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Ein QAnon-Anhänger bei einer Demonstration in New York City.
© REUTERS/Stephanie Keith

Wie gefährlich sind diese Verschwörungsgläubigen?: Die sieben wichtigsten Fragen und Antworten zu QAnon

Facebook und Twitter haben hunderte Accounts der QAnon-Bewegung sperren lassen. Trump dagegen verbreitet ihre Inhalte. Was hat es mit QAnon auf sich?

Nach Twitter ist nun auch Facebook gegen die QAnon-Bewegung vorgegangen. Facebook teilte am Mittwoch mit, es habe fast 800 Gruppen mit Verbindungen zu QAnon aus seinem Netzwerk entfernt.

Rund hundert Seiten, mehr als 300 Hashtags und etwa 1500 Anzeigen mit Verbindungen zu der Bewegung seien zudem beseitigt worden.

Twitter hatte bereits vor einem Monat tausende Konten mit Verbindungen zu QAnon gelöscht. Doch aus welchem Grund gehen die Sozialen Netzwerke gegen die Bewegung vor? Was oder wer ist QAnon überhaupt und warum ist die Bewegung offenbar so gefährlich?

Was ist QAnon?

QAnon ist eine Bewegung, die an ein Netz von Verschwörungsmythen glaubt. Diese Mythen sind sehr anschlussfähig und es gibt sie in verschiedenen Variationen, viele davon sind antisemitisch und rechtsextrem. Die QAnon-Bewegung besteht aus einem losen Verband von Anhängern, die nicht in festen Strukturen organisiert sind.

Vielmehr vernetzen sie sich im Internet auf Plattformen – zuerst auf 4chan und 8chan, dann auf Reddit, Facebook und Twitter. Deswegen ist unbekannt, wie viele Menschen sich der Bewegung zugehörig fühlen. Sie verbindet eine Infrastruktur im Internet, auf der die immer gleichen oder ähnlichen „Theorien" geteilt und beworben werden.

QAnon-Anhänger treten zuletzt öfter in der Öffentlichkeit auf, zum Beispiel auf Anti-Corona-Demonstrationen. In den USA ist eine QAnon-Anhängerin sogar kurz davor, in den Kongress einzuziehen: Marjorie Taylor Greene wurde von der Republikanischen Partei in einem Wahlkreis im Bundesstaat Georgia für den Einzug in das Repräsentantenhaus nominiert. Der Wahlkreis gilt als fest in republikanischer Hand.

Und auch US-Präsident Donald Trump unterstützt die Bewegung und teilt regelmäßig Inhalte der Verschwörungsmythiker auf den Sozialen Netzwerken. Trump sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus, er wisse nicht viel über QAnon. Doch habe er mitbekommen, dass die Anhänger der Bewegung "mich sehr mögen, was ich zu schätzen weiß". Er habe gehört, "dass dies Leute sind, die unser Land lieben", sagte der Präsident.

Welche Mythen verbreitet QAnon?

Im Grunde glauben QAnon-Anhänger, dass eine vermeintlich mächtige Elite aus pädophilen Politikern in den USA einen Kinderhandel-Ring betreibt. Das personifizierte Böse – blutrünstig, satanisch und machtgierig – sieht QAnon in der ehemaligen US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton.

Dieser Teil des Verschwörungsmythos ist auch als „Pizzagate" bekannt. Er entstand, als WikiLeaks im Oktober 2016 E-Mail von John Podesta, dem ehemaligen Staabschef des Weißen Hauses und später Hillary Clintons Wahlkampfmanager, veröffentlichte. Podesta stand damals regelmäßig im Austausch mit dem Besitzer der Pizzeria Comet Ping Pong in Washington D.C., sie besprachen hauptsächlich die Organisation von Spendenkampagnen.

Der rechte Radiomoderator Alex Jones und der Alt-Right-Blogger Mike Cernovich verbreiteten die daraus gesponnene Geschichte aus den rechten Foren 4chan, im Keller dieser Pizzeria würden Kinder versteckt und misshandelt werden. YouTuber mit großer Reichweite griffen diese Erzählung auf und verbreiteten sie zudem in den massentauglicheren Ecken des Internets.

Die Erzählung gewann an so großer Reichweite, dass der Familienvater Edgar Maddison Welch aus der Kleinstadt Salisbury im US-Bundesstaat North Carolina sich am 4. Dezember 2016 auf den Weg nach Washington machte, drei geladene Waffen mitnahm, und Comet Ping Pong stürmte, um endlich das vermeintliche Kinderversteck ans Licht zu bringen. Jedoch stellte sich heraus, dass unter der Pizzeria gar kein Keller liegt.

Hillary Clinton ist eine der Hauptzielscheiben der Verschwörungsmythiker.
Hillary Clinton ist eine der Hauptzielscheiben der Verschwörungsmythiker.
© AFP PHOTO / Brendan Smialowski

Doch auch nachdem sich „Pizzagate“ als falsch herausstellte, lebte das Narrativ vom satanischen Verschwörungsring, der Kinder quält, weiter. Es wurde sogar noch größer: QAnon gilt als die noch erfolgreichere Fortsetzung von „Pizzagate“, die immer mehr krude „Theorien“ in sich vereint.

Zu den Zielscheiben der Verschwörungsmythiker gehören neben Clinton auch der Milliardär George Soros. Beteiligt sei die politische Linke, in den USA also die Demokraten, sowie einige Hollywood-Stars Oprah Winfrey, Tom Hanks und Ellen DeGeneres.

Manche QAnon-Anhänger glauben auch, dass die Mitglieder dieses Kinderhandel-Rings ihre vermeintlichen Opfer töten und ihr Blut trinken würden, um das Stoffwechselprodukt Adrenochrom daraus zu gewinnen und es als Verjüngungsmittel zu nutzen. Tatsächlich kann man Adrenochrom jedoch synthetisch herstellen und ganz leicht im Internet bestellen – ein Fakt, den QAnon-Anhänger aber ignorieren.

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Donald Trump und eine Untergrundorganisation aus amerikanischen Patrioten hingegen würden gegen diese Eliten kämpfen. Der Überlieferung nach sei Trump von hochrangigen Militärgenerälen angeheuert worden, um 2016 als US-Präsident zu kandidieren und den Verschwörungsring aus Demokraten zu brechen.

Wie lange gibt es QAnon schon und wie ist es entstanden?

Alles begann mit einem Post auf dem Portal 4chan. Dort können Nutzer anonym posten und kommentieren. So tat es auch ein Nutzer unter dem Pseudonym „Q Clearance Patriot“, später nur noch „Q“ genannt. Im Oktober 2017 behauptete „Q“, Hillary Clinton wäre festgenommen worden und ein blutiger Umsturz in den USA stünde kurz bevor. Dieser Umsturz würde bald im „Sturm“ enden. So nennen QAnon-Anhänger den Zeitpunkt, an dem Trump die Verschwörung aufdecken würde.

„Q“ gab sich als hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter aus, der Informationen habe über Trumps geheimen Krieg gegen den vermeintlichen Kinderschänder-Ring, den er „Deep State“ nennt. „Deep State“ soll eine Schattenregierung bezeichnen, die sich aus Prominenten und wohlhabenden Personen zusammensetzt.

QAnon-Anhänger bei einem Trump-Wahlkampfauftritt.
QAnon-Anhänger bei einem Trump-Wahlkampfauftritt.
© MARIO TAMA / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / AFP

„Q“s Nachrichten sind oft kryptisch und bestehen aus rhetorischen Fragen oder sind rätselartig aufgebaut. Oft ist ein Aufruf an die Community, die „anons“ (für „anonymous“, dt. anonym) enthalten, Antworten auf seine Fragen zu recherchieren. Diese Beiträge nennen Anhänger „Drops“. Die Fragestellungen darin werden in QAnon-Foren heftig diskutiert. Manche Anhänger nutzen auch spezielle Apps, die alle Drops sammeln und sie benachrichtigen, sobald ein neuer Drop erschienen ist.

Existiert QAnon auch in Deutschland?

QAnon hat seine zweitgrößte Anhängerschaft in Deutschland. Spätestens seit den Großdemonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sind sie in der deutschen Öffentlichkeit sichtbarer geworden. QAnon-Anhänger nahmen zuletzt an diesen Demos teil. Prominente Vertreter in Deutschland sind etwa der Sänger Xavier Naidoo oder der rechte Blogger Oliver Janich. Naidoo erregte mit einem Internetvideo Aufsehen, in dem er weinend von den angeblichen Verbrechen eines Kinderschänder-Rings redete.

Naidoo verbreitet die Verschwörungsmythen hauptsächlich hauptsächlich über den Messenger Telegram. Er bezieht sich dabei häufig auf einen Channel, der als größter deutscher QAnon-Kanal auf Youtube (104.000 Abonnenten) und Telegram (124.300 Abonnenten) gilt: „Qlobal-Change“. Auf dem Kanal werden angebliche Beweise für die Verschwörungsmythen geteilt, vermeintliche Quellen aus Twitter und YouTube gesammelt und natürlich werden dort auch „Drops“ hinterlassen.

Eine Frau trägt während einer Anti-Corona-Kundgebung in Stuttgart ein Shirt mit einem "Q" darauf.
Eine Frau trägt während einer Anti-Corona-Kundgebung in Stuttgart ein Shirt mit einem "Q" darauf.
© Sebastian Gollnow/dpa

Seit März vermischen sich die Nachrichten in dem deutschsprachigen Telegram-Kanal auch mit Kritik an den Corona-Maßnahmen. Seit beginn der Coronakrise haben sich Verschwörungsmythen in Deutschland wieder stärker verbreitet, während sie vorher hauptsächlich im rechten Milieu geteilt wurden.

Auch der Koch Attila Hildmann gehört zu einem der prominentesten Vertreter, auf Telegram folgen ihm 71.200 Menschen. Darin vermischt er alle möglichen Verschwörungsmythen mit antisemitischer Hetze und rechtsextremen Narrativen.

Woran erkenne ich QAnon-Anhänger?

Auf den Anti-Corona-Demos in Berlin, Stuttgart und anderen Städten konnte man QAnon-Anhänger an einem großen „Q“ erkennen, das sie auf ihren T-Shirts, Fahnen oder auf Schildern vor sich hertrugen. Auch der Satz „Where we go one, we go all“, abgekürzt durch „WWG1WGA“ gilt als Code, mit dem sich Anhänger gegenseitig erkennen. Er ehemalige US-Sicherheitsberater Michael Flynn sagte den Satz in einem im Juli 2020 veröffentlichten Video.

T-Shirt und Fanartikel der Bewegung kann man mittlerweile leicht im Internet kaufen. T-Shirts mit dem Buchstaben Q in verschiedensten Designs (ca. 17 Euro), „Great Awakening“-Kaffeetassen (ca. 19 Euro) und „WWG1WGA“-Aufkleber: QAnon ist nicht nur ein Verschwörungsmythos, sondern auch eine Marke, die sich gut verkauft.

Warum ist der Verschwörungsmythos so erfolgreich?

Die Mythen, die erst im Netzwerk 4chan und 8chan verbreitet wurden, wurden durch größere amerikanische Youtuber massentauglich gemacht. Nachdem 8chan im August 2019 nach den Anschlägen in El Paso und Dayton in den USA offline genommen wurde, sammelten sich die Anhänger auch auf Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, Tiktok und eben Telegram.

Die Inhalte sind leicht zugänglich, auch dass Twitter und Facebook QAnon-Accounts und -hashtags gesperrt haben, ändert die Situation nur geringfügig.

Die Erzählung von QAnon weist alle essentiellen Kriterien von Verschwörungsmythen auf, die sie so anschlussfähig machen: Zum einen geht sie davon aus, dass es keinen Zufall gibt, sondern das komplette Weltgeschehen von einer kleinen, mächtigen Elite geplant würde. So glauben QAnon-Anhänger etwa, dass Trump an die Macht gekommen sei, um einen Verschwörungsring zu bekämpfen.

Aus ihrer Sicht hängt alles miteinander zusammen und es bestehen Verbindungen zwischen bestimmten Personen, Ereignissen und Institutionen, die keiner für möglich gehalten hätte. Dies ist der Grund, weshalb sich auch reale Nachrichten gut in die QAnon-Erzählung einfügen lassen, solange sie grob in das Narrativ der Verschwörung passen.

Zum anderen glauben Anhänger an eine geheime Gruppe, also den „Deep State“, die heimlich die Strippen in der Welt ziehe. Um „die Wahrheit“ zu erkennen, muss man sich auf die Suche nach ihr begeben, denn angeblich ist nichts so wie es scheint. Die Anhänger der Mythen sehen sich selbst als „die Erleuchteten“, die die schreckliche Wahrheit erkannt haben und nun für das aus ihrer Sicht „Gute“ kämpfen.

Das denken in den Kategorien „gut“ und „böse“ ist auch typisch. Dabei wird keine Gegenposition akzeptiert. Das Weltbild der Anhänger ist so geschlossen, dass jede Widerrede als das „Böse“ und Teil des Feinbildes abgestempelt wird.

Der Blogger Sascha Lobo stellte in seiner „Spiegel“-Kolumne die These auf, dass QAnons Erfolg mit dem sogenannten „Ikea-Effekt“ erklärt werden könnte: Möbelstücke, die Menschen selbst zusammenbauen, halten sie für wertvoller und besser. Auch die QAnon-Anhänger mussten erst an ihrem Luftschloss aus Verschwörungsmythen bauen und basteln, den „Drops“ nachgehen und selbst im Internet „recherchieren“. Und eine Theorie, an der man selbst mitgewirkt hat, muss ja schließlich stimmen – denken sie.

Welche Gefahren gehen von QAnon-Anhängern aus?

Ein QAnon-Anhänger wird in den USA verdächtigt, im vergangenen Jahr einen Mafia-Boss in New York ermordet zu haben. Ein weiterer Verschwörungsanhänger wurde im April festgenommen, weil er geplant haben soll, den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden umzubringen. Das FBI, der amerikanische Inlandsgeheimdienst, warnt seit 2019 vor der Bewegung. Es gehe eine „potentielle Terrorismusgefahr im Inland“ von ihr aus. Und auch der österreichische Verfassungsschutz beschäftigt sich mit der Bewegung.

Und auch in Deutschland wird auf den QAnon-Seiten und -Foren zu Gewalt aufgerufen. Blogger Oliver Janich fordert in seinen Videobotschaften, die „Leute an der Macht“ und Journalisten und Chefredakteure gehörten aufgehängt. Und auch an den Morden in Hanau und Halle konnte man sehen, wie die Täter Verschwörungserzählungen nutzten, um ihre Taten zu rechtfertigen.

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