der Steuerfluchtkonzern Portcullis Trustee wurde ursprünglich von dem neuseeländischen Anwalt Mike Mitchell gegründet, der das Geschäft zunächst vornehmlich über die Cook-Inseln betrieb. 2004 verkaufte er seine Firma nach Singapur. Vorn dort betrieben die neuen Eigentümer eine weltweite Expansion. Heute verfügt die Gruppe über Niederlassungen in 16 Steuerfluchtzentren von den Seychellen bis in die Karibik. Sie betreut Kunden in 130 Ländern, davon allein 4000 in den USA. Mit den nun gestarteten Enthüllungen wird ihr Geschäft aber voraussichtlich drastisch schrumpfen. Von Griechenland über Großbritannien bis in die USA haben die Behörden bereits angekündigt, auf Basis der ICIJ-Daten alle betroffenen Steuerfälle neu zu ermitteln.

„Das Geschäft der Steueroasen ist die Geheimhaltung. Jetzt ist die zerstört und sie verlieren ihre Grundlage“, kommentierte Richard Murphy, ein früherer Rechnungsprüfer und Mitgründer der Organisation Tax Justice Network den Vorgang. „Und all jene, die das bisher genutzt haben, werden Angst bekommen, sehr große Angst.“

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