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Begrenzter Zugang: Österreich hat zuletzt für das Jahr 2016 eine Obergrenze für Asylanträge von 37 5000 festgelegt.
© dpa

Österreich eiert: Die SPÖ zweifelt schon wieder an der Obergrenze

Die SPÖ zweifelt an der Rechtmäßigkeit der neuen Obergrenze von 37500 Asylanträgen in diesem Jahr. Damit steht die Einigung der österreichischen Regierungsparteien in der Flüchtlingspolitik schon wieder in Frage.

Die Einigung der österreichischen Regierungsparteien in der Flüchtlingspolitik vom Mittwoch steht nur wenige Tage später schon wieder in Frage. Die SPÖ zweifelt immer mehr an der Rechtmäßigkeit und Durchführbarkeit des „Richtwertes“ von 37500 anzunehmenden Asylanträgen. Ihr Koalitionspartner ÖVP hingegen nennt diese Zahl weiterhin „Obergrenze“ und sucht nach Lösungen zur Umsetzung.

Der neuerliche Schwenk der flüchtlingsfreundlicheren Sozialdemokraten kommt vor allem aus der Wiener Landespartei, der am weitesten links stehenden aller Bundesländer. Mehrere Ministerinnen revoltierten gegen den Richtwert, sie nennten ihn „falsch und rechtswidrig“. Sie kritisierten damit ihren Chef, Bürgermeister Michael Häupl, der die Vereinbarung mit präsentiert hatte.

Die Medien interpretieren den Zick-Zack-Kurs der SPÖ als taktischen Versuch, die Flüchtlings-Toleranz fortzusetzen und zugleich dem unter großem Handlungsdruck stehenden SPÖ-Kanzler Werner Faymann nicht in den Arm zu fallen. Der überlässt den argumentativen Eiertanz seinen Ministern. Am besten beherrscht den der designierte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Der Ex-Polizeichef des von der SPÖ regierten Burgenlands, das für die Obergrenze plädierte, war schon beim dortigen Flüchtlingsansturm aus Ungarn im August politisch flexibel.

Die ÖVP setzt auf eine rigorose Umsetzung der Dublin-Regeln

Die konservative ÖVP hingegen zeigt jetzt, wie sie sich die Einhaltung der laut Experten juristisch nicht umsetzbaren Obergrenze vorstellt: Vor allem durch die „rigorose Anwendung“ der Dublin-III-Regeln. Diese sehen vor, dass wer aus einem sicheren Drittland kommt, kein Recht hat auf einen Asylantrag. „Wir sind umgeben davon, niemand kann sich sein Asylland aussuchen“, sagte ÖVP-Fraktionschef Reinhold Lopatka. Auch die Flüchtlingskonvention lasse seiner Ansicht nach Gegenmaßnahmen zu, wenn „sich aus der Gewährung des Asylrechts nicht zumutbare schwere Belastungen für einzelne Länder ergeben“. Die Konvention mahne auch die internationale Zusammenarbeit ein, die allerdings nicht funktioniere, weshalb ein einzelner Staat nicht unangemessen belastet werden könne, erklärt Lopatka. Er fungiert auch als wichtigster Berater von ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Dass Österreich bisher den großen Flüchtlingsanstieg zugelassen habe, begründete Lopatka so: „Wir waren zu großzügig. Die größte Fehleinschätzung hat aber die deutsche Kanzlerin getroffen.“

Der im Mai scheidende Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) ermahnte die Parteien, die für März angekündigten Rechtsgutachten abzuwarten. Er sagt allerdings auch: „Das Asylrecht ist nicht verhandelbar.“ Damit greift Fischer indirekt in den Wahlkampf um seine Nachfolge ein. „Menschen, die hier um Asyl bitten, kommen immer aus sicheren Drittstaaten, sie suchen hier nicht Sicherheit vor Verfolgung“, widersprach ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol, ein ehemaliger Professor für Verfassungsrecht. Eine Obergrenze sei machbar, wenn Anträge nur noch im Ausland gestellt werden können. Damit positioniert sich die ÖVP klarer als bisher bei dem Thema, um der rechtsnationalen FPÖ Stimmen abzujagen. Die SPÖ hingegen setzt auf ihr Rezept aus der Wiener Wahl im Herbst, als ihre Standfestigkeit gegenüber den Polemiken der FPÖ diese stärker einengte als erwartet.

Zwei aktuelle Umfragen belegen die große Skepsis der Österreicher gegen die Flüchtlingsaufnahme, die mit 90000 Asylbewerbern im Vorjahr die Aufnahme Deutschlands im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sogar übertroffen hat: 74 Prozent sehen in dieser Zahl den Hauptgrund dafür, die Zukunft ihres Landes pessimistisch zu beurteilen. Die andere Umfrage nach der Festlegung auf eine Obergrenze am Mittwoch brachte eine schon lange nicht mehr festgestellte Verbesserung der Werte führender Koalitionspolitiker.

Reinhard Frauscher

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