Vertraut und vertraulich: Die Rolle der Journalisten bei den Ermittlungen im Rockermilieu
Die Berliner Rockerclubs waren vor der Razzia offenbar gewarnt und konnten sich vorbereiten. Hatten Journalisten gegen vertrauliche Absprachen mit der Polizei verstoßen?
Die Berliner Polizei ist wütend wie selten zuvor. Der Unmut richtet sich gegen die Nachrichtenseite „Spiegel Online“. Sätze wie „die kriegen nie wieder was von uns“ und „wenn sich einer von denen hier nochmal blicken lässt, weiß ich nicht, was passiert“ sind noch vergleichsweise milde. Anlass der Erregung ist ein Text, den das Ressort „Panorama“ am Dienstag um 11 Uhr 49 ins Netz gestellt hat. Unter der Überschrift „Berliner Rockergangs tricksen die Polizei aus“ beschreiben die beiden Autoren den Plan von Innensenator Frank Henkel (CDU), am Mittwoch mit großem Aufwand „diverse Rockerclubs“ zu verbieten. Als Quelle werden „Informationen von Spiegel TV“ genannt. Die Polizei wirft nun „Spiegel Online“ eine Art Todsünde des Journalismus vor: vorab über eine Razzia berichtet und die Gruppierung gewarnt zu haben, die der Hieb des Staates überraschend treffen sollte.
Die Behörde zog den Einsatz, der Mittwochmorgen beginnen sollte, auf den späten Dienstagabend vor. Berlins Polizeisprecher Stefan Redlich kommentierte den Vorfall am Mittwoch: „Es wird geprüft, wie die Informationen über die geplanten Maßnahmen der Polizei vorab bekannt geworden sind“, sagte er, „zur Zeit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Rockern etwas von Polizisten mitgeteilt worden ist.“ Redlich erwähnt „Spiegel Online“ nicht, doch der Hinweis, Polizeibeamte hätten nichts an Rocker durchgestochen, wirkt wie ein Vorwurf an die Journalisten, Polizeiwissen weitergegeben zu haben.
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Doch „Spiegel Online“ wehrt sich. „Wir glauben nicht, dass wir etwas verraten haben“, sagt Chefredakteur Rüdiger Ditz. Und die Autoren des Textes seien nicht über die Polizei an Informationen gekommen. Ein Autor nennt ein Detail: Pfingstmontagabend habe „Spiegel TV“ aus Rockerkreisen erfahren, „dass die Razzia am Mittwochmorgen stattfindet“, sagt Thomas Heise, Vize-Chefredakteur des Fernsehmagazins.
Offen bleibt, wie es dann weiterging. Es wäre ungewöhnlich, „Spiegel TV“ und „Spiegel Online“ hätten mit der Polizei nicht über die Information aus den Rockerkreisen geredet. Über mögliche Kontakte sagen beide Seiten jedoch nichts.
Dass Journalisten aus Sicherheitsbehörden vereinzelt Tipps zu bevorstehenden Aktionen erhalten, lässt sich mitunter den folgenden Reportagen entnehmen. Sensibler Umgang mit solchen Hinweisen gilt bei den Medien als selbstverständlich. Wer sich nicht daran hält, ist in den Behörden „verbrannt“.
Frank Jansen